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KonflikteAsien

Nach Luftschlag auf Ismail Hanija: Iran unter Schock

Darko Janjevic
31. Juli 2024

Hamas-Führer Ismail Hanija ist bei einem Angriff auf eine Hochsicherheitsresidenz in Teheran getötet worden – ein demütigender Schlag für den iranischen Sicherheitsapparat.

Iran Teheran | Nachrichten nach Tod von Ismail Haniyeh bei israelischem Luftangriff
Nachrichtensendung im Iran, in der über den Tod von Hamas-Führer Ismail Hanija berichtet wird.Bild: Fatemeh Bahrami/Anadolu/picture alliance

Auf die Explosion, bei der der politische Führer der Hamas, Ismail Hanija, in Teheran getötet wurde, reagierte die iranischen Führung mit Racheschwüren und bezeichnete Israel umgehend als "kriminelles, terroristisches zionistisches Regime", das für das "bittere, tragische Ereignis" verantwortlich sei.

Mit der Tötung Hanijas habe Israel "den Boden für eine schwere Strafe bereitet", drohte Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei auf seiner Website und fügte hinzu, dass "wir glauben, dass es unsere Pflicht ist, Rache zu nehmen".

Israel hat bisher keine Verantwortung für den Angriff übernommen.

Hanija war zu einem offiziellen Besuch im Iran, als er getötet wurde. Am Dienstag traf er sich mit Chamenei, nahm an der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Masoud Peseschkian teil und posierte auch für Fotos im Parlament. Anschließend wurde er unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in eine Sonderresidenz im Norden Teherans gebracht. In der Nacht wurde er offenbar bei einem gezielten Angriff getötet. Es wird angenommen, dass eine weitere Person – sein palästinensischer Leibwächter – ums Leben kam.

Ismail Hanija - wer war der getötete Hamas-Chef?

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Spott und Hohn für die Iranischen Geheimdienste

In den iranischen sozialen Medien zeigten die Reaktionen weniger Wut über den Vorfall als vielmehr Spott in Richtung des riesigen Sicherheitsapparat des Landes, dem es nicht gelungen war, den Angriff zu verhindern.

"Mitten in Teheran, unter den Augen Dutzender Behörden und Tausender Sicherheitsbeamter, am bedeutendsten Tag der Regierung, wurde der wichtigste Gast dieser Regierung getötet", schrieb der Menschenrechtsaktivist und politische Journalist Mehdi Mahmoudian in einem Online-Post.

Wie viele andere verspottete er die Sicherheitsdienste dafür, dass sie bei anderen Themen – wie Hidschab-Verstößen – wachsam seien und gleichzeitig öffentlichkeitswirksame Anschläge wie den in Teheran zuließen, der nur wenige Stunden nach dem Angriff Israels auf den obersten Hisbollah-Kommandeur Fouad Shukur in Beirut erfolgte.

Sowohl die Hamas als auch die Hisbollah werden von den USA, Deutschland und vielen anderen Ländern als Terrorgruppen eingestuft. Beide werden vom Iran unterstützt, wobei die Hisbollah, eine schiitische Gruppe und besonders loyal zu Ayatollah Chamenei, als wertvollerer Partner gilt als die Hamas.

Naher Osten am Rande des Abgrunds?

Die beiden Tötungen haben den Iran unter enormen Druck gesetzt, gegen Israel vorzugehen, welches das Regime in Teheran für die Angriffe auf seine Verbündeten verantwortlich macht.

"Wenn Teheran jetzt nicht reagiert, wird es vom heimischen Publikum verspottet werden, und keine anderen Gäste der ‚Achse des Widerstands‘ – insbesondere (der oberste Hisbollah-Führer Hassan) Nasrallah oder andere palästinensische Offizielle – werden zukünftig nach Teheran kommen", schrieb der in Teheran ansässige Journalist Fereshteh SadeghI in einem Online-Beitrag. Er beschrieb den tödlichen Angriff mitten in Teheran als "totale Peinlichkeit" für die iranischen Sicherheitsdienste.

Marschflugkörper tötet Hamas-Führer

13:10

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Bei der Entscheidung über eine Reaktion wird die iranische Führung alle möglichen Reaktionen Israels berücksichtigen müssen. Die Region steht bereits am Rande des Abgrunds wegen des Krieges zwischen Israel und der Hamas in Gaza. Der Iran ist zwar bereit, die Hamas, die Hisbollah und die Huthi-Rebellen bei begrenzten Aktionen gegen Israel und den Westen zu unterstützen, hat aber bisher versucht, einen umfassenden Krieg zu vermeiden. Ein direkter Angriff auf Israel könnte dazu führen, dass die USA eingreifen, um ihren engsten Verbündeten zu schützen, und damit wiederum das Überleben des islamischen Regimes bedrohen.

Stattdessen könnte der Iran versuchen, mit einem Angriff  israelische Offizielle ins Visier zu nehmen, oder von ihm unterstützte Organisationen in der Region dazu bewegen, Ziele in Israel anzugreifen.

Keine Sicherheit im Iran

Der Strategie-Analyst Damon Golriz sagte der DW, der einzige Weg, einen regionalen Krieg zu vermeiden, bestünde darin, dass Washington "sein eisernes Engagement für Israels Sicherheit bekräftigt, indem es seine militärische Stärke in der Region unterstreicht" und "eine echte Abschreckung für den Iran schafft".

Aber selbst wenn es nicht zu einem Showdown zwischen den USA und dem Iran käme, würde das iranische Regime im Falle einer von ihm in Bewegung gesetzten militärischen Eskalation erneut mit Unmut in der eigenen Bevölkerung konfrontiert werden.

Der britisch-iranische Journalist Shahran Tabari sagte, dass gewöhnliche Iraner "keine Feindseligkeit mit dem Volk Israels oder Palästinas haben" und nicht bereit sind, Hamas und Hisbollah zu unterstützen.

Sie geht davon aus, dass das Regime "versuchen wird, sich zurückzuziehen, aber es ist nicht absehbar, dass es Erfolg haben wird".

Schließlich bringt der jüngste Bombenanschlag in Teheran die iranische Führung in eine besonders riskante Zwickmühle. Wenn sich ihre Behauptung, dass Israel hinter dem Angriff steckt, als richtig herausstellt, sendet der Angriff auf Teheran auch die Botschaft, dass Israel in der Lage ist, jeden iranischen Führer ins Visier zu nehmen, wo immer er sich befindet.

Dies könnte die iranische Regierung dazu veranlassen, Pläne für einen groß angelegten Angriff nicht weiter zu verfolgen. Iranische Offizielle könnten aber ebenso entscheiden, dass eine harte Reaktion als Abschreckung dienen und sie vor ähnlichen Angriffen in der Zukunft schützen wird.

Die Farsi-Redaktion der DW hat an diesem Bericht mitgearbeitet.

Dieser Artikel wurde korrigiert, weil die ursprüngliche Formulierung über den Krieg in Gaza missverständlich erscheinen konnte.