Fußballklub Real Kashmir trotzt dem Indien-Pakistan-Konflikt
30. Mai 2025
Die tragischen Ereignisse vom 22. April dieses Jahres, bei denen 26 Touristen im indisch verwalteten Kaschmir getötet wurden, waren nicht nur für die Familien und Freunde der Opfer erschütternd. Sie haben zudem Indien und Pakistan in eine gefährliche Konfrontation getrieben, deren Folgen auch auf den Fußballplätzen zu spüren sind. Der Real Kashmir FC (RKFC) hat lange mit einigem Erfolg daran gearbeitet, der Weltöffentlichkeit ein positiveres Bild der Region zu vermitteln. Nun ist sie allerdings wieder aus anderen Gründen in den Nachrichten.
Der RKFC ist nicht mal ein Jahrzehnt alt, hat aber in dieser kurzen Zeit bereits bedeutende Fortschritte gemacht. Statt sich allerdings weiter auf das Geschehen auf dem Platz konzentrieren zu können, besteht die größte Herausforderung nun darin, dass die Ereignisse vom April dem Verein nicht nachhaltig schaden. Das öffentliche Interesse könnte ebenso abnehmen, wie das von Investoren. "Der 22. April ist der unglücklichste und tragischste Vorfall, der passieren konnte", sagte Arshad Shawl, Eigentümer des RKFC, gegenüber der DW. "Es wirft uns zurück, denn wenn Millionen von Touristen kommen, wird es ein größerer und besserer Markt für Marken, Produkte und Dienstleistungen. Wenn es zu einer Eskalation zwischen den beiden Ländern kommt, wird es für alle unattraktiv."
Sowohl Indien als auch Pakistan beanspruchen das mehrheitlich muslimische Kaschmir als Ganzes für sich, kontrollieren aber jeweils nur einen Teil des Gebiets, ebenso wie China. Die Region ist seit der Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich im Jahr 1947 ein Krisenherd für beide Länder. Sicherheitsprobleme und zivile Unruhen sorgten schon häufig dafür, dass dieser schöne Teil der Erde oft aus unerfreulichen Gründen in die internationalen Schlagzeilen geriet.
"Dies ist eine Geschichte, in der Kaschmir 30 bis 35 Jahre lang von der Militanz beherrscht wurde und wir buchstäblich von der ganzen Welt in vielerlei Hinsicht abgeschnitten waren", sagte Shawl. "Die Jugend war desillusioniert, weil es keine Investitionen in der Region gab."
Aus dem Elend entstand der Fußball
Nachdem Kaschmir 2014 von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht wurde, taten sich zwei Menschen zusammen, um etwas zu verändern: Shamim Mehraj, ein muslimischer Zeitungsbesitzer, und der Hindu-Geschäftsmann Sandeep Chattoo, der leider 2023 verstarb, beschlossen, dass die Jugendlichen vor Ort etwas brauchten, das sie davon abhielt, in die Gewalt abzudriften. Sie verteilten 100 Fußbälle. Die Aktion war einfach, aber wirkungsvoll.
"Das war die Idee", sagt Shawl. "Wir wollen den Jugendlichen in Kaschmir, die unter Stress, Angst und Depressionen leiden, die Möglichkeit geben, zum Spielen zu kommen." Die Aktion war auch der Startschuss für den RKFC, der 2016 ins Leben gerufen wurde. "Der Verein wurde unter dem Motto 'create, believe and inspire' gegründet. "[Kaschmir] war bekannt für Projektile und Steine, aber jeder Sieg von Real Kashmir symbolisiert unsere gemeinsame Anstrengung."
Bei den Einheimischen erfreute sich die Aktion sofort großer Beliebtheit. Eigentlich ist Südasien für seine Cricket-Leidenschaft bekannt, doch in der nordwestlichen Ecke des Subkontinents sieht es anders aus. "Wir sind mit Fußball aufgewachsen und haben eine große Leidenschaft dafür", sagte Fan Amal Mirza gegenüber der DW. "Wir haben eine andere Identität in Kaschmir, und der Fußball gibt uns die Möglichkeit, diese Identität zu genießen und sie anderen zu zeigen." Der Verein hat dies auch in seinem offiziellen Video zum Ausdruck gebracht. "Wenn man Kaschmir durch die Linse des Fußballs sieht, sieht man das wahre Kaschmir."
Den Berg erklimmen
Mit lokaler und nationaler Unterstützung startete der Verein in der dritten Liga des indischen Fußballs und stieg 2018 in die zweitklassige I-League auf. Im darauffolgenden Jahr erreichte der Verein das Halbfinale des Durand Cups, einem der ältesten Pokalwettbewerbe der Welt.
Seitdem haben sich die "Snow Leopards" in der zweiten Liga etabliert und belegten in der Saison 2024/25 den dritten Platz, nur drei Punkte vom ersten Platz und dem Aufstieg entfernt. Die atemberaubende Kulisse mit Bergen, Seen und Wäldern ist dabei einer der Schlüssel zum Erfolg. "Wir befinden uns in großer Höhe, und mit unserer Sauerstoffkapazität und unserer Ernährung sind wir körperlich ziemlich stark", so Shawl.
Faisal Ashraf, Mitbegründer des Real Kashmir Fan Club, ist ein Anhänger der ersten Stunde. "In Kaschmir gibt es eine größere Liebe zum Fußball als irgendwo sonst in Indien, und die Menschen kommen zusammen, um die Mannschaft zu unterstützen. Es gibt hier ein echtes Vermächtnis", sagte Ashraf. Der Klub teilte der DW mit, dass die durchschnittliche Zuschauerzahl in der letzten Saison bei über 6000 lag, mehr als dreimal so hoch wie der Ligadurchschnitt.
"Wenn die Mannschaft spielt, kümmert sich niemand um andere Dinge, es gibt keine Gedanken an Gewalt oder ähnliches", sagte Mirza. "Wir wollen nur, dass unsere Mannschaft gewinnt. Man sieht, dass die Zuschauer nicht nur Männer und Jungen sind, sondern auch Mädchen und Frauen und alte Menschen. Das gibt den Leuten etwas, worüber sie reden und was sie unterstützen können. Ich hoffe, wir können weiter machen und besser werden."
Die jahrzehntelange Instabilität hat dazu geführt, dass die vorhandenen Einrichtungen in Kaschmir fast unbenutzbar waren. Das Wachstum des Vereins und die Unterstützung durch die Regierung haben jedoch dazu beigetragen, dass die Spielfelder jetzt in gutem Zustand sind und gut genutzt werden. Internationale und nationale Sponsoren - Adidas und Livpure, ein Trinkwasserversorger -, haben sich beteiligt.
Der nächste Schritt
Die nächste Herausforderung des Vereins besteht darin, das vorhandene Momentum zu nutzen, um langfristig in die Indien Super League, die höchste Spielklasse des Landes, aufzusteigen. Dort gegen große Gegner aus Kolkata, Mumbai oder Kerala zu spielen, wäre ein bahnbrechender Erfolg für den Real Kashmir FC. "Es wäre das Größte, was passieren kann, wenn die Jugend die Chance hätte, die größten ISL-Teams hier bei uns spielen zu sehen", so Shawl. "Es würde ein neues Kapitel aufschlagen und wäre das Größte, was Real Kashmir und auch ganz Jammu und Kashmir passieren kann."
Bei Real Kashmir ging es jedoch nie nur um Ergebnisse auf dem Spielfeld. "Dieser Klub wurde mit einer Mission gegründet, nicht nur um Fußball zu spielen, sondern um die Jungs nach draußen zu bringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, mit dem Festland zu spielen und sich zu integrieren", sagte Shawl. "Auf den Titelseiten war zu lesen, dass Jugendliche zur Gewalt neigen. Wir wollten das verändern."
Trotz der Ereignisse im April bleibt dieses Ziel unverändert.