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Der Herr Draghi und die Flut des Geldes

Brigitte Scholtes
19. Juli 2017

Die Zinswende liegt in der Luft - doch die Investoren an den Finanzmärkten haben offenbar eine überempfindliche Nase. Denn von einer tatsächlichen Erhöhung der Leitzinsen dürfte die EZB noch weit entfernt sein.

Parteienfinanzierung Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

In den vergangenen Wochen hatte sich schon gezeigt, dass die Börsen sehr nervös reagierten, als sich nämlich EZB-Chef Mario Draghi anders als zuvor optimistisch zum Wachstum im Euroraum äußerte. Dabei hat er zwar Recht, wie ein Blick auf die Daten zeigt. Vor wenigen Tagen etwa wurde eine stärker als erwartet gestiegene Industrieproduktion im Euroraum gemeldet, selbst bei Investitionsgütern, die Konjunktur ist also inzwischen robust. Doch das wurde an den Märkten als Hinweis auf ein Ende der Geldflut gedeutet.

Monat für Monat kauft die EZB bekanntlich Anleihen im Volumen von 60 Milliarden Euro am Markt, und das will sie nach bisherigem Plan in dieser Höhe bis Ende Dezember tun. Vermutlich dürfte sie das Volumen dann allmählich reduzieren. Wenn die Notenbank aber nach und nach als Käufer am Markt ausfällt, sinkt die Nachfrage nach den Wertpapieren - und die Rendite steigt. Vor allem bei Staatsanleihen zeigt sich diese Erwartung schon deutlich. So ist etwa die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe Mitte vergangener Woche auf 0,6 Prozent gestiegen, während die vor einem Jahr noch bei minus 0,2 Prozent lag.

Draghis Drahtseilakt

"Draghi muss nun den Drahtseilakt meistern, einem übermäßigen Anstieg der Renditen Einhalt zu gebieten und zugleich Anpassungen beim Anleihekaufprogramm vorzubereiten", meint Hartmut Preiß, Analyst der DZ-Bank. Denn die EZB muss sich schon allein aus technischen Gründen zurückziehen. Sie darf nicht dominanter Gläubiger der Staaten werden, das hat der Europäische Gerichtshof so festgelegt. Deshalb kauft die Zentralbank nicht mehr als ein Drittel der ausstehenden Anleihen einzelner Länder. Bleibt sie beim aktuellen Kaufvolumen, wäre diese Grenze im Falle Deutschlands im Sommer 2018 erreicht.

Und so bewegt sich die EZB wohl "im Schneckentempo" Richtung Ausstieg, vermutet Michael Schubert, Volkswirt der Commerzbank. Das signalisiert sie vor allem durch ihre Kommunikation - die Marktteilnehmer lauschen da den Worten der Geldpolitiker ganz genau. Sollte Draghi also an diesem Donnerstag (20.07.2017) darauf verzichten, von einer möglichen Ausweitung des Kaufvolumens zu sprechen, dann wäre das für sie ein weiterer Hinweis auf eine Kehrtwende in der Geldpolitik. Diese behutsame Vorgehensweise ist notwendig, weil die Finanzmärkte sonst überreagieren. Solche Reaktionen stünden dann dem Erreichen des Inflationsziels entgegen, erklärt Analyst Preiß von der DZ-Bank.

Vorbild US-Notenbank

Denn die ist das Problem: Immer noch hat die Inflation sich nicht in die Nähe von knapp zwei Prozent vorgearbeitet, bei einer solchen Rate sieht die EZB Preisstabilität. Für das laufende Jahr rechnet die Notenbank im Euroraum nur mit einer Teuerungsrate von 1,5 Prozent, 2018 erwartet sie 1,3 Prozent, 2019 könnten es 1,6 Prozent sein. Ein Drahtseilakt also, den die Notenbank vor sich hat. Wie vorsichtig auch die amerikanische Zentralbank Fed agiert, zeigte sich vor wenigen Tagen, als Notenbankchefin Janet Yellen ankündigte, dass sie die Drosselung der Geldpolitik etwas gemächlicher angehen wolle als zunächst geplant.

Doch die Fed hat den Ausstieg aus den Anleihekäufen immerhin schon geschafft. Das steht der EZB noch bevor, und erst dann, das hat sie immer wieder angekündigt, werde sie den zweiten Schritt tun, nämlich die Zinsen zu erhöhen. Vor allem in Deutschland wird die Zinswende herbeigesehnt, denn Sparer verlieren Geld, wenn sie es in festverzinslichen Papieren oder gar auf Tagesgeldkonten liegen lassen: Die sehr geringen Guthabenzinsen werden von der Inflation aufgezehrt. Für den Euroraum sind Zinserhöhungen aber vorerst nicht zu erwarten. Die meisten Volkswirte rechnen damit, dass die EZB im kommenden Jahr damit beginnen könnte, sofern die Wirtschaftsentwicklung das zulässt.

 

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