Vor zehn Jahren drang die Staatsanwaltschaft in die Wohnung von Cornelius Gurlitt ein und beschlagnahmte 1280 Kunstwerke. Der Verdacht: Raubgut aus der NS-Zeit. Was seitdem geschah.
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Die Sammlung des Kunsthändlers Cornelius Gurlitt zählt zu den spektakulärsten Kunstfunden seit dem Zweiten Weltkrieg. Gurlitt stand im Verdacht, NS-bedingt entzogenes Kulturgut in seiner Wohnung in München sowie seinem Haus in Salzburg aufbewahrt zu haben. Sein Vater, Hildebrand Gurlitt, war einer von vier Nazi-Kunsthändlern gewesen, die als "Entartete Kunst" bezeichnete Werke gegen Devisen verkaufen sollten - ins In- wie ins Ausland. War er und in der Folge auch sein Sohn Cornelius Nutznießer von Verfolgung und Enteignung jüdischer Sammler gewesen? Für die Ermittler lag diese Schlussfolgerung nahe.
Der Fall Gurlitt erzählt viel darüber, wie die Bundesregierung jahrzehntelang versäumt hatte, die NS-Raubkunst aufzuarbeiten. An Cornelius Gurlitt sollte ein Exempel statuiert werden. Doch am Ende wurden nur vierzehn der insgesamt mehr als 1500 beschlagnahmten Kunstwerke als NS-Raubkunst identifiziert und mit jahrelanger Verzögerung restituiert.
Eine Chronologie der Ereignisse
22. September 2010: Bei einer Zugfahrt fällt der Rentner Cornelius Gurlitt dem Zoll an der Schweizer Grenze auf. Die Leibesvisitation bringt 9500 Euro zum Vorschein. Gurlitt gibt an, das Geld stamme von Kunstverkäufen beim Berner Kunsthändler Eberhard W. Kornfeld. Die Beamten werden hellhörig. Liegt ein Steuerdelikt vor?
28. Februar 2012: Gurlitts Wohnung in München-Schwabing wird durchsucht. Die Fahnder entdecken 1280 wertvolle Kunstwerke und beschlagnahmen sie. Ist ein mögliches Steuerstrafverfahren Grund genug, eine Kunstsammlung zu konfiszieren und über Jahre nicht zurückzugeben? Legitimiert wird die Beschlagnahmung durch den Verdacht, dass sich in der Sammlung Gurlitt Raubkunst befindet. In der Wohnung in Schwabing befindet sich nach Recherchen des "Focus" auch eine Kaufliste von Hildebrand Gurlitt aus der NS-Zeit. Der Fund in München bleibt vorerst geheim.
Gurlitts Kunstsammlung im Museum
Lange hat man auf sie gewartet, nun werden Kunstwerke aus dem Gurlitt-Fund in Ausstellungen in Bonn und Bern gezeigt. Sind sie Nazi-Raubkunst? Es ist noch viel unklar. Eine kleine Reise durch die Provenienzen.
Bild: Bundeskunsthalle / Foto: David Ertl
Max Beckmann, Zandvoort Strandcafé, 1934
Das Aquarell des jüdischen Malers Max Beckmann kann erst 1945 bei Gurlitt nachgewiesen werden. Von 1945-1950 war es in den Händen der Alliierten, am Central Collecting Point in Wiesbaden. 1950 bekam Hildebrand Gurlitt es zurück. Gurlitt hatte moderne Kunst gesammelt und ausgestellt, bevor er für das NS-Regime arbeitete. Er kuratierte 1936 die letzte Ausstellung Max Beckmanns vor seiner Flucht.
Bild: Bundeskunsthalle / Foto: David Ertl
Otto Griebel, Die Verschleierte, 1926
Das Werk befand sich im Besitz des Rechtsanwalts und Sammlers Fritz Salo Glaser. Bei ihm verkehrten in den 1920ern Künstler der Dresdner Avantgarde - auch der junge Hildebrand Gurlitt. Wie das Bild in seinen Besitz kam, ist unklar. 1945 wurde es bei ihm beschlagnahmt, später aber wieder frei gegeben. Glaser war jüdischer Herkunft und entkam 1945 nur knapp der Deportation nach Theresienstadt.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH / Foto: David Ertl
Claude Monet, Waterloo Bridge, 1903
Das Gemälde des berühmten Impressionisten steht nicht unter Raubkunstverdacht. Es wurde 1907 vom Künstler an die Galerie Durand Ruel verkauft. Der jüdische Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer soll es Marie Gurlitt geschenkt haben, die es wiederum 1923 ihrem Sohn Hildebrand Gurlitt vererbte.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH / Foto: David Ertl
Thomas Couture, Porträt einer sitzenden jungen Frau, 1850
Das Gemälde des französischen Malers wurde erst kürzlich als Raubkunst identifiziert. Eine kleine handschriftliche Notiz brachte die Provenienzforscher auf die Spur. Das Bild stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Sammlung des jüdischen Politikers Georges Mandel, dessen Familie Anspruch auf das Werk erhoben hat. Wie genau es in Gurlitts Hände kam, ist aber unklar.
Bild: picture alliance/dpa/Kunst- und Ausstellungshalle GmbH/M. Vincenz
Auguste Rodin, Kauernde, ca. 1882
Die Skulptur des französischen Bildhauers muss zwischen 1940 und 1945 von Hildebrand Gurlitt erworben worden sein. Zuvor befand sie sich im Besitz des Franzosen Eugène Rudier. In Umlauf gebracht wurde sie 1919 bei einer Auktion von Octave Henri Marie Mirbeau, der sie vom Künstler geschenkt bekommen hatte.
Bild: Bundeskunsthalle / Foto: David Ertl
In Gurlitts Wohnung
Cornelius Gurlitt hortete die Skulptur - zusammen mit vielen anderen Kunstwerken - über Jahrzehnte in seiner Wohnung in München. Noch vor seinem Tod 2014 hatte er seine Einwilligung gegeben, dass seine Bestände erforscht werden und sie, falls sie Raubkunst seien, gemäß der Washingtoner Prinzipien zu restituieren.
Bild: privat/Nachlass Cornelius Gurlitt
Albrecht Dürer, Ritter, Tod und Teufel, 1513
Der Kupferstich von Albrecht Dürer gehörte einst der Galerie Falkeisen-Huber in Basel. Wie er dahin kam und wie lange er dort war, ist nicht bekannt. 2012 tauchte der Stich bei Cornelius Gurlitt auf. "Alte Meister" wie Dürer hatten im nationalsozialistischen Kunstbild eine große Bedeutung, sie wurden oft auch propagandistisch vereinnahmt.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH / Foto: David Ertl
Edvard Munch, Asche II, 1899
Bei dieser Zeichnung ist die Provenienz gänzlich unklar. Sicher ist jedoch, dass der norwegische Künstler Edvard Munch von Hitler zur so genannten "entarten Kunst" gezählt wurde. 82 Munch-Werke wurden 1937 in deutschen Museen beschlagnahmt.
Bild: Bundeskunsthalle/Foto: Mick Vincenz
François Boucher, Männlicher Akt, undatiert
Hitler verehrte die französische Malerei des 18. Jahrhunderts. Herausragende Gemälde für seine Sammlung sicherte er, indem er nach der Annexion Österreichs gezielt auf die Sammlung der Rothschild-Familie zugriff. Ergänzend versorgte Hildebrand Gurlitt ihn mit Zeichnungen renommierter französischer Künstler. Diesen Boucher hatte Gurlitt 1942 bei einem Paris Kunsthändler erworben.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH / Foto: David Ertl
Carl Spitzweg: Alpental mit Sennerin, 1871
Dieses Gemälde war seit 1934 wahrscheinlich im Privatbesitz Hitlers. Es stammt nicht aus der Sammlung Gurlitts, sondern ist seit 1973 eine Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland, die sonst im Museum Kunstpalast in Düsseldorf ausgestellt wird. Das Bild spiegelt den Kunstgeschmack Hitlers wider. Solche Werke wollte er im "Führermusem" sehen.
Bild: DW/J. Hitz
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"Focus" macht den Fall Gurlitt öffentlich
3. November 2013: Das deutsche Nachrichtenmagazin "Focus" bringt den Fall an die Öffentlichkeit und schreibt von einem "Nazi-Schatz in Milliardenhöhe". Danach greift die Presse weltweit die Geschichte auf.
11. November 2013: Eine "Taskforce Schwabinger Kunstfund" unter der Leitung der Verwaltungsjuristin Ingeborg Berggreen-Merkel soll die Herkunft der Bilder erforschen und klären, ob sich unter den sichergestellten Bildern Raubkunst befindet.
Bereits einen Tag später werden 25 Werke auf lostart.de veröffentlicht. Über die Plattform sollen Werke von ungeklärter Provenienz zu den Nachfahren einstiger Besitzer finden.
19. November 2013: Die Behörden teilen mit, dass Gurlitt Hunderte Bilder zurückbekommen soll, die ihm zweifelsfrei gehören.
23. Dezember 2013: Es wird bekannt, dass Gurlitt unter vorläufige Betreuung des Münchner Rechtsanwalts Christoph Edel gestellt wird.
28. Januar 2014: Die Taskforce verkündet, dass nach einer ersten Sichtung 458 Werke aus Gurlitts Sammlung unter Raubkunstverdacht stehen.
Gurlitt erklärt sich zu Restitution bereit
10. Februar 2014: 60 weitere wertvolle Bilder werden in Gurlitts Haus in Salzburg gefunden - darunter Gemälde von Picasso, Renoir und Monet. Später stellt sich heraus, dass es sich sogar um insgesamt 238 Werke handelt.
7. April 2014: Gurlitts Anwälte unterzeichnen einen Vertrag mit der Bundesregierung, in dem der Kunsthändler sich bereiterklärt, Bilder, bei denen es sich um Nazi-Raubkunst handelt, freiwillig zurückzugeben.
9. April 2014: Die Staatsanwaltschaft Augsburg gibt die beschlagnahmten Bilder nach mehr als zwei Jahren wieder frei. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens hätten sich neue Erkenntnisse ergeben, teilte die Behörde mit. Die rechtliche Situation sei neu bewertet worden. Nach mehr als zwei Jahren soll Cornelius Gurlitt seine Bilder zurückerhalten.
6. Mai 2014: Cornelius Gurlitt stirbt im Alter von 81 Jahren in seiner Wohnung in München, ohne seine Kunstsammlung noch einmal gesehen zu haben.
"Entartete Kunst": Wie Hitler und die Nazis Kunst diffamierten
Adolf Hitler war vor der Machtergreifung 1933 selbst Kunstmaler. Als "Führer" kategorisierte er Kunstwerke nach seinem Gusto - was er verabscheute, wurde als “entartete Kunst” gebrandmarkt und aus Museen entwendet.
Bild: picture-alliance/akg-images
Entartete Kunst
Als "entartete Kunst" bezeichneten Adolf Hitler und die Nationalsozialisten Kunstwerke der Moderne, deren Stil, Künstler oder Sujet ihnen nicht genehm waren. Die Nazis beschlagnahmten solche Kunstwerke ab 1937 aus deutschen Kunstmuseen. In einer Wanderausstellung wurde "entartete Kunst" vor Publikum an den Pranger gestellt. Hier besichtigen Goebbels und Hitler die Originalausstellung in München.
Bild: picture-alliance/dpa
Hitler und die Kunst
Hitler mochte die Romantik sowie Malerei des 19. Jahrhunderts, bevorzugt ländliche Idyllen. In seiner Privatsammlung fanden sich z.B. Werke von Cranach, Tintoretto und Bordone. Hitler wollte sich in seinem Ruhestand - analog zu seinen Vorbildern Ludwig I. von Bayern und Friedrich dem Großen - selbst einer Kunstsammlung widmen. Sie sollte in Linz an der Donau im "Führermuseum" gezeigt werden.
Bild: picture-alliance/Everett Collection/Actual Films
Die Enteignungen
Die Nationalsozialisten waren nicht die Ersten, die Avantgarde-Künstler verfemten, aber sie gingen einen Schritt weiter, indem sie ihre Werke aus den Kunsthäusern verbannten. Über 20.000 Werke ließen die Machthaber 1937 aus 101 staatlichen deutschen Museen abtransportieren. Alles, was den Nazis als nicht erbaulich für das deutsche Volk erschien, wurde abtransportiert.
Bild: Victoria & Alber Museum
Hitlers Nationalstil
Abstrakte Kunst hatte in Hitlers “Nationalstil” nichts verloren. Das machte auch die “Große Deutsche Kunstausstellung” klar, die am 18.7.1937 in München die traditionellen Landschafts-, Historien- und Aktmalereien u.a von Fritz Erler, Hermann Gradl oder Franz Xaver Stahl zur Schau stellte. Je näher das Sujet der realen Vorlage kam, umso schöner war sie in den Augen des Führers.
Bild: Bundesarchiv, Bild 183-C10110/CC-BY-SA
Was als entartet galt
Sogar unter seinen Untergebenen herrschte große Unsicherheit darüber, welche Künstler Hitler akzeptierte. Klarheit brachten die Große Deutsche Kunstausstellung 1937 und die zeitgleiche Ausstellung "Entartete Kunst" in den Münchner Hofgarten-Arkaden. Verfemt wurden Kunstschaffende der Moderne, darunter Max Beckmann, Otto Dix, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein.
Bild: picture-alliance/akg-images
Entartete Kunst auf Tournee
Die Ausstellung "Entartete Kunst" zeigte 650 konfiszierte Kunstwerke aus 32 deutschen Museen. Sie setzte die Exponate mit Zeichnungen von geistig Behinderten gleich und kombinierte sie mit Fotos verkrüppelter Menschen, die bei den Besuchern Abscheu und Beklemmungen erregen sollten. Über zwei Millionen Besucher sahen die Schau, die in verschiedenen Städten gezeigt wurde.
Bild: cc-by-sa/Bundesarchiv
Rechtsgrundlagen
Das "Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst" vom 31.5.1938 legalisierte rückwirkend den entschädigungslosen Einzug der Kunstwerke. Nach Kriegsende behielt das Gesetz seine Gültigkeit, es habe lediglich Staatsbesitz umverteilt, beschieden die Alliierten. Werke, die Nazis als "entartete Kunst" aus den Museen trugen, können im Gegensatz zu Raubkunst bis heute frei gehandelt werden.
Bild: CC by Österreichische Nationalbibliothek
Handel mit "entarteter Kunst"
Die beschlagnahmten Werke kamen in Depots in Berlin und ins Schloss Schönhausen. Viele Verkäufe enteigneter Werke wurden durch die vier Kunsthändler Hitlers, Bernhard A. Böhmer, Karl Buchholz, Hildebrand Gurlitt und Ferdinand Möller, durchgeführt. Ein Bestand an ca. 5000 nicht verkauften Kunstwerken wurde am 20.3.1939 von der Berliner Feuerwehr in einer als Übung bezeichneten Aktion verbrannt.
125 Werke waren für eine Versteigerung in der Schweiz vorgesehen. Eine von Hermann Göring und anderen eingesetzte Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst schätzte die Mindestgebote und wählte schließlich die Galerie Fischer in Luzern für die Auktion aus. Diese Auktion fand am 30.6.1939 statt und fand großes Interesse in der ganzen Welt.
Bild: Fotolia/Fredy Thürig
Viel “entartete Kunst” bei Gurlitt
Über 21.000 Werke "entarteter Kunst" waren beschlagnahmt worden. Über die Anzahl, die seitdem verwertet worden sind, herrscht bis heute Uneinigkeit. Je nach Quelle ist die Rede von 6000 bis 10.000 veräußerten Werken. Anderes wurde vernichtet oder verschwand. Hunderte verschollen geglaubter Werke sind in Cornelius Gurlitts Sammlung wieder aufgetaucht. Und haben die Diskussion neu entfacht.
Bild: privat/Nachlass Cornelius Gurlitt
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7. Mai 2014: Laut Testament hat Gurlitt seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern in der Schweiz vermacht.
19. Mai 2014: Gurlitt wird in Düsseldorf im Grab seiner Eltern beigesetzt.
5. September 2014: Im Nachlass von Gurlitt ist nach Angaben der Berliner Taskforce ein weiteres wertvolles Bild gefunden worden: Das Bild "Abendliche Landschaft" von Claude Monet.
Gurlitt vererbt Sammlung dem Berner Kunstmuseum
17. November 2014: Ein von Mitgliedern der Gurlitt-Familie in Auftrag gegebenes Gutachten des Psychiaters und Juristen Helmut Hausner wird bekannt, demzufolge Cornelius Gurlitt an "paranoiden Wahnideen" gelitten habe.
21. November 2014: Die Cousine von Cornelius Gurlitt, Uta Werner, erhebt Anspruch auf das Erbe des Kunstsammlers.
24. November 2014: Das Kunstmuseum Bern bestätigt offiziell, dass es das Erbe annimmt.
In Berlin unterschreiben das Museum, die deutsche Bundesregierung und der Freistaat Bayern eine Vereinbarung. Diese sieht vor, dass Bern nur Werke übernimmt, bei denen es sich nachweislich nicht um Raubkunst handelt. Uta Werner und weitere Gurlitt-Verwandte fechten das Testament an. Ein langwieriger Rechtsstreit beginnt. Die Frage, "War Cornelius Gurlitt testierfähig?", wird mit Gutachten und Gegengutachten gerichtlich verhandelt, zunächst am Amtsgericht, dann vor dem Oberlandesgericht München.
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Restitution: Matisse und Liebermann
12. Mai 2015: Das Amtsgericht München entscheidet, die Gemälde "Sitzende Frau" von Henri Matisse und "Zwei Gemälde am Strand" von Max Liebermann aus der Sammlung sollen an die Erben der Alteigentümer restituiert werden.
15. Dezember 2016: Das Oberlandesgericht München kommuniziert seinen Entscheid: Gurlitt war testierfähig. Damit kann das Kunstmuseum Bern das Erbe antreten.
2. November 2017: Das Kunstmuseum Bern und die Bundeskunsthalle Bonn eröffnen die Doppelausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt. 'Entartete Kunst' beschlagnahmt und verkauft". Erstmals werden die Werke einer breiten Öffentlichkeit gezeigt.
13. Januar 2021: Eine Zeichnung von Carl Spitzweg wird als vermutlich letztes Werk aus der Sammlung Gurlitt restituiert. Insgesamt wurden 14 Werke, die im Zusammenhang mit dem Kunstfund im Rahmen der Recherchen als NS-verfolgungsbedingt entzogen identifiziert wurden, im Januar zurückgegeben.
10. Dezember 2021: Nach mehrjähriger Prüfung trennt sich das Kunstmuseum Bern von 38 Werken der Sammlung. Neun der Gemälde seien eindeutig von den Nazis gestohlen worden, teilte das Schweizer Museum mit. Diese seien bereits durch Deutschland an ihre rechtmäßigen Besitzer übergeben worden. Bei den anderen gebe es Hinweise, dass es sich womöglich um Raubkunst handele.
25. Februar 2022: Der ehemalige Betreuer Gurlitts, Christoph Edel, erhebt im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur Vorwürfe gegen "Staatsanwaltschaft, Politik, Medien", die sich weder für "Gurlitts Sicht der Dinge" noch für "seine Person" interessiert hätten. Er kritisiert rückblickend: "Es war ein rücksichtsloser Umgang mit einem alten Menschen, dem ja rechtlich nichts vorzuwerfen war und auch ob ihm moralisch etwas vorzuwerfen war, ist fraglich, wenn man an seine gesundheitliche und familiäre Situation denkt."
Fazit: Die Wahrnehmung des Falls Gurlitt hat sich über die Jahre stets verändert. Festzuhalten ist, dass er dafür gesorgt hat, dass sich deutsche Museen vermehrt ihrer Vergangenheit stellen und ihre Sammlungsbestände kritisch auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut durchleuchten. Doch wurde auch klar, dass die Staatsanwaltschaft vorschnell die Werke aus dem Gurlitt-Besitz einkassierte. Und die Bezeichnung "Nazischatz", wie der Fund zunächst genannt wurde, war eine starke Übertreibung.