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Der Kampf um Gelb geht weiter

Joscha Weber, Huy6. Juli 2015

Erst fünf Sekunden, dann drei, nun nur noch eine: Tony Martin arbeitet sich jeden Tag näher ans Gelbe Trikot heran. Obwohl er die Führung der Tour de France erneut hauchdünn verpasst, ist der Deutsche optimistisch.

Tour de France - Tony Martin
Bild: picture-alliance/dpa/D. Waem

Er schüttelt den Kopf. Als Tony Martin am Bus seines Teams ankommt, kann auch die große Sonnenbrille seine enttäuschte Miene nicht verstecken. Ein Teamkollege umarmt ihn, murmelt Martin ein paar aufmunternde Worte ins Ohr, klopft ihm auf die Schulter. Den Trost hat Tony Martin auch nötig: Um die Winzigkeit von einer Sekunde verpasst er seinen großen Traum - das Gelbe Trikot. Weil der Toursieger von 2013, Chris Froome, trotz eines sichtbaren Abstandes gleichzeitig mit Etappensieger Joaquin Rodriguez gewertet wird, liegt der britische Topfavorit im Gesamtklassement nun eine Sekunde vor Tony Martin.

Die Enttäuschung steht dem dreimaligen Zeitfahr-Weltmeister noch ins Gesicht geschrieben als er auf seine Rolle steigt, um Kreislauf und Puls langsam herunter zu bringen. Während seine Beine locker kreiseln, findet er Worte, für das, was gerade geschehen ist. Ob er nicht enttäuscht sei, so knapp an Gelb vorbeigefahren zu sein, wird er gefragt. "Gestern war ich enttäuschter als heute. Am Ende fehlte mir nur eine Sekunde. Ich arbeite mich auf jeden Fall näher und näher heran", sagt Martin und wirkt dabei schon wieder erstaunlich gefasst. Man kann nun förmlich zusehen, wie er seine Gedanken nach dem harten und heißen Tag in den belgischen Ardennen sortiert. Die finale Mauer von Huy mit ihren durchschnittlich 9,6 Prozent Steigung auf 1,3 Kilometer hat ihn Kraft gekostet.

Nicht gestürzt zu sein ist zehnmal wichtiger

"Das ist so ein Berg, der kommt mir sowas von gar nicht entgegen. Ich habe nur eine bestimmte Spanne an Wattzahlen, die ich fahren kann und irgendwann ist das Verhältnis zwischen Gewicht und Watt an so einem Anstieg sehr zu meinen Ungunsten", sagt Martin und zuckt mit den Schultern. "Ich habe alles gegeben und mir nichts vorzuwerfen. Gegen Fahrer wie Froome oder Rodriguez bin ich an so einem Anstieg chancenlos. Das musste ich akzeptieren."

b#bAm Ende dieser 159,5 Kilometer langen 3. Etappe von Antwerpen nach Huy war die knappe Niederlage gegen Froome für Martin letztlich gar nicht so dramatisch, wie er nach etwas Zeit zum Nachdenken sagt. Denn die Eindrücke des schweren Massensturzes bei Kilometer 102 mit mehreren verletzten Fahrern wirkten bei ihm auch im Ziel noch nach. "Heute nicht in dem Sturz dabei gewesen zu sein, ist zehn mal wichtiger als das Gelbe Trikot um eine Sekunde verpasst zu haben. Wenn man diese Horrorbilder gesehen hat, dann kann man nur von Glück reden, dass ich nicht dabei gewesen bin." Zahlreiche Fahrer, darunter der Niederländer Tom Dumoulin, bis dahin ebenfalls noch mit guten Chancen auf das Gelbe Trikot, mussten das Rennen aufgeben.

"Die Ausgangslage war nie besser"

Für Tony Martin geht es weiter und damit auch der Kampf um Gelb. Beim Auftaktzeitfahren in der flirrenden Hitze von Utrecht fehlten ihm fünf Sekunden zur Führung im Gesamtklassement, auf der Nordsee-Insel Neeltje-Jans am Ende der zweiten Etappe waren es noch drei Sekunden, weil Fabian Cancellara Martins Teamkollege Mark Cavendish noch übersprintete. "Cav" wirkte dabei am Ende etwas lustlos, schien Cancellara den dritten Platz und damit die Zeitgutschrift freiwillig überlassen zu haben. "Ich war davon anfangs schon enttäuscht. Aber Mark und ich hatten ein offenes Gespräch und er hat sich bei mir entschuldigt. Es tat ihm wirklich leid. Heute hat er wieder viel für mich gearbeitet", so Martin, der sich auch von der dritten verpassten Chance auf das Gelbe Trikot nicht entmutigen lässt.

Auf dem Kopfsteinpflaster der vierten Etappe von Seraing nach Cambrai will er versuchen, sich die nötige Sekunde gegenüber dem für die Pavés zu leichtgewichtigen Chris Froome zu holen. Martin könnte dabei auch von der Tatsache profitieren, dass Froome das Trikot des Führenden, und die damit verbundene Arbeit für sein Team, zu diesem frühen Zeitpunkt des Rennens gar nicht zwingend behalten will. "Ich schaue jetzt nach vorne, morgen ist die Chance auf Gelb groß", sagt Martin zu einer immer größer werdenden Traube von Journalisten vor dem Teambus von Etixx-Quickstep. "Mit diesem Team kann ich mit dem nötigen Quäntchen Glück das Gelbe Trikot holen. Die Ausgangslage war nie besser. Insofern bin ich eher positiv als negativ gestimmt." Und nun kehrt tatsächlich der Anflug eines Lächelns in sein Mienenspiel zurück. Auch wenn es heute wieder nicht geklappt hat, Gelb ist weiter in Reichweite.

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