Der Fonds kommt
29. Oktober 2008Bislang haben die Krankenkassen in Deutschland selbst über ihre Beitragssätze bestimmt. Möglichst niedrig konnten jene Kassen ihre Beiträge halten, die über viele junge, gesunde Versicherte verfügen. Bei Kassen, die überwiegend chronisch kranke und alte Menschen versichern, sind die Beitragssätze in der Regel höher. Das wird sich künftig ändern, denn ab 1. Januar 2009 wird es einen von der Bundesregierung festgesetzten einheitlichen Beitragssatz von 15,5 Prozent geben.
Versicherte müssen tiefer in die Tasche greifen
Und damit sind die Weichen für ein sehr umstrittenes Projekt der Großen Koalition gestellt: Für den Gesundheitsfonds, der die Finanzierung der rund 210 gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland neu regelt. Eines ist bereits jetzt schon klar: Die meisten der rund 50 Millionen Kassenmitglieder und ihre Arbeitgeber, die knapp die Hälfte der Beiträge zahlen, werden ab 2009 tiefer in die Tasche greifen müssen. Denn heute gibt es eine Beitragsspanne von 12,9 bis 16,2 Prozent.
Das Gesetz sieht vor, dass alle Krankenkassenbeiträge künftig in einer zentralen Sammelstelle zusammenfließen. Von dort wird das Geld an die Kassen weiterverteilt. Sie erhalten Zu- oder Abschläge nach Alter, Geschlecht und Krankheit ihrer Versicherten. Und besonders berücksichtigt werden schwerwiegende oder chronische Erkrankungen, die dem unterschiedlichen Versorgungsbedarf der Versicherten einer Kasse Rechnung tragen sollen.
Bei Zusatzbeiträgen: Wechsel der Kasse möglich
Kommt eine Versicherung dennoch mit dem Geld nicht aus, dann muss sie bei ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag erheben. Der aber wiederum ist auf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens des Versicherten begrenzt. Muss eine Kasse ihre Beiträge auf diese Weise erhöhen, kann der Versicherte wechseln. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht darin einen Vorteil. Denn jede Krankenkasse sei frei - wenn sie besser wirtschafte, dann könne sie auch den Versicherten etwas zurückgeben.
Und damit setze der erwünschte Wettbewerb ein. Ein Befürworter des Gesundheitsfonds ist auch Karsten Neumann von der Unternehmensberatung Roland Berger in Berlin: "Man kann ganz flexibel in den Fonds einzahlen, man kann je nach Präferenz der Regierung auch entscheiden, ob man zum Beispiel andere Leistungen als nur das Einkommen mit hinein nimmt. Es gibt ein, zwei Schwierigkeiten, die auch öffentlich diskutiert wurden, das ist beispielsweise die Begrenzung der Zusatzprämie auf ein Prozent des Einkommens. Das ist für die Krankenkassen schwierig", sagt Neumann. Der Gesundheitsfonds werde aber zu mehr Transparenz und Wettbewerb führen.
Wettbewerb erst mittelfristig möglich
Das sieht der Gesundheitsökonom, Professor Jürgen Wasem ähnlich. Er befürchtet aber, dass der Wettbewerb erst mittelfristig einsetzen wird – etwa nach zwei oder drei Jahren. Dann hätten wohl alle Kassen Zusatzbeiträge erhoben: "Dann kann ich mir schon vorstellen, dass es einen lebhaften Wettbewerb gibt, der sowohl den Preis als auch die Qualität umfasst", sagt Wasem. Dann gebe es möglicherweise auch unterschiedliche Tarife. Und der Wettbewerb würde dann nicht mehr über die Beitragssätze, sondern eben über Prämien ausgetragen.
Probleme bei Ausgaben
Für oder gegen den Fonds - eines ist klar: Die Gesundheitsvorsorge wird wieder einmal teurer. Aber auch ohne den Gesundheitsfonds wären die Beiträge zur gesetzlichen Versicherung zum 1.Januar 2009 gestiegen. Denn im kommenden Jahr bekommen die Krankenhäuser eine Milliarden-Spritze, die Ärztehonorare werden erhöht und die Arzneimittelausgaben steigen sowieso weiter an. Die Probleme sind ganz klar auf der Ausgabenseite: Noch 2005 lagen die Kassenausgaben bei rund 143 Milliarden Euro. Seither sind sie immer schneller gestiegen, bis 2007 um sieben Prozent - auf circa 153 Milliarden Euro. Nach einem Ausgabensprung um 5,6 Prozent im ersten Halbjahr ist Ende dieses Jahres wohl zu erwarten, dass die 160 Euro-Marke geknackt wird.