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"Flüchtlingskrise mit Mut begegnen"

Bernd Gräßler28. August 2015

Bundespräsident Gauck trifft seinen polnischen Amtskollegen Duda und wirbt für mehr europäische Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Doch er will kein Porzellan in den sensiblen Beziehungen zerschlagen.

Joachim Gauck und Andrzej Duda in Berlin (Foto: dpa)
Andrzej Duda (l.) und Joachim Gauck in BerlinBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Betont herzlich begrüßt Joachim Gauck den im Mai dieses Jahres neu gewählten polnischen Präsidenten Andrzej Duda in Berlin: Polen liege ihm besonders am Herzen. Er freue sich, dass nach dem Wechsel der Präsidentschaft in Polen kein Wechsel der Haltung zu Deutschland stattfinde, sagte Gauck. Dabei bezog er sich auf Befürchtungen in Berlin, dass der nationalkonservative Duda die antideutschen Ressentiments seines Parteichefs Jaroslaw Kaczynski ins Amt tragen würde. Doch Duda hatte bereits vor seinem Berlin-Besuch sein großes Interesse an einem guten Verhältnis zu den deutschen Nachbarn bekundet. Dazu kommt, dass seine Frau Deutschlehrerin ist und er häufig Kontakt zu den Deutschen hat.

Während des gemeinsamen Mittagessens spricht Gauck dann mit gewohntem Pathos sogar von einer "vertrauten, ja familiären Begegnung", die "ein Menschenleben nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und eine Generation nach dem Fall des Eisernen Vorhangs" stattfinde. Der aus Ostdeutschland stammende Bundespräsident gilt seinerseits als großer Bewunderer Polens und der Solidarnosc, die in den 1980er Jahren auch ihm - dem Rostocker Pfarrer - den Weg zur Freiheit geöffnet habe. Gauck hatte im März 2012 nach seinem Amtsantritt seine erste Auslandsreise nach Polen gemacht.

Gute Stimmung bei den Präsidenten-PaarenBild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Auch Gauck ist für Quoten-Regelung

Nur ganz vorsichtig nähert sich der Bundespräsident in seiner Tischrede den harten Realitäten der Alltagspolitik: Nämlich, dass es Polen derzeit ablehnt, eine angemessene Zahl an Flüchtlingen aufzunehmen. Man stehe vor einer "gewaltigen Herausforderung", sagt Gauck. Die Flüchtlingstragödie zeige, "wie groß die Aufgabe ist, die sich uns als Europäer stellt". Im anschließenden Pressegespräch wird Gauck etwas deutlicher: "Die Flüchtlingskrise darf nicht nur das Problem einzelner Staaten sein, sondern die EU als Ganzes ist gefordert und wir hoffen, dass alle Mitgliedsstaaten ihren Beitrag leisten". Er wirbt für eine "verbindliche Regelung", also die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Quoten-Regelung. Der Ostdeutsche Gauck zeigt auch Verständnis für die Schwierigkeiten der polnischen Transformationsgesellschaft im Umgang mit Ausländern und verweist auf Deutschland: Auch hier gebe es einen Teil der Gesellschaft, der erst seit gut zwei Jahrzehnten die Bürgertugenden habe trainieren können. Er mahnt, den Herausforderungen mit Mut zu begegnen und nicht nur der Angst zu folgen.

Gaucks Bemühen, kein Porzellan in den sensiblen Beziehungen zu zerschlagen, ist deutlich. Zumal das deutsche Grundgesetz dem Staatsoberhaupt weniger politische Mitsprache einräumt, als dies die polnische Verfassung tut.

Polen erwartet mehr ukrainische Flüchtlinge

Duda dagegen darf per Verfassung die Außenpolitik mitgestalten und hat das bereits vor seinem Besuch ausgiebig getan. In Berlin wiederholt er seine Argumente, warum Polen nicht mehr als 2000 Flüchtlinge in diesem Jahr aufnehmen könne: Man habe auch in Polen eine Flüchtlingswelle, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie in Deutschland. Es sei ein Faktum, dass bereits Tausende ukrainische Staatsbürger Asylanträge in Polen gestellt hätten.

Man befürchtet in Polen, dass eine Eskalation des Ukraine-Konfliktes zu weiteren Flüchtlingen führt, die vor allem nach Ungarn und Polen kommen würden. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres registrierte man in Polen allerdings nur rund 4000 Asylbewerber.

Ankunft ukrainischer Flüchtlinge in PolenBild: picture-alliance/dpa/A. Warzawa

Duda fordert zum einen, die Zahl der Flüchtlinge zu verringern, indem man die Verhältnisse in den Herkunftsländern verbessert. Zum anderen müsse man gegen die Mafia-ähnlichen Strukturen der Schleuser vorgehen, die zu einer Tragödie wie jener in Österreich geführt haben, wo mehr als 70 tote Flüchtlinge in einem LKW gefunden wurden.

Der polnische Präsident traf nach seinem Amtskollegen in Berlin auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ob er dort möglicherweise eine dringendere Aufforderung gehört hat, sich an der Bewältigung der Flüchtlingskrise zu beteiligen, weiß man nicht, weil das Kanzleramt nach dem Gespräch Merkels mit Duda keine Pressebegegnung angesetzt hatte.

Dafür übte Außenminister Frank-Walter Steinmeier öffentlich ziemlich unverhüllt Kritik an Warschau. Nach einem Treffen mit seinem tunesischen Amtskollegen Taieb Baccouche in Berlin forderte Steinmeier die osteuropäischen Staaten auf, ihre Skepsis und Vorbehalte gegen die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen aufzugeben: "Wir brauchen eine gerechtere, eine faire Verteilung von Flüchtlingen in Europa." Darüber werde man mit Polen im Gespräch bleiben.