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Der Gashahn bleibt offen

Barbara Wesel 3. März 2015

Seit fast zehn Jahren werden die russischen Gaslieferungen an die Ukraine als politische Waffe eingesetzt. Jetzt konnte die EU erneut vermitteln und Kiew eine Atempause verschaffen. Aus Brüssel berichtet Barbara Wesel.

Gaslager in der Ukraine (Foto: AP)
Bild: AP

Der Erfolg ließ sechs zähe Verhandlungsstunden auf sich warten, am Ende aber konnte EU-Energiekommissar Maros Sefkovic vermelden: Die Schlichtungsgespräche zwischen Russland und der Ukraine in punkto Gaslieferungen endeten mit einer Einigung. Die Partner versprechen, sich an die Regelungen aus dem sogenannten "Winterpaket" zu halten, das ebenfalls durch Vermittlung der EU-Kommission im vergangenen Herbst vereinbart worden war. Damit ist die Drohung des russischen Energiekonzerns Gazprom zunächst abgewendet, man werde der Ukraine noch in dieser Woche den Gashahn zudrehen, weil das Unternehmen die bisher geleisteten Vorauszahlungen für ungenügend halte. Und die unangenehmen Nebenfolgen eines damit verbundenen Lieferstopps für die EU bleiben ebenfalls aus - 10 bis 15 Prozent der europäischen Gaslieferungen laufen noch durch die Ukraine.

Das "Winterpaket" gilt bis Ende März

Drohte mit einem Lieferstopp: Russlands Energieminister NovakBild: REUTERS/Eric Vidal

Was in Brüssel auf dem Programm stand, war im Grunde eine Wiederauflage des langjährigen Gasstreits zwischen Russland, der Ukraine und der EU. Ein politisches Spiel mit Drohungen, endlosen Verhandlungen und immer neuen Vereinbarungen zwischen den Partnern. Jetzt gelang es zumindest, der Ukraine eine Atempause zu verschaffen. Sie wird die vereinbarten Vorauszahlungen an Gazprom leisten und der Energiekonzern wird im Gegenzug die vereinbarten Mengen an Kiew liefern. Das gilt bis Ende März, dann muss neu verhandelt werden, wie die weiteren Lieferbedingungen aussehen sollen. Möglich wurde diese Einigung allerdings nur, weil man die Ostukraine-Frage ausklammerte, darüber soll noch gesondert verhandelt werden.

Eigentlich hätte der Frieden im Gasstreit bis Ende März halten sollen. Bis dahin gilt jedenfalls das Winterpaket, in dem Preise und Liefermengen festgelegt und eine Regelung über die Altschulden der Ukraine getroffen worden waren. Aber seit rund einer Woche drohte die Vereinbarung zu implodieren, kaum dass in der Ostukraine eine mehr oder minder brüchige Waffenruhe herrschte. Wie früher werden die Gaslieferungen wieder als politischer Hebel eingesetzt. Die EU-Kommission bestellte einmal mehr die Partner zu Gesprächen ein: Der russische Energieminister Alexander Novak und sein ukrainischer Gegenpart Wladimir Demtschischin legten den Streit schließlich mit Hilfe von Energiekommissar Maros Sefcovic für die nächsten Wochen bei.

Ostukraine-Frage wurde Auslöser für neuen Streit

Die Einigung war dieses Mal besonders schwierig. Denn es geht nicht nur um den bekannten Zank, wo die Ukraine und Russland sich jeweils als säumiger Kunde und unzuverlässiger Lieferant beschimpfen, sondern um die Vermengung des seit jeher politisierten Handelsstreites mit der kritischen Situation in der Ostukraine zu einem toxischen Knäuel. Russland wirft der Ukraine vor, sie habe die Gaslieferungen an die selbsternannten pro-russischen "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk willkürlich unterbrochen. Kremlchef Wladimir Putin sprach in dem Zusammenhang sogar von einem drohenden "Völkermord" an der dortigen Bevölkerung. Vor rund zehn Tagen begann Gazprom dann auf Anordnung des russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedjew mit direkten Lieferungen an die Rebellengebiete über die gemeinsame Grenze, stellt sie Kiew aber in Rechnung, schließlich seien die Regionen rechtlich weiter ukrainisches Gebiet.

Verhandelte für die Ukraine: Energieminister DemtschischinBild: Reuters/E. Vidal

Kiew sieht den Konflikt ganz anders: Die Separatisten im Osten hätten die Gasleitungen in der Region mutwillig zerstört, um so die Direktimporte aus Russland zu rechtfertigen. Deshalb wolle die ukrainische Regierung die von ihr nicht bestellten Lieferungen an die pro-russischen Rebellen nicht auch noch bezahlen. Und außerdem wirft Kiew der russischen Seite vor, sie habe die vereinbarte Liefermenge nicht eingehalten, weil Moskau nämlich das Gas für die Separatisten kurzerhand von der Gesamtmenge abgezogen habe. Deshalb verweigerte die Ukraine zunächst auch die Vorauszahlungen für März. Das führte wiederum bei Gazprom zu der Drohung mit einem erneuten Lieferstopp, "was auch ernste Risiken für den Transit nach Europa" haben würde, wie der Vorstandsvorsitzende Alexej Miller dazu zitiert wurde.

EU ist heute weniger von Gazprom abhängig

Allerdings ist das russische Drohpotential gegenüber der EU längst geschrumpft: Ein Lieferstopp wie 2009 würde derzeit den EU-Mitgliedsländern kaum noch Probleme bereiten. Längst wird mehr Vorratshaltung betrieben, gibt es alternative Lieferwege und auch stärker von russischem Gas abhängige südosteuropäische Länder könnten heute im Notfall von ihren Nachbarn mitversorgt werden. Selbst für die Ukraine ist das Spiel mit dem Gashahn als Waffe derzeit nur noch begrenzt gefährlich: Die Heizsaison geht zu Ende und die Vorräte dürften bis zum Ende des Winters reichen. Abgesehen davon aber brauche die Ukraine dringend Reformen, um ihren enormen Gasverbrauch zu senken - ein Drittel der gesamten Importe könnten gespart werden, sagt etwa der Energieexperte Arno Behrens vom Center for Policy Studies in Brüssel, wenn endlich mehr Energieeffizienz einziehen und die Korruption bekämpft werden würde.

Unternehmen mit viel Macht: GazpromBild: picture-alliance/dpa

Er geht auch davon aus, das Gazprom dieser Tage Geld verdienen müsse. Das begrenzt die Möglichkeit politischer Spielchen mit den Gaslieferungen. Im Prinzip sei das Interesse des russischen Energiekonzerns groß, den Europäern Gas zu verkaufen, so Behrens. Angesichts der angespannten Haushaltslage in Moskau kann Russland auf diese Einnahmen wohl nicht so ohne weiteres verzichten. Das heißt, insgesamt hat die Erpressbarkeit der Europäer abgenommen. Und weiter reichende Pläne, wie sie die EU-Kommission in der vergangenen Woche zur Energie-Union vorgelegt hat, sollen helfen, Europas Abhängigkeit - unter anderem durch bessere transnationale Netze - weiter zu verringern.

Nächstes Thema ist eine neue Übergangsregelung für die Gaslieferungen im Sommerhalbjahr. Denn die Ukraine und Russland streiten um ihren Hauptliefervertrag und um Milliardenzahlungen vor einem internationalen Schiedsgericht in Schweden. Dessen Spruch ist aber wohl erst im nächsten Jahr zu erwarten. Bis dahin geht es weiter um Zwischenlösungen.

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