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Politik

Front National will sich neu erfinden

9. Mai 2017

Nach ihrer Wahlniederlage plant Marine Le Pen einen Umbau des rechtspopulistischen Front National. Auch ein neuer Parteiname ist im Gespräch. Aber besonders sie steht in der Kritik.

Frankreich Präsidentschaftswahl Marine Le Pen
Bild: Reuters/P. Rossignol

Es gibt Themen, aus denen Rechtspopulisten regelmäßig Kapital schlagen: Die anhaltende europäische Flüchtlingsdebatte; eine Reihe von islamistischen Anschlägen; hohe Arbeitslosigkeit. Der französische Front National (FN) setzte darüber hinaus auf verbreitete Unterlegenheitsgefühle gegenüber Deutschland. Schließlich vermasselte sich der konservative Kandidat François Fillon, der noch wenige Monate zuvor als sicherer Gewinner gehandelt wurde, seine Chancen wegen der Scheinbeschäftigungsaffäre. Und doch hat Marine Le Pen die Wahl gegen den jungen, europafreundlichen Emmanuel Macron verloren.

Das Ergebnis der Stichwahl fiel klar aus: 66 gegen 34 Prozent. Ein relativer Erfolg für Le Pen ist die Wahl trotzdem, vor allem, wenn man die Entwicklung des Front National betrachtet: 2002, als Le Pens Vater Jean-Marie in der zweiten Runde gegen den Gaullisten Jaques Chirac antrat, gewann Chirac noch mit 80 Prozent. Die Tatsache, dass ein Holocaust-Relativierer ("Die Gaskammern waren nur ein Detail der Geschichte des Zweiten Weltkrieges") überhaupt so weit kommen konnte, löste damals Massenproteste aus.

Der FN ist weit gekommen

Diesmal war niemand überrascht, dass seine Tochter in die Stichwahl kam. Ja, seit zwei Jahren schien die einzig wichtige Frage zu sein, wer von den etablierten Parteien gegen sie antreten würde. Der Front National ist längst zu einem festen Bestandteil der französischen Politik geworden. Und er scheint wählbar, denn in Frankreich schämt sich nicht mehr, für ihn zu stimmen. Der Historiker Nicolas Lebourg schrieb in der linksliberalen Zeitung "Libération" unumwunden: "Machen wir uns nichts vor, es gibt in der Bevölkerung ein wirkliches Bedürfnis nach Rechtsextremismus."

Vor allem die Verachtung von Einwanderern und speziell von Muslimen, die der FN salonfähig gemacht hat, färbt längst auf Sprache und Programme der etablierten Parteien ab. Die französische Soziologin Sylvain Crepon meint, der Partei sei es "gelungen, ihre Politik der Identität im gesamten politischen Spektrum zu verankern". Das zeigte sich vor allem in Fillons Wahlkampf.

Jacques Chirac hatte 2002 in der Stichwahl mit 80 Prozent gegen Jean-Marie Le Pen gesiegt Bild: AP

Andererseits versucht Marine Le Pen seit Jahren, den FN zu "entdämonisieren". Ihren antisemitischen Vater hat sie aus der Partei hinausgeworfen und dem Front - zumindest rhetorisch - einen gemäßigteren Anstrich gegeben. Sie wirbt auch um jüdische Stimmen. 2015 sagte sie: "Es besteht eine Gefahr für Juden in Frankreich. Sie sollten auf Seiten jener kämpfen, die sich über die Gefahr des islamistischen Fundamentalismus im klaren sind." Le Pens Bündnis mit dem nationalkonservativen Kandidaten Nicolas Dupont-Aignan, den sie im Falle ihres Wahlsieges zum Ministerpräsidenten machen wollte, gilt als kluger Schachzug, um ihre Partei aus der Außenseiterrolle zu führen.

Kehrtwende in der Euro-Frage

Doch genützt hat ihr das wenig: Marine Le Pen wird nicht in den Elysée-Palast einziehen. Sie selbst hat als Konsequenz einen "grundlegenden Umbau" angekündigt, aber nicht gesagt, was sie darunter versteht. Die ideologische Schlacht innerhalb der Partei ist aber längst eröffnet.

"Wir müssen den Grundlagen des Front National treu bleiben", mahnte bereits der 88 Jahre alte Jean-Marie Le Pen und hat dabei offenbar eine Rolle rückwärts im Sinn. Die Positionen zu Einwanderung und Islam sind für die Partei weitgehend unumstritten. Irritiert sind aber viele FN-Wähler und ein Teil seiner Funktionäre über Marine Le Pens Kehrtwende in der Euro-Frage. Erst wollte sie raus aus dem Euro. Als dann Umfragen zeigten, dass drei Viertel der Franzosen die Gemeinschaftswährung behalten wollen, sagte sie kurz vor der zweiten Wahlrunde plötzlich, der Austritt sei "keine Bedingung" ihrer Wirtschaftspolitik. Unsicherheit unter ihren Wählern war die Folge.

"Im Namen des Volkes" - ihr WahlsloganBild: Reuters/R. Prata

Robert Menard, ein Bürgermeister, der mit FN-Unterstützung ins Amt gekommen ist, tweetete, die Partei müsse die Euro-Frage "vertagen", denn "der Sieg hängt davon ab". Der FN-Regionalpolitiker Pascal Gannat sagte im Sender "Radio France Bleu", Le Pens Euro- und EU-Austrittspläne würden sowohl rechte als auch linke Wähler "verscheuchen".  Auch Jean-Marie Le Pen hält die Position der Tochter zum Euro für den wichtigsten Grund ihrer Niederlage.

Jean Messiha, der Le Pens Wahlkampfprogramm zusammengestellt hat, ist vom Gegenteil überzeugt: "Weil wir unsere Position zur Währungssouveränität aufgeweicht haben, haben wir Stimmen verloren. Hätten wir sie ganz aufgegeben, hätte uns das vollkommen disqualifiziert", schrieb er auf Twitter. Die Frage, wie es die Partei mit Euro und EU hält, dürfte die wichtigste Diskussion der nächsten Zeit für sie werden.

Bis Dienstag richteten sich viele Augen auch auf die dritte Generation der Le-Pen-Familie. Denn mit der 27jährigen Marion Maréchal Le Pen, der Nichte von Marine, schien ein neuer Stern am rechtsextremen Himmel aufzusteigen. Der wertkonservativen, betont katholischen und eher wirtschaftsliberalen Marion wurde zugetraut, das Erbe ihrer Tante anzutreten. Doch am Dienstag kündigte sie an, sie wolle sich eine Auszeit von der Politik nehmen.

Der Front National hofft nun, dass Emmanuel Macron als Präsident scheitern wird und dass spätestens 2022 eine neue Chance kommt. Doch die Partei muss viel früher klären, ob sie sich ideologisch oder personell neu aufstellt.

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