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Der kluge Schachzug

Sabine Kinkartz22. Januar 2013

Mit dem Angebot, vom Parteivorsitz zurückzutreten, hat Philipp Rösler seine Kritiker vorerst besänftigt. Nach dem guten Ergebnis bei der Niedersachsenwahl wollte ihn niemand mehr stürzen.

Philipp Rösler (li.) und Rainer Brüderle (Foto: Ralph Orlowski/Getty Images)
Bild: Getty Images

Wer gut zuhören kann, der hätte eigentlich schon am frühen Montagmorgen wissen können, dass bei den Liberalen etwas im Busch war. In dem Moment nämlich, als FDP-Generalsekretär Patrick Döring im ZDF-Morgenmagazin geschickt der Frage nach der Zukunft seines Parteivorsitzenden auswich. "Zunächst mal ist Philipp Rösler Vizekanzler und Wirtschaftsminister und es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass er weiterhin eine bedeutende Rolle in der FDP spielt. Alles andere wird sich in den nächsten Stunden finden", so Döring.

Was er damit meinte, das sickerte wenig später aus der FDP-Parteizentrale in Berlin durch. Rösler habe seinen Rücktritt als Parteivorsitzender angeboten, hieß es. Eine auf den ersten Blick verwirrende Nachricht. Hat die FDP nicht gerade erst bei der Landtagswahl in Niedersachsen entgegen allen Prognosen mit fast zehn Prozent der Stimmen den Wiedereinzug ins Parlament geschafft? Hatte sich Philipp Rösler am Wahlabend nicht mit großem Jubel von der Partei feiern lassen? Ein Rücktrittsangebot nach einem Wahlsieg, wie passte das zusammen?

Kluger Schachzug

Doch auch hier galt es, genau auf die Wortwahl zu achten. "Ich bin bereit zur Seite zu treten, wenn Rainer Brüderle auch Bundesvorsitzender werden will", mit diesen Worten wurde Rösler zitiert. Das Angebot an den Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag war eine Flucht nach vorne. Rösler setzte alles auf eine Karte und setzte Brüderle nach den zermürbenden Diskussionen der vergangenen Monate die Pistole auf die Brust. Frei nach dem Motto: Entweder du stürzt mich jetzt oder du unterstützt mich in Zukunft.Schnell hatte sich nach der Übernahme des Parteivorsitzes im Mai 2011 gezeigt, dass Rösler die Hoffnungen, die in ihn gesetzt wurden, nicht würde erfüllen können. Immer drängender war zuletzt über seinen Kopf hinweg darüber diskutiert worden, ob er die nötige Kompetenz habe, die richtige Statur, die Fähigkeit zu Führen, oder ob die Partei mit Rösler an der Spitze nicht Gefahr laufe, völlig zu scheitern. Der Gipfel der Debatte war auf dem sogenannten Dreikönigstreffen der FDP am 6. Januar in Stuttgart erreicht, als Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel den internen Streit in der Partei nach außen trug und offen forderte, die Parteiführung müsse sich neu aufstellen.

Dirk Niebel wetzte schon Anfang Januar die Messer gegen RöslerBild: picture-alliance/dpa

Ein Befreiungsschlag zur rechten Zeit

Stets im Hintergrund und doch für jeden sichtbar zur Nachfolge für den Parteivorsitz bereithielt sich dabei Rainer Brüderle. Mit seinem Rücktrittsangebot verfolgte Philipp Rösler daher nicht nur die Strategie, die Diskussionen um seine Person zu beenden. Er zwang Brüderle auch dazu, aus der Deckung zu kommen und Farbe zu bekennen. Ein Schachzug, dessen Folgen allerdings nicht bis zum Ende kalkulierbar waren. Brüderle hätte das Angebot schließlich auch annehmen können.

Nach der Landtagswahl in Niedersachsen überwog die Freude bei den LiberalenBild: Reuters

Andererseits konnte es für einen geordneten Rückzug keinen besseren Zeitpunkt geben. Drei gewonnene Landtagswahlen ermöglichen es Philipp Rösler nicht nur, sein Gesicht zu wahren. Er kann auch sein Amt als Bundeswirtschaftsminister behalten, ohne einen politischen Imageschaden befürchten zu müssen.

Klärendes Gespräch unter vier Augen

Am Ende brauchte das Parteipräsidium der FDP nur ein paar Stunden, um festzustellen, dass man nach dem überraschend guten Wahlergebnis in Niedersachsen mit einem positiven politischen Signal wohl besser bedient ist. Rösler wird nur ein bisschen zur Seite und Rainer Brüderle an seine Seite treten. Im Tandem, Rösler als Parteivorsitzender und Brüderle als "Gesicht der Partei", will man in die Bundestagwahl im Herbst ziehen. "Rainer Brüderle und ich, wir sind unterschiedlich. Wir haben aber eine gemeinsame Grundhaltung, eine gemeinsame Auffassung, ein gemeinsames Ziel. Wir sprechen unterschiedliche Typen an, so unterschiedlich wie wir sind. Wir ergänzen uns", sagte Rösler nach der Präsidiumssitzung der FDP auf einer Pressekonferenz.

Rainer Brüderle sprach von einer "gemeinsamen Herausforderung", der es sich mit Blick auf die Bundestagswahl zu stellen gelte. Auf die Frage, warum er am Ende doch nicht nach dem Parteivorsitz gegriffen habe, sagte Brüderle: "Es war nicht meine Absicht, Parteivorsitzender zu werden, sondern ich wollte eine schnelle Klärung haben." Die wurde auch in einem Vier-Augen-Gespräch gefunden, über das Rösler und Brüderle aber Stillschweigen bewahren wollen. Die Rollen seien jetzt verteilt. "Der Kapitän hat die Binde an, das ist der Parteivorsitzende, Sturmspitze ist der Spitzenmann, der die Tore schießen soll und das bin ich. Der Philipp wird sich voll einbringen, seine Ideen, und ich auch", so Brüderle.

Bestätigt werden soll das neue Tandem bei einem Parteitag, der von Anfang Mai auf Anfang März vorgezogen wird. Wie hat Philipp Rösler sein politisches Lebensmotto einmal umschrieben: "Sei wie der Bambus, beuge und biege dich anmutig, wie der Wind es will, und du wirst niemals brechen."

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