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Der Islam im Netz

Martina Sabra12. Dezember 2006

Das Internet gilt als wichtiges Informationsmittel radikaler Islamisten. Aber auch friedliebende Muslime sind zunehmend im Netz präsent. Auf der Suche nach Information zieht es viele eher ins WWW als in die Moschee.

Islamprediger im Internet
Islamprediger im InternetBild: Fotomontage/AP Graphics/DW

Das World Wide Web gilt als wichtigstes Kommunikationsmittel der radikalen Islamisten. Ihre Ideologie, der Islamismus, lehnt die Demokratie ab. Von ihnen wird statt dessen ein Gottesstaat auf Basis der Scharia des islamischen Rechtssystems angestrebt. Viele Sicherheitsexperten messen dem Internet bei der Verbreitung islamistischer Ideen große Bedeutung zu. Nicht umsonst durchforsten die Sicherheitsorgane das Internet nach Islam-Seiten, die Gewalt verherrlichen.

Doch trotz ihrer starken Präsenz im Netz: Nach Ansicht des Internetexperten Henner Kirchner stoßen die Vorkämpfer des islamistischen Terrors, die so genannten Dschihadisten, im Internet zunehmend an Grenzen. Die Technik und die Kommunikationsstrukturen verändern sich. Moderierte Internetforen, Radio zum Mitnehmen, so genannte Podcasts, oder die Weblogs, frei zugängliche individuelle Tagebücher im Internet, seien nicht klandestin, also nicht heimlich und anonym zu nutzen.

Henner Kirchner erforscht als Islamwissenschaftler, wie Migranten mit muslimischem Hintergrund das Internet in ihrem Alltag nutzen. Damit richtet er den Blick auf eine Entwicklung, die den Islam langfristig stärker verändern dürfte als die Auswüchse islamistischen Terrors. Denn jenseits der gewaltbereiten Minderheit ist auch die friedliche Mehrheit der rund 1,4 Milliarden Muslime im World Wide Web zunehmend präsent. Die meisten türkisch- oder arabischstämmigen Einwanderer wollen per Internet einfach billiger telefonieren.

Orientierung im Alltag: Vorträge und Fatwa


Viele fromme Muslime nutzen das Internet aber auch, um sich über Glaubensfragen zu informieren und auszutauschen. Mimoun Amin, Sohn marokkanischer Einwanderer und Student der Sozialwissenschaften in Bonn, lädt sich gern Vorträge berühmter Islamprediger herunter. "Man spürt wieder den Glauben, oder man hört auch Vorträge, damit man mehr Wissen bekommt."

Keine Seltenheit: Beten übers WWWBild: AP

Die meisten Websites, die fromme Muslime in Deutschland nutzen, sind auf Türkisch, Arabisch oder Englisch gehalten. Aber auch auf Deutsch gibt es immer mehr Angebote. Eins der meistfrequentierten deutschsprachigen Portale ist die Seite islam.de, die dem Zentralrat der Muslime nahesteht. Laut Chefredakteur Ayman Mazyek nutzen täglich bis zu zehntausend Interessierte die Seite.

Neben tagesaktuellen Nachrichten zum Islam in Deutschland und zum Nahen Osten bietet das Portal allgemeine Informationen über den Islam, wie ihn der Zentralrat versteht. Zum Beispiel eine deutschsprachige Suchmaschine zum Koran sowie praktische Hinweise auf islamische Service-Seiten, wie halal.de über islamische Ernährung, Kindererziehung und Kleidervorschriften. Interpretierende Rechtsgutachten, so genannte "fatwas oder korrekt arabisch "fataawa", sind für viele Muslime eine wichtige Orientierung im Alltag.

Selbstradikalisierung im Heimstudium

Solche Fatwas findet man zu tausenden im Netz. Aiman Mazyek, der Chefredakteur von islam.de, rät Muslimen jedoch, nicht blind auf Beratungsangebote im Internet zu vertrauen: "Ich sehe vor allem die Schwierigkeit, jungen Muslimen klarzumachen: Nicht überall da, wo Islam draufsteht, ist auch Islam drin."

Doch auch, wenn man die Prävention und Überwachungsmethoden noch so sehr verfeinert - es gibt kein eindeutig abgrenzbares Nutzerprofil, das auf Gewaltbereitschaft oder gar Anschlagsplanungen hinweist. Zunehmende Probleme bereite auch die so genannte "Selbstradikalisierung", klagt Hartwig Möller, der Verfassungsschutzchef von Nordrhein-Westfalen. Man brauche nicht mehr, wie früher unterstellt, ein Lager in Pakistan oder Afghanistan zu besuchen, um sich indoktrinieren zu lassen: "Jetzt kann man das auch durch die Propagandaaufrufe über die Seiten des Internet bei sich gewissermaßen im Heimstudium erreichen."

Der Islamwissenschaftler Henner Kirchner rät dennoch, die Bedeutung des Internets für gewaltbereite Islamisten nicht zu überschätzen. Die Überwachung des Internets sei wichtig, aber sie reiche nicht aus. Bislang seien bei Anschlägen die persönlichen Kontakte entscheidend gewesen. Man müsse deshalb vor allem die Milieus im Auge behalten, in denen Terrornetzwerke rekrutieren.

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