Der ewige Kampf gegen die Krise
17. März 2013Zum Schluss blieb nur der Ruf um Hilfe. Ein Jahr lang waren verschiedene islamistische Gruppen aus dem Norden Malis in Richtung der Hauptstadt Bamako vorgerückt. Im Januar 2013 standen sie kurz davor, sie einzunehmen - und damit das gesamte Land unter ihre Kontrolle zu bringen. In dieser Situation bat der malische Präsident Dioncounda Traoré die ehemalige Kolonialmacht Frankreich um Hilfe. Präsident François Hollande reagierte schnell: Umgehend schickte er Truppen ins Land. Die rieben die Rebellengruppen auf und zwangen sie - vorerst - zum Rückzug Richtung Norden.
Von dort könnten sie irgendwann wieder zuschlagen. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum Mali noch nicht dauerhaft befriedet ist. Jetzt kommt es darauf an, die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen zu verändern, unter denen der Triumph der Dschihadisten überhaupt erst möglich wurde. Solche Missionen, so die Islamwissenschaftlerin Almut Wieland-Karimi, Direktorin des Berliner Zentrums für internationale Friedenseinsätze, würden meist von internationalen Organisationen verantwortet – etwa den Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. In unterschiedlichen Konfliktphasen gebe es unterschiedliche Akteure. "Das kann das Militär sein, aber auch die internationale Polizei. Ebenso gehören zivile Experten dazu. Sie arbeiten im Sinne der Demokratieförderung und der Entwicklungszusammenarbeit."
Widersprüchliche Ziele der Organisationen
Nicht selten stoßen die Ziele der einen internationalen Mission auf Missstände, die sich aus dem Engagement einer anderen ergeben haben. Ihr Land, berichtet die malische Politologin Djénéba Traoré, habe sich in den 80er Jahren einem Restrukturierungsprogramm der Weltbank unterworfen. In Folge dessen wurden Schulen geschlossen und die Lehrerausbildung reduziert. So konnte das staatliche Schulsystem nicht mehr alle Schüler aufnehmen. Darum meldeten viele Eltern ihre Kinder in den Koranschulen des Landes an. "Danach haben diese Schüler ihre Ausbildung in islamischen Ländern wie Saudi Arabien, dem Sudan oder Ägypten fortgesetzt. Sie kamen dann mit einem Predigtdiplom zurück. Sie hatten nichts anderes als das islamische Gesetz, also die Scharia und die Gebete, gelernt." Das habe dann mit zu den aktuellen religiösen Problemen im Land geführt.
Das Beispiel zeigt: Internationale Politik aus einem Guss gibt es – noch - nicht. Noch sind Politiker und Experten internationaler Organisationen nicht so weit, sämtliche Konsequenzen zu überblicken, die manche ihrer Entscheidungen nach sich ziehen. Die Weltbank wollte Mali auf ökonomisch stabile Füße stellen. Was das für die Bildung und, Jahre später, dann auch für die politische und gesellschaftliche Stabilität des Landes bedeutete, sahen die Verantwortlichen damals nicht ab. Ein übergeordneter Interessensausgleich - in diesem Fall zwischen ökonomischer und politischer Stabilität - ist ein komplexer, in seinen einzelnen Dimensionen noch nicht angemessen verstandener Prozess.
Eine neue Mentalität für Mali
Darum wenden die in Mali aktiven internationalen Organisationen - allen voran die ECOWAS, die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft - viel Geld und Energie auf, um das Land langfristig und umfassend zu befrieden. Und genau darauf komme es an, erklärt Djénéba Traoré. Die Intervention der Franzosen hat sie uneingeschränkt begrüßt. "Jetzt muss man sich den grundlegenden Problemen widmen. Es gilt, die Malier wieder miteinander zu versöhnen und die Unterentwicklung zu bekämpfen. Und man muss die Mentalität in Mali ändern."
Missionen, die sich solch langfristigen Zielen setzen, können kaum früh genug ansetzen. Klug und vor allem kostengünstig wäre es, eine weitsichtige, so genannte präventive Friedenspolitik zu praktizieren, die sich andeutende Konflikte im Vorfeld erkennt und sie zu entschärfen versucht. Das Problem ist nur, dass eine solche Politik keine starke Lobby hat, erklärt Almut Wieland-Karimi. Denn: "Diese konfliktpräventiven Maßnahmen sind nicht sonderlich sichtbar. Stattdessen geht es um mittel- und langfristige Investitionen, etwa in die Wirtschaft, in die Entwicklungszusammenarbeit, in die Institutionenfestigung." Eine solche Politik steht allerdings vor einem Paradox: Ist sie erfolgreich, fällt sie niemandem auf – und wird darum auch nicht honoriert.
Nach der Krise ist vor der Krise
Hinzu kommt, dass vorausschauende Politik angesichts der Vielzahl der weltweiten Konflikte unausweichlich hinterher hinkt, niemals an allen Fronten wirken kann. Sicher, die internationale Gemeinschaft tue sehr viel, erklärt Wieland-Karimi. "Nichtsdestotrotz brechen immer wieder Krisen und Konflikte aus. Und die vorher dann nicht getätigte Investition wird sehr viel teurer, weil man eben intervenieren muss. Konfliktprävention ist eben nicht sehr medienstark."
Umfassendes und vor allem weitsichtiges Krisenmanagement dürfte darum bis auf weiteres nicht zu leisten sein. So dass auch in Zukunft gilt: Nach der Krise ist vor der Krise.