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Der FC Bayern und die "Holding Six"

Tobias Oelmaier
17. Dezember 2023

Seit Monaten ist der Kader des FC Bayern dünn besetzt. Vor allem in der Abwehr und im defensiven Mittelfeld klaffen oft Löcher. Dabei könnte man im Spiel gegen Stuttgart einen neuen "Sechser" gefunden haben.

Aleksandar Pavlovic (r.) im Zweikampf mit VfB-Mittelfeldmann Angelo Stiller (l.)
Aleksandar Pavlovic (r.) im Zweikampf mit VfB-Mittelfeldmann Angelo Stiller (l.)Bild: Sebastian Widmann/Getty Images

Bayern-Trainer Thomas Tuchel hätte gerne eine "Holding Six". So nennt man im Fußballer-Fachjargon inzwischen einen defensiven Mittelfeldspieler, der sich tatsächlich weitgehend auf die Absicherung vor der Abwehr beschränkt. Einen Abräumer, einen, der rennt, physisch stark ist. Keinen Schönspieler, keinen Spielmacher, keinen, der gern selbst glänzt sondern einen, der die anderen glänzen lässt. Und den Gegner ausbremst, ihm die Freude am Spiel nimmt.

Diesen Wunsch hatte Tuchel schon vor der Saison bei seinen Bossen beim FC Bayern hinterlegt. Joshua Kimmich und Leon Goretzka, den Stamm-"Sechsern" im Kader der Münchener, traute er diese Rolle offenbar nicht zu. Außerdem war man nach dem Weggang von Ryan Gravenberch nach Liverpool im Mittelfeld ohnehin dünn besetzt. Und es ist nicht so, als hätten sie den Trainer nicht gehört.

"Verrücktes Transferfenster"

Mit dem Briten Declan Rice soll da verhandelt worden sein, aber der hat sich anders entschieden, und der Portugiese Joao Palhinha war sogar schon in München, als ihn sein FC Fulham im letzten Moment wieder zurückpfiff. "Es war ein verrücktes Transferfenster mit Harry Kane und vielem, was dann auch nicht mehr funktioniert ganz zum Schluss", führte Bayern-Vorstandschef Jan-Christian Dreesen vor dem letzten Bundesliga-Heimspiel des Jahres 2023 bei Sky aus.

Besonders akut wurde dieser Personal-Engpass durch den Ausfall der beiden Leistungsträger auf dieser Position, den Dreesen kommentieren musste: "Dass heute ausgerechnet dann auch noch Leon Goretzka und Jo Kimmich nicht dabei sind wegen Grippe, ist unglaublich ärgerlich."

Für Goretzka und Kimmich rückten Neuzugang Raphael Guerreiro, eigentlich eher ein  Außenbahnspieler, sowie Neuentdeckung Aleksandar Pavlovic in die Startelf. Und beide machten es gut gegen die Überraschungsmannschaft der Saison. Mit attraktivem Offensivfußball hatte sich der VfB Stuttgart zu einem Top-Team gemausert, war Spitzenreiter Bayer Leverkusen und den Bayern auf dicht auf den Fersen.

Und wieder ist Pavlovic (2. v. r.) zuerst am Ball - Deniz Undav-Stürmer bleibt nur das NachsehenBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Pavlovic als perfekter Kimmich-Vertreter

Aber vor allem Pavlovic machte gegen den VfB das, was man von einer Holding Six erwartet. Er rackerte, antizipierte, ging dazwischen, und luchste den Stuttgarter einen Ball nach dem anderen ab. Und in der Offensive war er es, der in Vertretung von Joshua Kimmich die Ecken und einige Freistöße schlagen durfte - und auch das sicher nicht schlechter als der Nationalspieler. Dabei ist Pavlovic, aus dem Nachwuchsteam nach oben gezogen, gerade mal 19 Jahre alt, hat erst kürzlich sein Bundesliga-Debüt gegeben und im November seinen ersten Profi-Vertrag unterschrieben.

Die Vorlage zum 3:0-Endstand durch Minjae Kim gegen die Stuttgarter kam dann auch von Pavlovic. Die Ecke war so gut abgepasst, dass der Koreaner seinen ersten Bundesligatreffer erzielen konnte. Schon vor dem Anpfiff hatte Bayern-Vorstand Dreesen auch den Namen Pavlovic genannt, als es um neue Kräfte ging. 

20. Saisontreffer für Harry Kane - der Engländer wird als Neuzugang zum Superstar der BundesligaBild: Angelika Warmuth/REUTERS

Kane sieht die beste Saisonleistung

Von Josua Kimmich sprach an jenem Sonntagabend in München niemand mehr. Seit Monaten fällt auf, dass sowohl die Nationalmannschaft als auch der FC Bayern oft besser spielen, wenn er nicht dabei ist. Vielleicht hat Thomas Tuchel also tatsächlich recht mit seiner Einschätzung, dass der hochdekorierte Star auf der Position im defensiven Mittelfeld nicht die Optimal-Besetzung ist. "Es war möglicherweise unserer beste Saisonleistung, besonders auch in der Defensive", lobte der zweifache Torschütze Harry Kane nach dem Spiel seine Mannschaft, "jeder, der reingekommen ist, hat ein gutes Spiel gemacht." Damit meinte er sicher auch Aleksandar Pavlovic.

Vielleicht muss Dreesen mit seinem Führungsteam auch gar nicht hasardieren in der Winterpause, um personell nachzulegen. Denn der Boss weiß: "Das Wintertransferfenster ist immer sehr kompliziert, das richtige Maß zu finden, zwischen Vernunft und Solidität und den richtigen Verstärkungen, ist nicht ganz einfach." Thomas Tuchel beharrte nach der Partie bei Sky allerdings auf seiner Ansicht, dass der Kader insgesamt zu dünn sei. Vor allem, wenn nach der Weihnachtspause einige Spieler wegen des Asien- und des Afrika-Cups fehlen werden, schwant dem Trainer Böses.

Auf einer Position kann Tuchel aber entspannter sein. Denn vielleicht ist die Holding Six schon gefunden. Für wenig Geld, dafür - als gebürtiger Münchener - mit hoher Identifikation und mit viel Talent, könnte Aleksandar Pavlovic bald das Loch vor der Abwehr des FC Bayern füllen.

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