Kenia: Haben Behörden Beweise zurückgehalten?
19. August 2015Die Vorwürfe sind schwerwiegend: Im Verfahren gegen den kenianischen Staatspräsidenten, Uhuru Kenyatta, sollen die Behörden seines Landes entscheidende Beweise zurückgehalten haben, darunter Kontoauszüge und Telefonverbindungen. Deshalb musste die Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGh) im Dezember vergangenen Jahres fallen gelassen werden.
Im Hauptverfahren hatten die Richter den Antrag der Anklage zunächst abgelehnt. Den Behörden konnte kein unkooperatives Verhalten nachgewiesen werden. Dagegen hatte die Chefanklage Berufung eingelegt – mit Erfolg. Die Kammer hat nun entschieden, dass der Fall neu beurteilt werden muss. In dem Verfahren seien Fehler gemacht worden, so die vorsitzende Richterin Silvia Fernandez in der Urteilsbegründung
"Es wäre ein positiver Schritt, wenn die Entscheidung im Hauptverfahren revidiert würde", sagt Mark Ellis gegenüber der DW. Er ist Vorstandsvorsitzender der Juristenvereinigung International Bar Association (IBA). Ellis glaubt, die Anklage habe nun gute Chancen Recht zu bekommen. In diesem Falle würde die Beschwerde an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitet, der dann den internationalen Druck auf Kenia verstärken könnte.
Ein Staatspräsident vor Gericht
Das ursprüngliche Verfahren gegen Uhuru Kenyatta wurde im Jahr 2011 aufgenommen. Der damalige Chefankläger des IStGh, Luis Moreno Ocampo, warf dem Sohn des kenianischen Staatsgründers Jomo Kenyatta vor, die gewalttätigen Ausschreitungen nach den Präsidentschaftswahlen 2007 gelenkt zu haben. Mehr als 1200 Menschen kamen während der Unruhen ums Leben, 600.000 wurden vertrieben.
Die Anklage lautete Verbrechen gegen die Menschlichkeit - Mord, Verschleppung, Vergewaltigung und Verfolgung. Im April 2011 erschien Kenyatta vor den Richtern in Den Haag und bestritt sämtliche Vorwürfe. Die Anklagepunkte seien frei erfunden, die Aufnahme des Verfahrens politisch motiviert. Nachdem sich die kenianischen Behörden mehrfach geweigert hatten, dem Gericht unter anderem die persönlichen Bankdaten Kenyattas zur Verfügung zu stellen, sah sich die Anklage gezwungen, die Vorwürfe aus Mangel an Beweisen im Dezember 2014 fallen zu lassen..
Was bedeutet das für den Fall Kenyatta?
Um Staaten wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft zur Verantwortung zu ziehen, bleibt den Richtern nur der Umweg über den UN-Sicherheitsrat. Dieser kann theoretisch Sanktionen gegen die betreffenden Staaten einleiten und so den Druck erhöhen. Doch bisher bot dieses Vorgehen wenig Aussicht auf Erfolg: In zehn Fällen, darunter Sudan, Tschad, Djibouti oder Malawi, wandte sich das Gericht an den Rat - zu Sanktionen kam es nie.
"Die Geschichte zeigt, dass diese Weiterleitungen von Fällen an den Sicherheitsrat normalerweise folgenlos bleiben", sagt IBA-Chef Ellis. Der Fehler liege aber nicht bei dem Gerichtshof selbst, sondern beim UN-Sicherheitsrat. Daher gäbe es wenig Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Kenyatta.