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Politik

Der Fall Jan Kuciak

Aureliusz Marek Pedziwol
18. Dezember 2019

In Pezinok bei Bratislava hat der Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder des investigativen Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírova begonnen. Der Fall hat die Slowakei verändert.

Slovakai | ermordeter Journalist Jan Kuciak und Martina Kusnirova | Freedom Square
Gedenken an den Journalisten Jan Kuciak und seine Verlobte Martina KusnirovaBild: picture-alliance/dpa/CTK/S. Petr

Es dürfte einer der am schärfsten beobachteten Prozesse im Ostteil der EU werden. Dieser Mord hat die Slowakei erschüttert, ihre Bürger auf die Straße gebracht und schließlich zum Sturz der Regierung des Premiers Robert Fico geführt.

Die Menschen protestierten, weil sie an die 90er Jahre erinnert wurden. Damals regierte Vladimír Mecziar das Land mit Methoden, die weit davon entfernt waren, die man mit einem Rechtsstaat verbindet. Erinnert sei nur an die Entführung des Sohnes des damaligen Präsidenten Michal Kováč nach Österreich und insbesondere an den Tod des Ex-Polizisten Róbert Remiáš, der starb, als eine Bombe in seinem BMW explodierte. Dieser Mord wurde nie geklärt, trotz des Verdachts, dass die zivile Gegenspionage SIS dabei ihre Finger im Spiel hatte. Dass der Investigativ-Journalist Jan Kuciak unbequem sein würde, war bekannt. Auf dem Portal "Aktuality.sk" schrieb er über dubiose bis kriminelle Machenschaften mancher Unternehmer und über ihre Verflechtung mit der nationalen Politik.

"Wir wollen nicht in einem Mafia-Staat leben!"

Ján und seine Freundin Martina kamen am Mittwoch, dem 21. Februar 2018 ums Leben, aber die Polizei fand ihre Leichen erst Tage später. Der Polizeichef Tibor Gašpar benachrichtigte die Öffentlichkeit über das Verbrechen erst am Montag. Schon nach zwei Tagen kam es zum ersten Protest in Bratislava, unter dem Motto "Wir wollen nicht in einem Mafia-Staat leben!" Die Demonstranten glaubten, dass der Journalist denjenigen zum Opfer fiel, über die er schrieb.
Den letzten Beitrag, der vor seinem Tod erschienen war, widmete er nicht zum ersten Mal Marian Kočner, der ihn bereits einige Monate zuvor bedroht hatte. In seinem letzten Artikel beschrieb er die in der Ostslowakei tätigen, italienischen Unternehmer, die mit der kalabrischen 'Ndrangheta verbunden waren, sowie ihre Bindungen an die Regierungspartei Smer-SD, insbesondere an Maria Trošková, Assistentin des Premiers Robert Fico. Der Text erschien eine Woche nach dem Verbrechen. Zwei Wochen später trat Fico samt seiner Regierung zurück.

Marian Kočner und seine Komplizen

Der Verdacht, die 'Ndrangheta könnte dahinter stecken, wurde schnell ausgeräumt. Immer mehr Spuren führten zur einheimischen Mafia. Am 8. März 2019, über ein Jahr nach dem Mord, wurde Marian Kočner beschuldigt, ihn beauftragt zu haben. Alena Zsuzsová, Tomáš Szabó und Miroslav Marček werden ebenfalls auf der Anklagebank sitzen. Letzterer soll der Schütze sein und Szabó sein Helfer.

Zwischen Zsuzsová und den beiden anderen mutmaßlichen Tätern vermittelte Zoltán Andruskó, der vorerst nur als Kronzeuge auftreten wird. "Das bedeutet nicht, dass er nicht vor Gericht kommt. Aber dank seines Geständnisses und der Zusammenarbeit mit den Ermittlern darf er auf eine milde Strafe hoffen", sagt der Journalist und Schriftsteller Martin Milan Šimečka in einem Gespräch mit der Deutschen Welle. Den Angeklagten droht Freiheitsentzug bis zu 25 Jahren oder sogar lebenslänglich.

"Hinter ihm stand absolute Staatsgewalt"

Als er wegen des Mordes an Kuciak angeklagt wurde, befand sich Kočner bereits im Gefängnis wegen eines millionenschweren Kapitalverbrechens. "Es gibt wenige Affären in der slowakischen Politik, in denen Kočner nicht auftreten würde", schrieb Monika Tódová, eine Journalistin der Zeitung "Denník N", vor über einem Jahr. Tatsächlich war er bereits 1992 in die Affäre "Technopol I" verwickelt. Es ging um eine Zahlung von 2,3 Millionen US-Dollar für eine Lieferung, die nie ankam.
In der "Causa Glance House" wurde Kočner vom damaligen Vize- und späteren Generalstaatsanwalt Dobroslav Trnka unterstützt - gegen die Sonderstaatsanwaltschaft, die die Betrügereien bei diesem Geschäft untersuchte. 2013 meldete sich ein Vertreter der daran beteiligten OTP Bank bei der Polizei. Demnach soll Kočner gesagt haben, er werde "eine Kugel durch den Kopf des Juristen der Bank, Roman Kvasnica, passieren lassen." Während des dreijährigen Prozesses sah Kvasnica es als unmöglich an, dass Kočner vor Gericht gestellt werde, "weil die absolute Staatsgewalt hinter ihm stand."

Unter den Augen der Öffentlichkeit

Zu einer wahren Fundgrube für Ermittler wurde das Handy Kočners. In der dort installierten App Threema fanden sie zum Teil schockierende Chats des Unternehmers mit der ehemaligen Vize-Justizministerin Monika Jankovská, der Mitangeklagten Alena Zsuzsová, dem Geschäftsmann Norbert Bödör (einem Verwandten des ehemaligen Polizeichefs Gašpar), dem Richter Vladimír Sklenka sowie den Staatsanwälten Bystrík Palovič und Petr Šufliarský.

Der Politologe Grigorij Mesežnikov hat keine Zweifel, dass Kočner versuchen wird, das Strafverfahren zu verzögern. Dennoch erwartet er einen rechtsstaatlich nicht angreifbaren Prozess seitens der Staatsanwaltschaft und des Gerichts. "Dieser Prozess wird unter dem wachsamen Blick der Öffentlichkeit stattfinden", so seine Einschätzung gegenüber der Deutschen Welle. 

Ein Jahr nach der Ermordung des Journalisten und seiner Freundin: Slowaken protestieren gegen Korruption. Bild: picture-alliance/dpa/P. Josek
Über den Mord an Jan Kuciak verlor der damals mächtige Ministerpräsident Robert Fico sein Amt. Bild: Getty Images/AFP/V. Simicek
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