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Politik

Die Folgen der US-Sanktionen in Nahost

5. November 2018

Die neuen US-Sanktionen setzen den Iran wirtschaftlich unter Druck. Sie dürften aber auch enorme politische Auswirkungen haben. Diese treffen aber nicht nur den Iran sondern die gesamte Region.

Iran Protest gegen US-Sanktionen in Teheran
Teheran: Proteste gegen die Sanktionen, 4. November 2018Bild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Die US-Sanktionen haben erhebliche Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung im Iran, denn viele Güter des täglichen Lebens sind teuer oder überhaupt nicht mehr zu haben. Es mangelt an vielem - nicht allerdings an Benzin. Im Gegenteil: Der Treibstoff ist nicht nur vorhanden, sondern außergewöhnlich günstig. Er wird hoch subventioniert, mit der Folge, das er - Stand Ende Oktober 2018 -  mit knapp 30 US-Cent so billig ist wie kaum anderswo. Einzig Venezuela und der Sudan bieten dem Informationsdienst "Global Petrol Prices" zufolge ihren Bürgern noch bessere Energiepreise. Der günstige Bezug mag dazu dienen, den Unmut der Bürger über die sich dahinschleppende Wirtschaft zu mildern - zugleich aber bietet er einer Reihe risikobereiter Bürger Gelegenheit, sehr gute Geschäfte zu machen: Der Schmuggel mit dem subventionierten Energieträger blüht. Zwischen 20 und 40 Millionen Liter, schätzt der Ökonom Bijan Khajehpour von der in Wien ansässigen  Beratungsfirma "Eurasian Nexus Partners", werden Tag für Tag aus dem Land geschmuggelt. Der Schaden gehe in die Milliarden, so Khajehpour in dem Internetmagazin "Al-Monitor".

Die dunklen Kanäle verweisen allerdings nicht nur auf die Machenschaften einiger im Dunkeln operierender Händler - sie lassen auch erkennen, wie schwierig es generell ist, die Ölexporte zu unterbinden. Eben das strebt die Trump-Administration, von einigen Exportgenehmigungen an genau definierte Staaten abgesehen, an. Tauschhandel, Abschlüsse in anderen Währungen als dem Dollar und versteckte Handelswege - all dies sei möglich, um die Sanktionen de facto zu unterlaufen, so Nick Cunningham, Analyst bei dem Branchendienst "OilPrice.com". Kommerziell gehandeltes Erdöl dürfte somit weiterhin seinen Weg aus dem Iran finden.

"Hardliner im Iran könnten Oberhand gewinnen"

Dennoch dürften die Sanktionen dem Land zusetzen. Die neuen Maßnahmen unterschieden sich kaum von den alten, sagt Imad Abshnas, Politikwissenschaftler an der Universität Teheran, im DW-Gespräch. Der Iran könne damit zurechtkommen. "Sollte der Druck aber noch stärker werden, könnten die Hardliner in der Regierung Oberhand gewinnen. Dann könnten die Spannung in der gesamten Region zunehmen." Das sei aus iranischer Sicht durchaus von Vorteil, so Abshnas. "Die einzige Möglichkeit, das Weiße Haus von seiner Sanktions-Politik abzubringen, besteht darin, die Eskalation in der Region ansteigen zu lassen."

Nicht vollkommen kontrollierbar: die iranischen Handelswege. Tanker im Hafen der Insel Khark im Persischen GolfBild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Allerdings, so der an der Universität Essen-Duisburg lehrende Politologe Jochen Hippler, versuche der Iran derzeit noch auf anderem Weg, den Sanktionen und ihren Folgen entgegenzuwirken. Bislang sei es trotz Trumps Erklärungen gelungen, den Iran weiter im Rahmen des Atom-Abkommens zu halten. "Und nach allem, was wir bislang von der Internationalen Atomenergie-Organisation wissen, hält sich das Land weiterhin an die Vereinbarung." Dieser Erfolg sei das Gemeinschaftswerk mehrerer Staaten - einige EU-Länder wie etwa Deutschland, Großbritannien und Frankreich sowie China und Russland. "Jetzt wird es jetzt noch einmal darauf ankommen, ob es diesen Ländern gelingt, dem Iran wirtschaftliche Angebote zu machen, aus denen er Vorteile zieht. Dann ließe sich das Abkommen womöglich retten."

Irans mögliche Gegenmaßnahme

Möglichkeiten, auf die Sanktionen zu reagieren, hat der Iran durchaus. Treffen dürfte sie die Nachbarländer. Während des Syrienkriegs hat das Mullah-Regime seine Präsenz in dem Land enorm ausgebaut. Über die ihm verbundene Hisbollah steht er direkt an der Grenze zu Israel. Über religiöse Bande - die Zusammenarbeit mit einer Reihe mehr dem Schiitentum als dem irakischen Nationalstaat verpflichteten Organisationen - ist er auch im Irak präsent. Im Jemen pflegt er enge Bande zu den aufständischen Huthis - sehr zur Sorge Saudi-Arabiens. In Riad fürchtet man den Einfluss der Erzrivalen im Süden der Golfhalbinsel und führt im Nachbarland darum seit über drei Jahren ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung einen Krieg gegen die Rebellen.

Entschlossen: US-Außenminister Mike Pompeo und US-Finanzminister Steven Mnuchin präsentierten Details der Sanktionen gegen den IranBild: picture-alliance/AP Photo/J. S. Applewhite

Halten die USA die Sanktionen unvermindert aufrecht, dürften die iranische Führung ihre bisherigen Positionen zumindest beibehalten, erwartet Jochen Hippler. "In diesem Fall ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass der Iran von seiner bedeutenden Rolle im Irak und in Syrien abrücken wird. Im Gegenteil dürfte er versuchen, sie zu festigen - allerdings nicht unbedingt, sie noch weiter auszudehnen."

Denkbar sei aber auch, dass der Iran einen aggressiveren Kurs fährt, sagt Imad Abshnas. Er könnte etwa den Export saudischen Öls durch die Straße von Hormuz behindern. Ebenso könnte er auch die Unterstützung der Huthis verstärken, um auf diese Weise Saudi-Arabien unter Druck zu setzen. Ebenso sei vorstellbar, dass er die libanesische Hisbollah und die palästinensische Hamas stärker fördere.

Die Nöte Saudi-Arabiens

Dem Königreich Saudi-Arabien käme eine solche Politik derzeit äußerst ungelegen. Das Land ist durch den mutmaßlichen Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul nach innen wie außen schwer erschüttert. Das könnte zum einen dazu führen, dass die Regierung mit Blick auf die eigene Bevölkerung noch stärker als bisher schon auf den Konkurrenten Iran verweist, meint Jochen Hippler. Zugleich dürfte die saudische Regierung aber auch versuchen, das informelle Bündnis auch mit Israel und den USA sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten wieder zu stabilisieren.

Unter Druck: das saudische Königshaus. Hier Kronprinz Mohammed bin SalmanBild: Getty Images/AFP/G. Cacace

Klar sei, dass das Königreich derzeit unter Druck stehe. "So hat die US-Regierung erstmals öffentlich auf eine friedliche Lösung des Krieges im Jemen gedrängt. Ob da etwas passieren wird, ist fraglich. Aber es zeigt zumindest, dass die USA im Gegensatz zu ihrer bislang fast bedingungslosen Bindung an Saudi-Arabien nun darüber nachdenken, ob man die Mord-Affäre zum Anlass nimmt, das aggressive Vorgehen der saudischen Regierung gerade im Jemen zu dämpfen."

Der Nahe Osten steht auf vielfache Weise unter Spannung. Die Sanktionen gegen den Iran dürften diese weiter verschärfen. Allerdings treffen ihre mittelbaren politischen Auswirkungen nicht den Iran allein. Dafür ist ihre Streuwirkung zu hoch. Sie würden außer dem Iran in der einen oder anderen Form der gesamten Region zu schaffen machen.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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