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Politik

Der Kampf der Magdalena Adamowicz

Juuso Järviniemi
20. Juli 2019

Erst war er Ziel politischer Hetze, dann wurde Danzigs liberaler Bürgermeister Pawel Adamowicz auf offener Bühne erstochen. Seine Witwe sagte danach Hass-Botschaften den Kampf an. Nun zieht sie ins Europaparlament ein.

Belgien Brüssel | Magdalena Adamowicz - polnisches Mitglied des Europaparlaments
Bild: DW/L. Schulten

Es war ein Mord vor den Augen der Nation. Im Januar 2019 stand Danzigs liberaler Bürgermeister Pawel Adamowicz auf der Bühne einer Wohltätigkeitsveranstaltung, als ihn ein verbitterter Ex-Sträfling mit einem Messer angriff und erstach. Im Netz hatten rechte Gruppen oppositionelle Politiker bereits seit längerem bedroht. Im Jahr 2017 hatte eine nationalistische Jugendorganisation "politische Todesurkunden" für Politiker ausgestellt – auch für Pawel Adamowicz. Im selben Jahr hängten Nationalisten Fotos von polnischen Politikern an einen Galgen. Auch gewählte Amtsträger schürten den Hass. Im April 2019 sagte ein Senator der regierenden Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), das Land solle von all denen "gereinigt" werden, die es nicht wert seien, zur nationalen Gemeinschaft zu gehören. Nun aber war aus Worten blutige Realität geworden - und Polen erschüttert.

In Trauer verließen Pawel Adamowicz' Witwe und ihre beiden Töchter Polen und reisten ins Ausland, um über den Mord und seine Ursachen nachzudenken. Beileid kam unter anderem von Papst Franziskus.

Magdalena Adamowicz kehrte mit einer Idee für eine Kampagne zurück. Den Auftakt machte sie mit einem offenen Brief an die zentralen politischen, religiösen und zivilgesellschaftlichen Persönlichkeiten Polens, an die sie appellierte, ihre Stimme gegen den Hass zu erheben.

"Ich kann zuhause in meinen vier Wänden sitzen und schreien oder weinen, aber niemand wird das hören", sagt Adamowicz im Gespräch mit der DW. "Also dachte ich darüber nach, was ich tun kann, um diese Gewalt in Zukunft zu vermeiden. Um andere Menschen davor zu bewahren, so zu leiden wie wir."

Kurz vor dem tödlichen Anschlag : Pawel Adamowicz im Januar 2019 in Danzig Bild: Reuters/Agencja Gazeta/B. Banka

Die 46-Jährige, die zum Interview ein Kampagnen-T-Shirt mit einem aufgedruckten roten Herz und einen dazu passenden roten Gürtel trägt, strebt eine "internationale Koalition gegen Hassreden" an. In diesem Frühjahr traf sie sich mit Mitgliedern des US-Kongresses sowie mit Führungskräften von Facebook und Google. Dort forderte sie Maßnahmen gegen Hassreden und gefälschte Nachrichten im Netz.

Magdalena Adamowicz, Juristin und Dozentin an der Universität Danzig, hat sich selbst nie als Politikerin gesehen. Freunde überzeugten sie jedoch, in diesem Jahr für das Europäische Parlament zu kandidieren. Mit fast 200.000 Stimmen aus ihrer Heimat Pommern errang sie einen Sitz.

"Hate Speech ist wie Luftverschmutzung"

In Brüssel hat die neue polnische Europaabgeordnete eine politische Plattform gefunden, um eines ihrer Hauptziele zu verfolgen: ein EU-weites Gesetz gegen Hasstiraden, das sowohl individuelle Hass-Posts unter Strafe stellt als auch Soziale Medien, die diesen eine Plattform bieten. Adamowicz glaubt nicht, dass es ausreicht, das Phänomen auf nationaler Ebene zu bekämpfen: "Es macht vor Grenzen nicht halt, es ist wie Luftverschmutzung."

Die Bekämpfung von Hassreden und Desinformationskampagnen waren auch die Hauptthemen ihres Wahlkampfes. Adamowicz ist überzeugt, dass ihre Anliegen von existenzieller Bedeutung für die Gesellschaft sind. "Wir müssen keine Angst mehr haben vor Panzern oder vor Angriffen durch Fliegerbomben. Aber was uns wirklich zerstören kann, ist das", sagt sie. Sie verweist auf Großbritannien und die USA, wo Bots das Brexit-Referendum und die US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 pervertiert hätten.

Polen trauert um Adamowicz

01:41

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Doch auch in Polen hätten polarisierte Debatten und vergiftete Diskussionen das Land gespalten. Zwei Lager stünden sich in inniger Feindseligkeit gegenüber, sagt Ania Skrzypek von der Brüsseler Foundation for European Progressive Studies (FEPS): Städter versus Landbevölkerung, liberaler Westen versus konservativer Osten.

Der Riss "manifestiert sich auf so viele Arten. Das beginnt schon beim Fernsehsender, der jeweils angeschaut wird", sagt Skrzypek. "Auf dem Land sieht man den ersten Kanal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das hier gezeigte Polen ist ein ganz anderes als das in den liberaleren Medien."

Der Niedergang politischer Sprache und Kultur

Die Botschaft von TVP1, dem wichtigsten öffentlich-rechtlichen Sender, der die derzeitige konservative Regierung unterstützt, sei "offen antiliberal und gegen bürgerliche Freiheiten gerichtet", sagt Skrzypek. Doch auch die liberalen Medien trügen, wenn auch subtiler, zur Spaltung bei. "Sie zielen vornehmlich darauf ab, PiS-Wähler als 'abscheulich' darzustellen", so Skrzypek.

Der Verfall der politischen Sprache und Kultur sei aber nicht nur auf den Rundfunk beschränkt. Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski bezeichnete regierungsfeindliche Demonstranten kürzlich als "nationale Verräter" und nannte die LGBTQ-Bewegung eine "Bedrohung für die polnische Nation". Vor einer Pride Parade in Warschau twitterte ein Journalist des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, dass man "auf LGBT-Leute schießen muss" und fügte hinzu: "Natürlich nicht im wörtlichen Sinne".

Gay Parade-Gegner versuchen, eine Homosexuellen-Demo in Danzig zu störenBild: picture-alliance/dpa/A. Warzawa

Auch offensichtlicher Antisemitismus ist ein Problem in polnischen Internet-Foren. Ania Skrzypek erwartet, dass der im Herbst bevorstehende Wahlkampf in Polen "sehr, sehr spaltend" verlaufen wird. Dennoch sagt sie: "Wir sollten die Polen nicht aufgeben." Sie weist darauf hin, dass noch immer viele Menschen an Wahlen teilnehmen und sich in fortschrittlichen Bürgerbewegungen engagieren: "Es gibt in der Gesellschaft immer noch genug Energie für einen Widerstandsgeist, wenn die Dinge zu weit gehen."

Botschaft ohne Bitterkeit

Obwohl Magdalena Adamowicz eine sichtbare Figur dieses Widerstands ist, bekommt sie kaum Hass-Kommentare. Im Gegenteil: Während ihrer Kampagne erntete sie auf der Straße vor allem Zuspruch. Ein riesiges herzförmiges Schild, das sie bei Veranstaltungen verwendet, ist zur Kulisse für Gruppenfotos mit Sympathisanten geworden. "Mein Mann liebte die Beatles, und meine ältere Tochter nun auch", sagt Adamowicz. "Also nahmen wir unser Motto aus John Lennons 'Imagine' und machten daraus 'Imagine There's No Hate': Stell dir vor, es gäbe keinen Hass." Auch wenn Adamowicz immer noch um ihren ermordeten Mann trauert, gibt es keine Bitterkeit in ihrer Botschaft. Sie will alle Opfer von hasserfüllter Rhetorik und Desinformation schützen. In ihren Augen ist auch der Mörder ein Opfer. Menschen, die mit Desinformation "indoktriniert" wurden, sollte geholfen werden, sagt sie, bevor sie Gewalt anwenden.

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