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Der IWF kämpft gegen die Bedeutungslosigkeit

Ranty Islam25. April 2006

Auf seiner Frühjahrstagung hat der Internationale Währungsfonds umfassende Reformen angekündigt. Die Vorschläge sollen den schwindenden Einfluss der Organisation aufhalten. Kritiker meinen, sie gehen nicht weit genug.

IWF Direktor Rodrigo de Rato - Kommen seine Vorschläge zu spät?Bild: AP

Die Weltwirtschaft brummt und wird in den nächsten Jahren weiter an Fahrt gewinnen, immer mehr Länder tragen zum globalen Wirtschaftswachstum bei, die Inflation ist unter Kontrolle. Diese optimistische Einschätzung präsentierte der Internationale Währungsfonds (IWF) gleich am Anfang des Abschlusskommuniques seiner Frühjahrstagung am Wochenende in Washington. Die Botschaft: die Fahrwasser der Weltwirtschaft sind stabil.

Nach dem Gerangel in den vergangenen Jahren, etwa um den Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Erde, war die Zusammenkunft der Entscheider von Weltbank und Währungsfonds in der US-Hauptstadt in diesem Jahr entspannter.

Umfassende Veränderungen

Trotzdem oder gerade deshalb warteten sie mit Vorschlägen

zur Reform des IWF auf, die – würden sie umgesetzt – die umfassendsten Veränderungen der Institution in mehr als 30 Jahren bedeuten würden. Auf Vorschlag von IWF-Direktor Rodrigo de Rato, einigte sich das wichtigste IWF-Komitee darauf, besonders Schwellenländern künftig mehr Stimmrechte einzuräumen. "Damit wollen wir sicherstellen, dass diesen Ländern bei Entscheidungen des Fonds eine Rolle zukommt, die ihrer gestiegenen Bedeutung in der Weltwirtschaft Rechnung trägt", so de Rato.

Darüber hinaus soll der IWF künftig auch multilateral agieren dürfen. Die wirtschaftliche Lage einzelner Länder hänge in einer immer stärker globalisierten Welt zunehmend von anderen Ländern ab. "Wir müssen gemeinsam mit den betroffenen Regierungen diskutieren, inwieweit die wirtschaftliche Lage der Länder untereinander verbunden ist und auf andere Länder oder die Weltwirtschaft überschwappen kann", erläuterte de Rato. Wie genau diese multilateralen Konsultationen aussehen sollen, ist dagegen völlig unklar.

Kritik an Reformplänen

Zu wenig, zu spät – werfen Kritiker ein, die in den Reformvorschlägen auch den Versuch der Institution sehen, sich gegen die drohende eigene Bedeutungslosigkeit zu stemmen. Der IWF wurde 1944 ins Leben gerufen, um seinen Mitgliedsländern über kurzfristige Liquiditätsprobleme hinweg zu helfen. "Gerade Schwellenländer wie Indien oder Brasilien können sich heute ihr Geld schnell am internationalen Kapitalmarkt besorgen. Sie brauchen den IWF gar nicht mehr", sagt Professor Rolf Langhammer, Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Und auch sonst wenden sich Länder, die kurzfristig knapp bei Kasse sind an die Nachbarschaft. Mexiko leihe sich Geld bei den USA, und Venezuela – der größte Erdölexporteur Amerikas – mache sich durch den anhaltend hohen Ölpreis zum "Financier von Lateinamerika", so Professor Langhammer. Der IWF hat keine Kunden mehr.

Den Horizont nach drohenden Krisen des Weltwirtschafts- und währungssystems abzusuchen, ist eine weitere Aufgabe des IWF. Aber auch hier habe die Organisation in den vergangenen Jahren an Glaubwürdigkeit verloren. Bei der Asienkrise 1997 und 1998 hat der IWF gründlich versagt", sagt Langhammer. Es gab keine rechtzeitigen Warnungen und die vom Fonds im Anschluss ergriffenen Maßnahmen hatten die Krise nach Ansicht von Experten noch verstärkt.

Keine Kunden beim IWF mehr: China und Indien gehören zu den Wirtschaftsmächten der Zukunft

Arme Länder bleiben weiterhin außen vor

Besonders arme Länder, die wirklich auf den IWF angewiesen seien, würden dagegen bei den Reformvorschlägen vom Wochenende außer Acht gelassen, beklagt die internationale Entwicklungshilfeorganisation Oxfam. Wenn der IWF nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken wolle, müsse er sich in eine repräsentative Organisation wandeln, die "für arme Länder spricht und nicht auf sie herab", heißt es in einer Pressemitteilung der Organisation.

Konkret fordert Oxfam neue Kriterien, nach denen die Aufsichtratsmandate des IWF vergeben und die Stimmengewichtung angepasst werden, um arme Länder stärker zu repräsentieren. Der Direktor und die Mitglieder des IWF-Vorstandes müssten in einem transparenten und demokratischen Prozess gewählt werden. Bislang war der Direktor immer ein Europäer – eine traditionelle Absprache zwischen den USA und den größten europäischen Anteilseignern des IWF, darunter Deutschland.

IWF als "multilateraler Aufpasser"?

Mittlerweile klopfen weder Industrieländer noch Schwellenländer beim IWF an, wenn sie Geld brauchen. Die für die Weltwirtschaft wichtigste Klientel ist dem Fonds damit abhanden gekommen. Hoffnung, dass die Organisation mit einem Fokus auf dieses Geschäftsfeld überleben kann, besteht wohl keine. Dabei gebe es eine gute Gelegenheit, dass der Fonds neue Aufgaben wahrnehmen und wieder eine tragende Rolle spielen könne – etwa als "multilateraler Aufpasser" der Weltwirtschaft, sagt Peter Wolff vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn. Die dafür notwendige Fähigkeit, Sanktionen gegen einzelne Länder zu verhängen wird ein solcher IWF aber kaum haben, "die Mitgliedsländer werden nicht bereit sein, Teile ihrer Souveränität an den IWF abzugeben", so Wolff.

Trotzdem könne der IWF einzelne Länder wirksam an den Pranger stellen. Die notwendige moralische Autorität erhalte der Fonds aber nur durch ein völlig unabhängiges, demokratisch legitimiertes Vorstandsgremium, wie auch von Oxfam gefordert. Auch die Stimmrechte der armen Länder müssten aufgestockt werden – "zumindest auf rund zwölf Prozent, wie zur Zeit der Gründung des IWF", fordert Wolff. Aufgrund des Fondswachstums liege der relative Stimmanteil dieser Länder gegenwärtig nur bei etwa vier Prozent.

Eine Organisation der Vergangenheit

Zur Jahreskonferenz des IWF im September in Singapur sollen die Reformpläne konkretisiert werden. Zu einer umfassenden, notwendigen Stimmrechtsreform wird es wohl nicht kommen, sind sich Wolff und Langhammer einig. Die Befürchtung, dass die vom IWF auf den Tisch gelegten Vorschläge einer anderen Organisation das Wasser abgraben könnten, seien ebenfalls unbegründet: Die G7 – die Gruppe der sieben reichsten Länder – tagte in der vergangenen Woche ebenfalls in Washington. "Diese Gruppe hat bereits so stark an Bedeutung verloren, dass eine mögliche Erweiterung der IWF-Kompetenzen und Stimmrechte daran kaum noch etwas ändern wird", sagt Professor Langhammer. "Der IWF und die G7 repräsentieren die Wirtschaftskraft der Vergangenheit. Die Dynamik der Zukunft spielt anderswo."

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