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Normalisierung?

21. Juli 2009

Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat sich in Washington mit US-Präsident Obama getroffen. Ohne Hilfe von außen wird der Irak seine Probleme nicht bewältigen können, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

Bild: DW

Bis zu fünf Millionen schiitische Pilger sollen vergangene Woche nach Bagdad gekommen sein, um an den Feierlichkeiten für Moussa al-Kadhim teilzunehmen, dem siebten Nachfolger des Propheten. Und mit Genugtuung wird hinzugefügt, es sei das ruhigste Fest dieser Art seit langer Zeit gewesen: Vor Jahren kamen bei einer panischen Massenflucht eintausend Menschen um, diesmal waren bei mehreren kleineren Zwischenfällen drei Todesopfer zu beklagen. Und das, obwohl - oder vielleicht auch weil - die Sicherheit seit dem Rückzug der US-Truppen aus den Städten Ende des letzten Monats ausschließlich in irakischer Verantwortung liegt.

Keine Gewähr für Stabilität

Nahost-Experte Peter Philipp

Der Irak auf dem Weg zur Normalität? Gestützt auf solche Beispiele sind offizielle Sprecher in Bagdad überzeugt davon. Es wird aber noch ein langer und beschwerlicher Weg sein. Selbst wenn die Kurve der Gewaltstatistik im Moment ihren tiefsten Punkt in sechs Jahren erreicht hat: Es gibt keine Gewähr dafür, dass dies von Dauer sein wird. So gibt es bereits Meinungsverschiedenheiten zwischen der Regierung und den USA über die Kompetenzen der (im Land verbliebenen) US-Truppen: Bagdad pocht auf sein Recht, die Amerikaner nur im Notfall anzufordern und US-Militärs empfinden dies als Beschneidung ihrer Handlungsfreiheit.

Irakisches Selbstbewusstsein ist auch auf dem Energie-Sektor erwacht: Bei einer Auktion von Erdölrechten mussten die internationalen Konzerne erfahren, dass der Irak ihnen keine Beteiligung anbietet, sondern nur einen festgelegten Preis pro Barrel. Und das, obwohl die irakische Ölförderung heute unter dem Niveau von 2003 liegt und internationales Engagement dringend benötigt.

Enormer Aufholbedarf

In anderen Bereichen ist das Bild kaum anders. Der Nach- und Aufholbedarf des Irak ist immens: Die Stromversorgung des Landes liegt gerade eben bei 50 Prozent des ermittelten Bedarfs, nur 32 Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu sauberem Trinkwasser und nur 19 Prozent zu einem Abwassersystem. Ganz abgesehen davon, dass die Wasservorräte auch immer geringer werden. Krankheiten sind weiterhin vorprogrammiert und die medizinische Versorgung lässt zu wünschen übrig.

Wer meint, das Land mit den drittgrößten Erdölvorkommen der Welt müsse solche Dinge doch mit Leichtigkeit beheben können, der vergisst ein anderes Übel, das dem Land immer mehr zu schaffen macht: Korruption. In seinem jüngsten Bericht spricht der irakische Antikorruptions-Ausschuss von Schäden in Milliardenhöhe und davon, dass fast alle Bereiche betroffen seien.

Langsame Öffnung

Experten bezweifeln deswegen, dass es dem Irak gelingt, sich aus eigener Kraft aus dieser Situation zu befreien, denn gegen Korruption vorzugehen heißt auch: sich mit mächtigen Gruppen anzulegen. Wer aber Macht hat, der hat auch weiterhin Waffen und ist im Zweifelsfall bereit, diese einzusetzen. Mit allen Folgen, die das auf die allgemeine Sicherheitslage und auch auf die diffizile Koexistenz der verschiedenen Volksgruppen im Irak hat. Das Land beginnt zwar, sich zu öffnen, es versucht, die Versäumnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte wettzumachen. Aber es steht sich dabei zum Teil auch selbst im Weg und es ist weit vom "El Dorado" entfernt, von dem manche so gerne träumen.

Autor: Peter Philipp
Redaktion: Anne Allmeling