Der "Held von Bern" ist tot
17. Juni 2002Öffenlichkeitsscheu
Nur die Öffentlichkeit, die mochte er nicht. Am liebsten hielt sich Fritz Walter im Hintergrund. Er selbst hatte immer auf eine andere deutsche Sport-Ikone verwisen, um seinen guten Ruf zu erklären: "Max Schmeling war immer mein Vorbild und mein Idol. Man hat mir schon vor 20 Jahren gesagt, ich würde den selben Weg gehen wie er. Es ist so gekommen. Von daher bin ich wunschlos glücklich", meinte Walter kürzlich.
Nicht wenige gaben dem Kapitän der "unsterblichen" Weltmeisterschafts-Mannschaft von 1954 aber einen weit bedeutenderen Platz in der deutschen Geschichte. Für Franz Beckenbauer war sein Vorgänger in der DFB-Auswahl "sicherlich der wichtigste deutsche Spieler des Jahrhunderts". Und der renommierte Historiker Joachim Fest meinte sogar, man könne Fritz Walter durchaus als "mentalen Gründungsvater der Bundesrepublik Deutschland" bezeichnen.
4. Juli 1954 - Das Wunder von Bern
Unvergesslich gemacht hat sich der geniale Fußballer im WM-Finale 1954, als der krasse Außenseiter Deutschland den haushohen Favoriten Ungarn in Bern bei strömendem Regen ("Fritz-Walter-Wetter") sensationell 3:2 bezwang. Nahezu jeder deutsche Zeitzeuge kann sich bis heute noch genau erinnern, wo er diesen Tag verbracht hat. "Es war eine Art Befreiung der Deutschen von all dem, was auf ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg lastete", meint Joachim Fest. "Der 4. Juli 1954 ist in gewisser Hinsicht das Gründungsdatum der Bundesrepublik."
Wie fast sein gesamtes Leben hatte Fritz Walter natürlich auch diesen Triumph minutiös in Erinnerung. "Alle, die das Glück hatten, in dieser Mannschaft unter dem Chef zu spielen, werden den Tag ihr Leben lang nicht vergessen. Es war der absolute Höhepunkt und die Krönung meiner Laufbahn. Der liebe Gott hat uns geholfen - und der Boss", sagt Walter im Rückblick auf das Jahrhundertspiel und das umjubelte Siegtor durch Helmut "Boss" Rahn.
Mehr als 300 Tore für die "Roten Teufel"
Die erfolgreiche Endrunde mit "meinem allerbesten Länderspiel" beim 6:1 im Halbfinale gegen Österreich war der Grundstein für Walters außerordentliche Beliebtheit. Doch schon vorher hatte der 61-malige Nationalspieler (33 Tore) seinen Ruf als Kopf der legendären "Walter-Mannschaft" des 1. FC Kaiserslautern begründet, die er 1951 und 1953 zur deutschen Meisterschaft geführt hatte.
1958 nach der WM in Schweden beendete er seine internationale Karriere und ein Jahr später nach 31 Jahren im Dress der 'Roten Teufel' (379 Spiele, 306 Tore) nahm der berühmteste Sohn der Stadt, der 1985 zum Ehrenbürger ernannt wurde, endgültig Abschied vom Fußball. Danach verdiente er sein Geld unter anderem als Wäscherei- und Kinobesitzer und engagierte sich für die Sepp-Herberger-Stiftung bei zahlreichen Besuchen von Haftanstalten. Auf den ihm angetragenen Job als Bundestrainer aber verzichtete er.
Treues Sensibelchen
Es war der einzige Wunsch, dem er seinem großen "Ziehvater" Sepp Herberger abschlug. Neben dem einstigen Bundestrainer hatte vor allem seine Ehefrau Italia, die er 1948 heiratete, maßgeblichen Anteil an seiner einzigartigen Laufbahn. Beide gaben dem "Sensibelchen", der sich vor jedem Spiel vor Aufregung übergeben musste, immer wieder Selbstvertrauen.
Obwohl die Pfälzer anfangs äußerst misstrauisch auf die Italienerin blickten, war gerade sie es, die ihn darin bestärkte, immer seinem Heimatverein die Treue zu halten. So schlug er 1951 ein Angebot von Atletico Madrid über die damals horrende Summe von rund 500.000 Mark aus. '"Aber ich habe es nie bereut. Ich bin immer beim FCK geblieben, das soll mir heute mal einer nachmachen."
Autor: Wim Abbink
Redaktion: Ingun Arnold