1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der gescheiterte Generalstabschef Helmut von Moltke

Tillmann Bendikowski7. März 2014

Zwischen Kriegsbegeisterung und Skepsis: Wie haben die Deutschen den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erlebt? Wir zeigen deutsche Schicksale 1914. Diese Woche: Helmut von Moltke.

Helmuth von Moltke
Bild: picture alliance / akg-images

"Wir sind bereit, und je eher, desto besser für uns." Mit diesen Worten spricht sich am 1. Juni 1914, zwei Monate vor Ausbruch des Weltkrieges, der oberste Heerführer im Deutschen Reich für einen raschen Präventivkrieg aus. Helmuth von Moltke gibt damit wie andere Militärs das Tempo im Sommer 1914 vor: Möglichst schnell soll es zum Waffengang kommen, dann werde Deutschland auch mit starken Feinden fertig. So treibt das Militär die Politik maßgeblich mit in den Krieg. Dabei weiß Moltke, dass daraus ein Weltkrieg mit offenem Ausgang erwachsen wird: "Wie das alles enden soll, ahnt heute niemand."

Helmuth von Moltke trägt einen großen Namen. Es ist der Neffe des gleichnamigen Generalfeldmarschalls aus dem Krieg gegen Frankreich von 1870/71. Wilhelm II. beruft ihn 1906 in das Amt des Generalstabschefs. Moltke knüpft seine Zusage an die Bedingung, dass der Kaiser sich nicht in seine Arbeit einmischt: Die beiden Männer gehen zunehmend auf Distanz, wobei ausgerechnet am ersten Kriegstag ein Streit ihr Verhältnis endgültig zerstört: Wilhelm befiehlt gegen Moltkes Widerstand, die längst laufende Mobilisierung gegen Frankreich zu stoppen und alle Einheiten plötzlich gegen Russland zu werfen – ehe er kurz darauf den Befehl zurücknimmt.

Bild: picture alliance / akg-images

Die ersten raschen militärischen Erfolge an der Westfront können Moltke im Sommer 1914 nicht zufriedenstellen. Misstrauisch registriert er die vergleichsweise geringe Zahl der Gefangenen und der erbeuteten Geschütze. Er vermutet, dass "die Franzosen sich planmäßig und in Ordnung zurückgezogen haben" – und zum Gegenschlag ausholen. "Das Schwerste steht uns noch bevor", prophezeit Moltke am 4. September 1914. Einen Tag später beginnt tatsächlich mit dem Gegenangriff von Franzosen und Briten die Marne-Schlacht. Die deutsche Armee wird zum Rückzug gezwungen, der ursprüngliche Operationsplan für die Westfront ist endgültig gescheitert.

Moltke ist verantwortlich für dieses Scheitern, zieht sich das weitere Missfallen des Kaisers zu und muss schließlich gesundheitlich kapitulieren: Schon seit Kriegsbeginn angeschlagen und reizbar, erleidet der 66-Jährige einen Nervenzusammenbruch. Gegen seinen Willen wird er vom Kaiser durch Kriegsminister Falkenhayn ersetzt. Sechs Wochen nach Kriegsbeginn verlieren die Deutschen ihren Heerführer, offiziell gilt er wegen "Leber- und Gallenbeschwerden" als erkrankt. Die Propagandalüge kann das Desaster der deutschen Armee bereits im zweiten Kriegsmonat nicht verschleiern – und auch nicht das Scheitern des Generalstabschefs. Zwei Jahre nach seiner Entlassung stirbt Helmuth von Moltke an einem Schlaganfall.