Der Fall Djokovic: Serbien gegen den Rest der Welt?
6. Januar 2022Im Netz gehen die Nachrichten rauf und runter. Kritiker und Befürworter melden sich im Fall Djokovic zu Wort. Hat der Tennisstar richtig gehandelt, als er vermutlich ungeimpft und dafür mit einer medizinischen Ausnahmegenehmigung nach Australien einreisen wollte, um bei den Australien Open seinen Titel zu verteidigen? Oder hat er sich selbst ins Aus gespielt, indem er die australischen Behörden nicht ernst genommen und Corona-Einreiseregeln missachtet hat? Dahinter steckt die Diskussion der Impf-Befürworter und -Kritiker, die nun auf sportlicher wie politischer Ebene erneut angeheizt wird.
"Free Novax"
Vor dem Hotel für Ausreisepflichtige, in dem Impfskeptiker Novak Djokovic seit seiner Einreise festsitzt, protestieren unterdessen Anhänger des Tennisstars mit serbischen Flaggen. Eine Aktion, die von den Gegnern der australischen Einwanderungspolitik als medienwirksames Podium gleich mitgenutzt wird.
"Free Novax" steht auf einem Protestschild einer Unterstützerin Djokovics - ein Wortspiel aus seinem Vornamen Novak und den englischen Wörtern "no vaccination", keine Impfung. Wird sein Fall von Impfgegnern instrumentalisiert?
Der serbische Präsident Aleksandar Vucic hat schwere Vorwürfe gegen Australien erhoben. "Was nicht fair ist, ist die politische Hexenjagd, bei der alle, einschließlich des australischen Premierministers, so tun, als würden die Regeln für alle gelten", sagte er nach der Festsetzung des Tennisstars. "Ich fürchte, dass diese unerbittliche politische Verfolgung von Novak so lange weitergehen wird, bis sie etwas beweisen können. Denn wenn man jemanden nicht besiegen kann, dann greift man zu solchen Dingen." Die Behörden würden sich dafür einsetzen, dass Djokovic wenigstens in das Haus in Melbourne umziehen darf, das er für die Australian Open ursprünglich angemietet hatte.
Rückendeckung aus ganz Serbien?
Schon auf Instagram erklärte Vucic zuvor: "Ich habe gerade ein Telefongespräch mit Novak Djokovic beendet. Ich habe unserem Novak gesagt, dass ganz Serbien hinter ihm steht und dass unsere Behörden alle Maßnahmen ergreifen, um die Belästigung des besten Tennisspielers der Welt in kürzester Zeit zu stoppen. In Übereinstimmung mit allen Normen des internationalen öffentlichen Rechts wird Serbien für Novak Djokovic, für Gerechtigkeit und Wahrheit kämpfen."
Rückendeckung aus ganz Serbien? Die Stimmungslage jedenfalls scheint klar zu sein: pro Djokovic. Emotional voran schreitet sein Vater, Srdjan Djokovic, der seinen Sohn mit Jesus Christus vergleicht. "Jesus wurde gekreuzigt, ihm wurde alles angetan, und er ertrug es und lebt immer noch unter uns“, sagte er auf einer Pressekonferenz in Belgrad. "Jetzt versuchen sie Novak auf die gleiche Weise zu kreuzigen und ihm alles anzutun.“ Was nach einer Verschwörung gegen den 34-jährigen Tennisspieler klingt, wird auch von manchen Medien verbreitet. So meint die serbische Boulevardzeitung "Kurir": "Das tun sie Novak mit Absicht an: 26 Tennisspieler haben eine Ausnahmegenehmigung beantragt, aber nur Djokovic wurde eine skandalöse Szene am Flughafen gemacht." Das serbische Boulevardblatt "Blic" nennt das Verhalten der australischen Regierung eine "Schande für Australien."
"Spitzensportler, der sich zum Idioten macht"
Es gibt aber auch kritische Stimmen wie die von Aleksandar Stankovic vom öffentlich-rechtlichen Kroatischen Radio und Fernsehen (HRT). Er ist einer der bekanntesten und einflussreichsten Journalisten Kroatiens und der Westbalkan-Region. Auf Facebook kommentiert er Djokovics Haltung zur Corona-Impfung wie folgt: "Ein Spitzensportler, der sich selbst zum Idioten macht. Da gibt es starke Konkurrenz, aber einer gibt sich zur Zeit besonders Mühe."
Das größte bosnische Newsportal, klix.ba, zitiert einen Tweet des serbischen Oppositionspolitiker Nenad Canak: "Es gibt keine schlimme Behandlung (für Djokovic), weil er Serbe ist, sondern weil der Esel nicht geimpft ist."
Auch der ehemalige Premierminister Kroatiens, Jadranka Kosor, hat sich auf Twitter zum Fall Djokovic geäußert: "In ordentlichen Staaten, in denen die Gesetze für alle gelten, gelten die Gesetze für alle. 'Weißt du überhaupt, wer ich bin' funktioniert dort nicht. Es lohnt sich auch nicht, sich über die Regeln lustig zu machen."
Bis zur endgültigen Verhandlung seiner Berufung wird Djokovic in Australien bleiben. Ob er dann die Heimreise antreten muss oder möglicherweise doch bei den Australian Open mitspielen darf, ist ungewiss. Bis dahin aber hat der Weltranglistenerste Zeit, um eine Frage zu klären: mit welcher Ausnahmegenehmigung er eigentlich nach Australien geflogen ist.
Unter Mitarbeit von Srecko Matic