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Der Jemen, das Chaos und Al-Kaida

Kersten Knipp17. April 2015

Die Kämpfe im Jemen schwächen die Institutionen des Staates. Von dessen Zerfall profitiert vor allem die Terrorgruppe Al-Kaida. Die baut ihr Herrschaftsgebiet systematisch aus - und ist längst international aktiv.

Anhänger der Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel Jemen 2013 (Foto: EPA)
Anhänger von Al-Kaida auf der Arabischen HalbinselBild: Yahya Arhab/picture alliance/dpa

Ein Ölhafen, militärische Stützpunkte und nun der Flughafen von Riyan: Die Serie militärischer Triumphe der Terrororganisation Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) reißt nicht ab. Konsequent macht sich die Gruppe das Chaos im ärmsten Land der arabischen Welt zunutze, um ihren Einflussbereich auszuweiten. Anfang April stürmten Al-Kaida-Kämpfer das Gefängnis der im Südosten des Landes gelegenen Stadt Mukalla und befreiten 300 Gesinnungsgenossen. Mukalla ist die Hauptstadt der Provinz Hadramawt, die den Schwerpunkt der AQAP-Aktivitäten im Jemen bildet.

Von dort aus verfolgt AQAP ihre eigene Agenda. Aus dem Krieg zwischen den überwiegend schiitischen Huthis und der von Saudi-Arabien angeführten internationalen Koalition hält sich die Gruppe heraus. Den Schiiten ist sie ebenso wenig verbunden wie der Regierung Saudi-Arabiens, die den Al-Kaida-Kämpfern ohnehin als illegitim erscheint. Stattdessen nutzt sie die Kämpfe für ihre eigenen Zwecke - und zwar durchaus erfolgreich. "AQAP ist bislang der Gewinner im Jemen", beschreibt das internationale Internetmagazin Al-Monitor den jüngsten Triumph der Gruppe. "Je länger der Krieg im Jemen andauert, desto mehr wird Al-Kaida profitieren."

Dschihadisten führen den Staat vor

Seit 1998 nutzt AQAP den Jemen als Rückzugs- und Rekrutierungsgebiet. Der schwache, chronisch unterfinanzierte Staat hat den Terroristen bislang nicht beikommen können. Im Gegenteil, die Dschihadisten führten ihm immer wieder die eigene Ohnmacht vor. So entführten Kämpfer der Al-Kaida verwandten Nusra-Front im August des vergangenen Jahres 14 jemenitische Soldaten und töteten sie umgehend. Die Gruppe begründete das Massaker mit den Anti-Terror-Aktionen, die das US-amerikanische Militär mit Duldung der jemenitischen Regierung in der Region durchführt.

Die jüngsten Erfolge sind für AQAP nicht zuletzt aus propagandistischer Sicht wichtig. Die Gruppe ist auf strategische Coups wie die Eroberung des Ölhafens dringend angewiesen. Denn nur so kann sie der spektakulären Triumphserie ihres größten Konkurrenten, der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS), etwas entgegensetzen. Seit der IS 2014 in Teilen Syriens und des Irak ein Kalifat ausrief, hat er Al-Kaida nicht nur aus dem Zentrum der globalen Aufmerksamkeit verdrängt. Er zieht auch immer mehr Rekruten an, die Al-Kaida dann fehlen.

Zivilisten fliehen vor den Kämpfen im JemenBild: AFP/Getty Images/M. Huwais

Fruchtbarer Nährboden für Terrorismus

Umso wichtiger ist für Al-Kaida der Jemen. Das über weite Teile kaum entwickelte Land ist ein ideales Rekrutierungsgebiet. Es steht vor zahlreichen unbewältigten Problemen, die den Terroristen junge Männer ohne Perspektive in die Arme treiben. In den kommenden Jahren, schreibt die Politologin und Jemen-Expertin Helen Lackner von der Universität Oxford, gehe der Jemen zahlreichen Herausforderungen entgegen: "einer wachsenden Zahl junger, meist schlecht ausgebildeter Menschen, denen vergleichsweise wenige Arbeitsmöglichkeiten gegenüberstehen; einer hohen Armutsrate; Wasserknappheit; industrieller Unterentwicklung; separatistischen Tendenzen im Süden, radikalem Konfessionalismus im Norden sowie über das ganze Land verteilten Klassen- und Stammeskonflikten." Es sind diese Spannungen, die sich AQAP zunutze macht.

Längst ist die Gruppe auch international aktiv. Mitglieder von AQAP geben die dschihadistische Internetzeitschrift "Inspire" heraus. Das grafisch hochmodern anmutende Magazin wirbt weltweit für die Anliegen der Gruppe. Auf AQAP gehen auch Anstöße zum Attentat gegen das französische Satiremagazin Charlie Hebdo im Januar dieses Jahres zurück. Das Magazin hatte bereits im März 2013 einen amerikanischen Fahndungslisten nachempfundenen Steckbrief herausgegeben, auf dem sich auch der Name von Stéphane Charbonnier, einem der getöteten Zeichner von Charlie Hebdo, befand. Ihm und den anderen "Gesuchten" legen die AQAP-Terroristen ein krudes Vergehen zur Last: "Verbrechen gegen den Islam".

Politische Lösung unverzichtbar

Das Magazin, das auch Anleitungen zum Bombenbau veröffentlichte, geht vermutlich auf den radikalen Prediger Anwar Al-Awlaki zurück. Dieser war US-amerikanischer Staatsbürger jemenitischer Herkunft. Im Jahr 2004 zog der im US-Bundesstaat New Mexiko geborene Al-Awlaki mit seiner Familie in den Jemen. Im März 2010 rief er zum "Heiligen Krieg" gegen die USA auf. Im September 2011 wurde er durch eine amerikanische Drohne getötet.

Die derzeitigen Kämpfe zwischen der von Saudi-Arabien angeführten internationalen Koalition und den dem Regime in Teheran verbundenen Huthis schwächen die Kraft des jemenitischen Staates weiter. Umso dringlicher fordern die Vereinten Nationen nun eine politische Lösung der Krise. Denn die setzt derzeit immer mehr Menschen zu. Sie ist aber auch darum so wichtig, weil nur sie den Erfolg von AQAP langfristig unterbinden kann.

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