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Der K(r)ampf mit der Technik

Sandra Petersmann28. November 2002

Telefon, Satellitenschüssel und Aufnahmegerät - mehr braucht es nicht für eine Reportage. Denkt sich der Laie. Aber was tun, wenn sich nichts mehr tut? Den Fachmann fragen, beschließt DW-Reporterin Sandra Petersmann.

Stromausfall! Stecker kaputt! Und nun ...?Bild: AP

27.11.2002

Ich bin seit Sonntag (24.11.2002) in der Stadt, und ich könnte schon so viel über meine Erlebnisse hier schreiben, dass ich mich langsam, aber sicher einem Buch nähere. Aber bevor ich über Land und Leute erzähle, muss ich jetzt erst einmal ein paar wahre Geschichten über den Alltag einer Reporterin erzählen --- genauer gesagt sind es wahre Geschichten von einer Reporterin am Rande des Wahnsinns:

Meine erste eiskalte Nacht in Kabul. Drei dünne Wolldecken sind schön, und mehr, als die meisten Menschen in der Zwei-Millionen-Stadt Kabul haben. Aber es reicht nicht. Ich friere und es schüttelt mich durch. Und ich kann mir vielleicht zum ersten Mal so richtig vorstellen, wie es sich anfühlen muss, bei fünf Grad unter Null in einem ausgebombten Haus oder in einem Plastikzelt vom UNHCR zu leben. Ich baue trotz der eisigen Kälte meine gesamte Technik auf, weil ich am Montag beginnen will, meine Reportagen in die Heimat nach Köln zu überspielen. Aus jetziger Sicht muss ich sagen: Ich wollte beginnen zu überspielen.

Und das geschah so: Die gesamte Technik in meinem Zimmer war verkabelt und verstöpselt, zum Glück gab es auch Strom, und zum guten Schluss postierte ich meine Satellitenschüssel gen Süden und funkte Richtung Heimat. Der erste Testlauf war perfekt, es konnte losgehen. Dann fiel plötzlich der Strom aus, was hier ständig passiert und es war stockdunkle Nacht. Als nächstes hörte ich einen lauten Knall und einen genauso lauten Fluch. Die Mitarbeiterin einer amerikanischen Hilfsorganisation, die im Zimmer nebenan friert, war im Dunkeln über meine Satellitenschüssel gestolpert, dabei sehr unglücklich auf ein wichtiges Kabel getreten. Sie hatte es im freien Fall mit einem heftigen Ruck aus der Verankerung gerissen, so dass ein ganz wichtiger Stecker total zerbrochen war.

Der Amerikanerin ist außer einem Schreck nichts weiter passiert, aber ich war völlig außer Gefecht gesetzt, noch bevor es überhaupt so richtig losgegangen war. Keine Satellitenschüssel, keine Übertragung. Aus, Ende, vorbei. Was macht man in so einem Fall, wenn man in Kabul ist? Meine erste und einzige Anlaufstation: die Instandsetzung der Bundeswehr im Feldlager der deutschen ISAF-Soldaten. Die Fernmeldetechniker guckten mich mitleidig an, als ich ihnen die Einzelteile meines Steckers auf den Tisch legte und sie versprachen, ihr Bestes zu geben. Das taten sie dann auch. Weg mit dem kaputten Stecker. Ein sauberer Schnitt, und jetzt ist das Kabel direkt mit der Schüssel verlötet. Ich war total begeistert. Ein herzliches Dankeschön an die Fernmeldetechniker der Bundeswehr in Kabul.

Und in diesem Zusammenhang noch eine kleine Anmerkung zum Kurzbesuch des deutschen Außenministers Joschka Fischer in Kaubl: Wenn er vor seinem Treffen mit Präsident Karsai schon rausfährt zum deutschen Feldlager, dann sollte er dort nicht nur mit dem deutschen Kommandeur General Schlenker sprechen, sondern auch mit den Soldaten, die in Kabul stationiert sind. Sie haben von ihrem Außenminister nichts zu sehen bekommen und waren sehr enttäuscht. Ein einfaches "Sorry, ich hab es leider total eilig, viel zu viele Termine in viel zu kurzer Zeit, aber ich wollte Euch wenigstens schnell sagen, dass ihr hier einen guten Job macht." So was in der Art hätte vollkommen gereicht.

Aber zurück zu meiner gelöteten Schüssel. Die kann ja jetzt wieder Kontakt zum All aufnehmen - theoretisch jedenfalls. Aber damit ist meine Reportermisere noch immer nicht beendet. Denn seit Montag zickt der Satellit rum, den ich von hier aus anwähle. Er heißt IOR ("Indian Ocean Region"). An diesem Satelliten hängt wohl so viel dran, dass eine Datenübertragung praktisch unmöglich ist. Deshalb hat es bislang nur zum Telefonieren gereicht.

Aber Geduld und Spucke. An diesem Mittwoch Abend ist mir das Glück dann doch auch mal hold gewesen. Ich habe es einfach noch mal probiert ... und siehe da, das DW-Funkjournal hat seine erste Reportage aus Kabul überspielt bekommen und DW-WORLD bekommt sein zweites Weblog-File. Ob ich noch mal so viel Glück haben werde?

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