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"Kampf um die Macht ist nichts für mich"

Kay-Alexander Scholz22. Dezember 2013

Der Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski will nicht nach Russland zurückkehren und sich nicht politisch betätigen. Auch eine Rückkehr in die Wirtschaft schliesst er aus. Eine Mission habe er trotzdem, sagte er in Berlin.

Chodorkowski gibt Pressekonferenz in Berlin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Chodorkowski: Kein Hass auf Putin

02:10

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Es war eine so sympathische spontane Geste, als Michail Chodorkowski die Freitreppe im Berliner Mauermuseum nach unten kam, sah, dass hunderte Journalisten zu seiner Pressekonferenz gekommen waren und dann schnell und nur kurz seine Hand vor den Mund hielt. So, wie man es macht, wenn man überrascht ist von der Situation oder von dem, was man angerichtet hat. Seine Augen strahlten. Der berühmteste russische Häftling sah in diesem Moment jung und ungebrochen aus. Die vielen Haftjahre haben ihn anscheinend nicht innerlich zerbrechen lassen. Und die Freude über seine Freilassung ist noch immer riesengroß.

Aber der Moment währte nur kurz, denn Chodorkowski musste sich durch die Journalisten-Menge kämpfen, um überhaupt an seinen Redeplatz zu kommen. Trotz Weihnachtszeit und viertem Advent waren hunderte internationale Korrespondenten und Journalisten aus der ganzen Welt gekommen, um zu hören, welche Pläne Chodorkowski hat. Der 50-jährige Kreml-Krtiker hatte seine Eltern dabei, die am Samstag aus Russland nach Berlin geflogen waren. Auch sie mussten sich ihren Weg durch die Menge erst erkämpfen. Und wo normalerweise ruhig über den besten Kamera-Blick auf die Hauptpersonen gestritten wird, schrien sich die Journalisten in teils gebrochenem Englisch gegenseitig an. Es wurde so laut, dass die Museumsdirektorin Alexandra Hildebrandt an ihr Hausrecht erinnerte. Und als die Eingangstür geschlossen werden sollte, weil der Raum einfach voll war, gab es emotionale Ausbrüche von den vor der Tür Wartenden. Es war fast ein Journalisten-Krieg an diesem symbolischen Ort des Kalten Krieges am Checkpoint Charlie in Berlin.

Bild: picture-alliance/dpa

Viel Dank und zwei Absagen

Er sei hier, um sich zu bedanken, begann Michail Chodorkowski seine Pressekonferenz, als dann endlich Ruhe eingekehrt war. Besonders bedankte er sich bei Hans-Dietrich Genscher. "Er hat es möglich gemacht!" Ebenso wie Kanzlerin Angela Merkel, wovon er aber erst heute erfahren habe, so Chodorkowski. Sein Dank gehe aber auch an die Medien und die Weltöffentlichkeit, die es vielen Häftlingen erst möglich mache, am Leben zu bleiben und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Chodorkowski sagte relativ wenig Konkretes darüber, wie seine Pläne für die Zukunft aussehen, zum Beispiel wie lange er in Deutschland bleiben wolle. Priorität habe zunächst einmal seine Familie. Er bat um Verständnis dafür. Schließlich sei seine überraschende Freilassung doch erst am Freitag gewesen. "36 Stunden sind sehr wenig Zeit zum Nachdenken", sagte Chodorkowski den Journalisten. Nur so viel sei ihm klar, er wolle Symbol für die Kraft der Zivilgesellschaft sein, die seine Freilassung möglich gemacht habe. Auf Nachfrage der Journalisten sagte Chodorkowski dann, er habe nicht vor "sich mit politischen Dingen zu befassen". "Der Kampf um die Macht, das ist nichts für mich."

Auch eine Wiedereinreise nach Russland auf absehbare Zeit schloss er aus. Denn er sehe die Gefahr, nicht wieder ausreisen zu können, weil es noch immer eine millionenschwere Strafe aus dem ersten Fall gegen seine Firma Yukos gebe.

Chodorkowski: Kein Hass auf Putin

02:10

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Zurück ins Wirtschaftsleben wolle er auch nicht, so Chodorkowski. Er habe mit seiner zweitgrößten russischen Firma schließlich alles erreicht, was er erreichen wollte. Außerdem müsse er nicht arbeiten, um Geld zu verdienen. Stattdessen wolle er seine Zeit nutzen, "um seine Schulden zu bezahlen, bei denen, die das von mir erwarten". Das seien die anderen politischen Häftlinge in Russland und die russische Gesellschaft, die "sich ein wenig ändern muss, damit es den Menschen besser geht".

Vorsichtiger Umgang mit Putin

Welche persönlichen Gefühle gegenüber Putin er habe, fragte ein Journalist. Er verstehe sehr gut, dass da ein "ganz hartes Spiel gespielt wurde". Doch während seiner gesamten Haftzeit habe man sich menschlich gegenüber seiner Familie verhalten. Das habe ihm geholfen, nicht übermäßig emotional zu werden, sondern pragmatisch zu bleiben. Und das habe ihn schließlich davor bewahrt, Hass- und Rachegefühle zu entwickeln.

Und auf die Frage, ob er westlichen Politikern einen Rat geben könne, wie sie mit Putin umgehen sollten, sagte Chodorkowski, sie sollten "einfach nur daran denken", dass er nicht der letzte politische Häftling in russischen Gefängnisse gewesen sei. Was die Politiker wollten, dass sollten sie selber wissen.

Chodorkowski ließ sich nur indirekt zu einem Urteil über Putin hinreißen. Der russische Präsident habe ihm einmal versprochen, nicht Präsident auf Lebenszeit zu bleiben. "Ich hoffe, dass er dabei bleibt."

Hunderte Journalisten waren gekommen, teilweise extra aus ganz Europa angereistBild: picture-alliance/dpa

Kein Schuldeingeständnis

Noch einmal betonte Chodorkowski, dass ein Schuldeingeständnis keine Bedingung für seine Freilassung gewesen sei. Wenn er sich darauf eingelassen hätte, dann wäre er schon früher frei gekommen. Ein Schuldeingeständnis seinerseits hätte zudem alle ehemaligen Yukos-Mitarbeiter getroffen. Erst am 12. November habe er von seinen Anwälten erfahren, dass Genscher erreicht habe, Putin zu seiner Freilassung ohne Bedingungen zu bewegen. Von seiner Reise nach Berlin habe er dann erst auf dem Weg aus dem Straflager erfahren.

In Berlin wohnt Chodorkowski seit Freitag im Hotel "Adlon" am Brandenburger Tor. Von hier aus hat er am Samstag auch ganz menschliche Dinge unternommen, sich neu eingekleidet zum Beispiel. Anzug, Hemd und Krawatte saßen gut bei der Pressekonferenz. Er habe sie in einem Nobel-Kaufhaus einkaufen lassen, wie zu hören war.