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GesellschaftDeutschland

Der Großstreik in Deutschlands Verkehrssektor läuft

27. März 2023

In Deutschland stehen viele Räder und auch Schiffsschrauben still. Noch bis Mitternacht läuft der Streik.

Deutschland | Streikende in Dresden (im Betriebshof Trachenberge vor Straßenbahnen)
Streikende in DresdenBild: Robert Michael/dpa/picture alliance/

Einer der größten Streiks der vergangenen Jahre legt den öffentlichen Verkehr in weiten Teilen Deutschlands lahm. Seit Mitternacht folgten bundesweit Beschäftigte im öffentlichen Dienst und bei der Bahn dem Aufruf der Gewerkschaften zu einem 24-stündigen Warnstreik. Der Streik trifft den gesamten Verkehrssektor: Die Bahn stellte den Fern- und Regionalverkehr ein, auch Flughäfen, öffentlicher Nahverkehr sowie Häfen und Schleusen für den Schiffsverkehr waren betroffen.

350.000 Beschäftigte zum Ausstand aufgerufen

Wegen des Tarifkonfliktes im öffentlichen Dienst und bei der Bahn hatten die Dienstleistungsgesellschaft Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) deutschlandweit insgesamt rund 350.000 Beschäftigte in verschiedenen Bereichen zu dem Warnstreik aufgerufen. Während die Gewerkschaften den Streik mit unzureichenden Angeboten der Arbeitgeber begründen, werfen diese den Gewerkschaften vor, ihre Glaubwürdigkeit zu verspielen.

Straßenbahnen bleiben seit Mitternacht im Depot (in Düsseldorf)Bild: Christopher Neundorf/Kirchner-Media/picture alliance

"Der Fern- und der Regionalverkehr der DB sind am 27.03.2023 wegen eines Streiks der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) eingestellt", hieß es am Morgen auf der Internetseite der Deutschen Bahn. Darüber hinaus sollte in sieben Bundesländern - Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen - auch der öffentliche Nahverkehr bestreikt werden.

EVG: Streikaktionen am Morgen bereits an 350 Standorten

Auch fast alle großen Flughäfen werden bestreikt, nicht jedoch Berlin. Am Flughafen München konnten wegen des Streiks bereits seit Sonntag keine Passagiere mehr befördert werden. Der Schiffsverkehr wird an diesem Montag ebenfalls an Schleusen und Häfen bestreikt.

Der Warnstreik hat am Montagmorgen zwar für deutlich mehr Verkehr gesorgt und auch zu Beeinträchtigungen auf den Autobahnen geführt - ein Chaos blieb aber aus. Rund um die Ballungsräume stocke der Verkehr zwar, "einen Kollaps oder ein Riesenchaos sehen wir aber nicht", sagte eine Sprecherin des ADAC am Montagvormittag.

Gewerkschafter streiken gemeinsam - der Verkehr wird massiv behindertBild: Fabian Bimmer/REUTERS

Nach Angaben der EVG beteiligten sich in den frühen Morgenstunden deutschlandweit bereits mehr als 30.000 Beschäftige an rund 350 Standorten. "Die Republik steht, weil die Arbeitgeber sich verweigern", so EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch. "Wir streiken heute, weil uns in den Tarifverhandlungen trotz der für viele Beschäftigten angespannten finanziellen Situation nichts vorgelegt wurde, über das wir ernsthaft verhandeln könnten."

Unter anderem ist auch der Schienenpersonenverkehr zwischen Deutschland und Tschechien komplett lahmgelegt. Grenzüberschreitende Fern- und Regionalzüge fahren nur auf den Streckenabschnitten innerhalb Tschechiens, wie die staatliche Eisenbahn Ceske Drahy (CD) mitteilte.

Für deutliche Erhöhungen in unteren Lohngruppen

Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert warf der Deutschen Bahn vor, im Tarifkonflikt bisher kein ernstzunehmendes Angebot unterbreitet zu haben. "Wir streiken für ein tragfähiges Angebot", sagte Burkert der "Augsburger Allgemeinen". "Was die Bahn bisher auf den Tisch gelegt hat, ist gar nichts." Stattdessen arbeite sie sogar mit "unsozialen Gegenforderungen" wie etwa Urlaubskürzungen. Die Beschäftigten im Verkehrsbereich seien auf deutliche Lohnerhöhungen angewiesen. "Wir haben bei den Kollegen in den unteren Lohngruppen, wie zum Beispiel Busfahrern und Kundenbetreuern, Löhne von 2100 bis 2400 Euro brutto", sagte Burkert. "Da muss etwas passieren."

Der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Martin BurkertBild: Monika Skolimowska/dpa/picture alliance

Die EVG befindet sich in Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn und rund 50 weiteren Unternehmen. Sie fordert bei einer Laufzeit von einem Jahr Lohnerhöhungen von insgesamt zwölf Prozent, mindestens aber 650 Euro als "soziale Komponente". In ganz Deutschland sollen im Laufe des Tages mehr als 50 Kundgebungen stattfinden.

Dritte Tarifrunde in Potsdam

Verdi geht an diesem Montag in Potsdam in die dritte Runde der Tarifverhandlungen für rund 2,4 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Die Gewerkschaft fordert 10,5 Prozent und monatlich mindestens 500 Euro mehr Gehalt. Die Arbeitgeber bieten eine Lohnerhöhung um insgesamt fünf Prozent für eine Laufzeit von 27 Monaten und als Inflationsausgleich eine steuerfreie Einmalzahlung von 2500 Euro an.

Forderungen ach mehr Geld - auch direkt an die InnenministerinBild: Fabian Bimmer/REUTERS

Angesichts dieses Tarifkonfliktes warnte der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) vor einer finanziellen Überlastung der Kommunen und am Ende vor höheren Belastungen für die Bürger. Verbands-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte der "Bild"-Zeitung, viele Kommunen "werden - weil alles teurer wird - gezwungen sein, zum Beispiel die Müllgebühren, Eintrittspreise für Schwimmbäder oder die Grundsteuer anzuheben". Außerdem würden viele Kommunen "künftig weniger Geld beispielsweise in die Renovierung von Schulgebäuden stecken können".

Die finanzielle Lage der Städte und Gemeinden sei insgesamt nicht gut. Ein hoher Tarifabschluss im öffentlichen Dienst werde das Problem verschärfen, sagte Landsberg.

sti/AR/ack (afp, dpa, rtr)