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Politik

Der Iran - Regionalmacht in Nahost

27. August 2019

Israel, Saudi-Arabien, die USA: Der Iran hat viele Feinde. Doch er kann sich mit Hilfe seiner Verbündeten gegen sie behaupten, sogar zu einer regionalen Großmacht aufschwingen. Ein Überblick über Partner und Strategien.

Iran Manöver der Revolutionsgarde
Kampfbereit: eine Übung der iranischen RevolutionsgardenBild: khabarban

Syrien
Die iranisch-syrische Verbundenheit geht auf das Jahr 1979 zurück. Nach der islamischen Revolution im Iran stand Syrien während des irakisch-iranischen Krieges als einziges arabisches Land an der Seite des Mullah-Regimes. Nach dem Machtantritt Baschar al-Assads wurde Iran, zusammen mit der schiitischen Hisbollah, zu einer Schutzmacht für den jungen Herrscher. Das Verhältnis - und mit ihm die Abhängigkeit Assads von Teheran - vertiefte sich nach Ausbruch der Revolution im Jahr 2011.

Bereits vom Mai jenes Jahres an unterstützte Teheran das Regime in Damaskus, zunächst mit Überwachungssoftware, in den folgenden Monaten dann auch mit militärischer Ausrüstung. Ebenso entsandte Teheran Kämpfer der Revolutionsgarden und Berater nach Damaskus. Schon damals sprach der Chef der iranischen Al Quds-Einheiten, Ismail Gha'ani, in einem Interview ganz offen von der Präsenz seiner Truppen in Syrien.

Auch in den folgenden Jahren hat Iran massiv in den Erhalt der Assad-Regierung investiert. Zur Höhe der Summen gibt es unterschiedliche Schätzungen: Der Politologe Nadim Shehadi von der Tufts University geht von bislang rund 105 Milliarden US-Dollar aus; das US-Außenministerium hält hingegen Ausgaben von etwa 21 Milliarden US-Dollar für wahrscheinlich. Jenseits der Unterstützung des Assad-Regimes will sich Iran durch sein Engagement in Syrien als führende Hegemonialmacht gegen Israel etablieren. Das jedenfalls erklärte der ehemalige iranische Außenminister Ali Akbar Vilayeti. "Heute beginnt die Straße des Widerstands in Teheran und erreicht dann Mossul, Damaskus und Beirut", sagte er im Juni 2017 der staatlichen iranischen Presseagentur IRNA.

Libanon
Über die Hisbollah ist der Iran auch im Libanon präsent. Die paramilitärische Organisation entstand im Jahr 1982 im Kontext des libanesischen Bürgerkriegs. Sie wurde mit dem Ziel gegründet, den israelischen Streitkräften, die in eben jenem Jahr in den südlichen Libanon interveniert waren, eine bewaffnete Kraft entgegenzusetzen. Kurz nach ihrer Gründung verstärkten rund 1500 Kämpfer der iranischen Revolutionsgarden die Bewegung. Deren Ziel: der Export der islamischen Revolution von 1979 in den Libanon.

1985 nahm die Organisation ihren derzeitigen Namen (Hisbollah - "Partei Gottes") an. Bereits im Jahr 2006, während des Krieges zwischen Israel und der Hisbollah, hatte der Iran der Miliz einem Bericht der Zeitung "Al-Sharq al-Awsat" zufolge rund 11.500 Raketen zukommen lassen. Zudem wurden rund 3000 Hisbollah-Kämpfer im Iran trainiert. "Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass wir im Libanon nicht irgendeiner Miliz gegenüber stehen, sondern eher einer Sonderbrigade der Iranischen Armee", erklärten das israelische Militär im Jahr 2007.

In den folgenden Jahren hatte der Iran die Hisbollah laut US-Schätzungen mit rund 200 Millionen Euro jährlich unterstützt. Mit Ausbruch des Syrien-Kriegs stieg die Summe massiv an. Die im US-Finanzministerium mit Fragen der Terrorismusbekämpfung befasste Staatssekretärin Sigal Mandelker geht derzeit von einer jährlichen Unterstützung von rund 700 Millionen US-Dollar aus. Diese sind auch eine Kompensation für die Kampfeinsätze der Hisbollah in Syrien, wo viele Milizen verwundet wurden oder im Kampf gefallen sind. Einen Teil des Geldes wendet die Hisbollah auch für Waffenkäufe auf. Ihr Arsenal ist so umfassend, dass sie als der mächtigste nicht-staatliche Akteur weltweit gilt.

Verbündeter Teherans: Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah, hier eine Aufnahme aus dem Jahr 2015Bild: picture-alliance/AP Photo/H. Ammar

Irak
Der Iran ist auch im Irak präsent. Nach der US-Intervention von 2003 nutzte der Iran den Staatszerfall im Nachbarland, um seinen Einfluss auszubauen. Der Führungsspitze in Teheran geht es zum einen darum, einen Krieg mit dem Nachbarland wie in den Jahren 1980-88 künftig zu verhindern. Zudem bekämpft der Iran dschihadistische Terror-Organisationen wie Al-Kaida und "Islamischer Staat" (IS). Und das Mullah-Regime versucht, der Präsenz des Erzfeindes USA im Irak so weit wie möglich entgegenzutreten. Gleichzeitig liegt ihm aber auch die territoriale Integrität des Nachbarlandes am Herzen. Denn deren Zerfall würde die ohnehin prekäre Stabilität der Region zusätzlich erschüttern.

Diese Ziele versucht der Iran auch mit konfessionellen Motiven zu erreichen. So fördert er etwa die Pilgerreise von Millionen seiner Bürger in die beiden südirakischen Städte Nadschaf und Kerbala, die auch den iranischen Schiiten heilig sind.

Großen Einfluss hatte der Iran während der Regierungszeit des irakischen Premiers Nuri al-Maliki (2006-2014), einem Schiit, der während der Herrschaft Saddam Husseins für einige Jahre im iranischen Exil lebte. Zuletzt hat der Iran im Irak aber zumindest einen Teil seines Einflusses verloren. Nach den Wahlen vom Mai 2015 ging insbesondere der einflussreichste schiitische Politiker des Irak, Muktada al-Sadr, auf Distanz zu Teheran. Damit entsprach al-Sadr auch dem Wunsch vieler irakischer Schiiten, die den Einfluss des Nachbarlands begrenzt sehen wollen.

Jemen
Auch im Jemen muss man mit dem Iran rechnen. Der Weg dorthin führte über die schiitischen Huthis, die seit rund 15 Jahren im Dauerclinch mit der Zentralregierung liegen, von der sie sich marginalisiert und in ihren Rechten missachtet fühlen. Für den Iran ist der Konflikt im Jemen nicht zuletzt eine Bühne für den Stellvertreterkrieg mit seinem größten Rivalen: dem Königreich Saudi-Arabien. Dieses steht an der Spitze einer internationalen, überwiegend von arabischen Staaten gebildeten Koalition, die die reguläre Regierung unter dem Staatsoberhaupt Abed Rabbo Mansur Hadi gegen die Revolte der Huthis verteidigt.

Während die Koalition schwer an den Kosten des Einsatzes - insbesondere der Flugzeugflotte, aber auch des überwiegend sudanesischen Söldnerheeres - zu tragen hat, investiert der Iran vergleichsweise überschaubare Summen. Er setzt vor allem auf die militärische Ausrüstung der Aufständischen. Bereits im Jahr 2018 hatte eine unabhängige Expertengruppe im Auftrag der Vereinten Nationen (UN) Überreste in Saudi-Arabien gefundener Drohnen analysiert. In dem Bericht der Analysten hieß es, die Huthis beanspruchten zwar, die Drohnen selbst gebaut zu haben. Die technische Analyse lege aber einen anderen Schluss nahe: "Tatsächlich wurden die Drohnen aus Komponenten zusammengesetzt, die von einer ausländischen Quelle zur Verfügung gestellt und in den Jemen gebracht wurden."

Eines der Modelle, "Qatif" mit Namen, sei "in Entwurf, Dimensionen und Kapazitäten nahezu identisch mit dem Modell Ababil-T, das von der iranischen Luftfahrtindustrie produziert wird." Der Iran ist vor allem indirekt im Jemen präsent. Mit militärischen Mitteln allein dürfte er sich von dort kaum mehr vertreiben lassen. Dies umso mehr, als die internationale Koalition deutliche Verschleißerscheinungen zeigt.

Teheran im Rücken: Die aufständischen Huthis im Jemen Bild: Getty Images/AFP/G. Noman

Hamas
Auch die Beziehungen zu der den Gazastreifen regierenden Hamas hat der Iran ausgebaut. Während der vergangenen Jahre unterstützte der Iran die Hamas finanziell und militärisch. Hamas-Führer Yahya Sinwar erklärte in einer Rede im Mai 2019, die Grad- und Fajr-Raketen, die zuvor auf israelische Städte wie Tel Aviv und Beersheba abgefeuert worden waren, seien entweder durch den Iran bereitgestellt oder mit dessen finanzieller und technischer Unterstützung vor Ort entwickelt worden.

Ungeachtet konfessioneller Grenzen - die Hamas ist eine sunnitische Organisation - sieht der Iran in der Präsenz im Gaza-Streifen eine weitere Möglichkeit, Israel zu bedrohen, zumindest aber in Unruhe zu versetzen. Die Hamas nimmt die Hilfe gerne an. "Ohne die Unterstützung unseres Widerstandes von Seiten des Iran würden wir nie über derartige Fähigkeiten verfügen", so Yahya Sinwar in seiner Rede. "Unsere (arabischen) Nationen haben uns in unseren schwierigen Momenten im Stich gelassen, während der Iran uns mit Waffen, Ausrüstung und Fachwissen unterstützt hat."

Allerdings ist die Präsenz des Iran für die Hamas nicht nur von Vorteil. Denn Teheran unterstützt auch den "Islamischen Dschihad", eine noch radikalere Organisation als die den Muslimbrüdern nahestehende Hamas. Von ihr gingen bereits mehrere Attacken auf israelisches Gebiet aus, auf die die Hamas keinen Einfluss hatte.

Geste der Freundschaft: Der stellvertretende Hamas-Chef Saleh al-Arouri (li.) zu Gast bei dem iranischen Revolutionsführer Ajatollah Khamenei (re.)Bild: Fars

Straße von Hormus
Zuletzt hat sich der Iran seine Schlagkraft auch an der Straße von Hormus gezeigt. Nach der Aufkündigung des Atomabkommens durch die US-Regierung unter Präsident Donald Trump wuchsen auch die Spannungen an der Meerenge zwischen Iran und der saudischen Halbinsel. Sie ist eine der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt, insbesondere auch für den Erdöl-Transport. In Reaktion auf in die Region entsandte US-Flugzeugträger unternahm der Iran mehrere Sabotageakte gegen internationale Handelsschiffe, unter anderem eines der regionalen Erzkonkurrenten Saudi-Arabien.

Der Sprecher des iranischen Außenministeriums gab sich selbstbewusst: Der Iran werde jeden Angriff der USA abwehren, erklärte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Abbas Mussawi, im Juni. "Wir werden keinen Verstoß gegen die Grenzen des Iran zulassen. Der Iran wird sich entschlossen jeder Aggression oder Bedrohung durch Amerika stellen", zitierte ihn die halbstaatliche iranische Nachrichtenagentur Tasnim. 

Zwar kann der Iran den USA militärisch nicht ansatzweise das Wasser reichen. Stattdessen aber könnte er den Schiffsverkehr in der Straße von Hormus ganz oder in Teilen zum, Erliegen bringen - mit empfindlichen Folgen für die Weltwirtschaft. Statt der regulären Streitkräfte könnten dabei die Iranischen Revolutionsgarden eine wichtige Rolle spielen. "Sie können die Schifffahrtswege im Persischen Golf, im Golf von Oman und im Kaspischen Meer durch ein reichhaltiges Waffenarsenal bedrohen, so etwa U-Boote, intelligente Torpedos, ferngesteuerte oder vorinstallierte Minen sowie strategisch auf dem Festland, den Inseln und Schiffen positionierte Anti-Schiffs-Raketen", schreibt der Militärexperte Theodore Karasik in einer Studie für die Zeitung "Arab News".

Ferngesteuerte Boote, Hochgeschwindigkeitsboote, Unterwasser-Torpedos und unbemannte Flugwaffen komplettierten das Arsenal. Mit dieser Guerrilla-Taktik zeigt sich der Iran als schwer besiegbarer Gegner, mit dessen militärischem Gewicht weiterhin zu rechnen ist.

Bedroht: der britische Öltanker Stena Impero wird in der Straße von Hormus von einem iranischen Schnellboot umzingelt.Bild: picture alliance/dpa/ISNA/M. Akhoundi
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika