Der Krisen-Montag in Berlin
29. Juni 2015 Und was sagt die Bundeskanzlerin zur Eskalation im Schuldenstreit? Nichts.
Am Sonntagnachmittag war dann aus dem Kanzleramt (Artikelbild) zu hören, dass Angela Merkel am frühen Montagnachmittag (13:30 Uhr MESZ) zu einem Krisengipfel lade. Die Partei- und Fraktionschefs der Bundestagsparteien würden von Merkel "unterrichtet über Griechenland", schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter. Im Anschluss soll die Presse unterrichtet werden.
Jedem im politischen Berlin ist klar, dass eine heiße Woche bevorsteht. So sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel seine Reise nach Israel nur drei Stunden vor dem geplanten Abflug ab.
"Die Kanzlerin hält den Schlüssel in der Hand"
Nachdem am Samstag die Nachricht aus Brüssel vom Scheitern der Reformgespräche der EU-Finanzminister Berlin erreicht hatte, und nachdem die ersten Schock-Minuten überwunden waren, hieß es von Seiten der Opposition, aber auch von Gabriel, dass nun die Staats- und Regierungschefs auf den Plan treten müssten.
Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hatte sich am Sonntag ähnlich geäußert: die Bundeskanzlerin halte als Vertreterin des wichtigsten Landes den Schlüssel in der Hand.
Bereits vor der Runde im Kanzleramt dürfte Merkel auf der Feier zum 70. Geburtstag der CDU nicht um das Thema Griechenland herumkommen. Antworten auf die vielen Fragen, die sich derzeit stellen, wird sie aber kaum geben.
Ganz undiplomatisch harte Worte
Nach dem Gipfel sind für den späten Nachmittag (17:30 Uhr) Sondersitzungen der der Regierungskoalitionen von SPD und CDU/CSU im Bundestag angesetzt. Bei den Parteien ist die Stimmung inzwischen äußerst angespannt. SPD-Chef Gabriel zeigte sich "entsetzt" über das Vorgehen der griechischen Regierung. Den Griechen seien "Angebote gemacht worden wie niemals zuvor".
In einem TV-Interview griff der Durch-und-Durch-Diplomat Frank-Walter Steinmeier für einen Bundesaußenminister zu recht deutlichen Worten: Die Ankündigung des Referendums sei ein "wirklich sehr befremdlicher Weg", der ihn "einigermaßen fassungslos" mache. Die Tsipras-Regierung nehme das griechische Volk in "Geiselhaft". Die Chancen auf ein Abwenden einer Staatspleite würden immer geringer.
Für den Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder, trägt das Vorgehen der Regierung in Athen "absurde Züge". Sie führe das Land in ein "Chaos".
80-Milliarden-Schaden für Deutschland?
Am Sonntagabend haben Kanzlerin Merkel und US-Präsident Barack Obama miteinander telefoniert. Beide hielten es "entscheidend wichtig", Griechenland auf einen Reformweg zurückzuführen und in der Eurozone zu halten, erklärte das Weiße Haus. Auch IWF-Chefin Christine Lagarde äußerte die Bereitschaft, gemeinsam mit Athen und der EU nach einer ausgewogenen Lösung zu suchen.
So ganz ist die Tür für politische Verhandlungen wohl nicht geschlossen. Eine entscheidende Rolle kommt dabei der Kanzlerin zu. Nach der Ukraine-Krise sind auch jetzt wieder alle Scheinwerfer auf sie gerichtet. Doch damit steht Merkel auch in der Schusslinie, wenn die Krise eskalieren und der europäischen Idee Schaden zugefügt werden sollte. Und den deutschen Steuerzahler könne eine Griechenland-Pleite bis zu 80 Milliarden Euro kosten, lässt sich der CDU-Politiker und Vorsitzender Europa-Ausschusses, Gunther Krichbaum, zitieren.
Die Gerüchte sprießen
Man sagt, Merkel denke immer vom Ende aus. Doch wie könnte das Ende aussehen?
Vielleicht bleibt die Tür zwar für Griechenland geöffnet, nicht aber für die jetzige Regierung. Passend dazu: Aus Athen ist zu hören, dass die griechische Opposition durchspiele, wie Alexis Tsipras gestürzt werden könnte.
Auch ist offen, wie das für den 5. Juli geplante und Samstagnacht vom Parlament bestätigte Referendum ausgehen wird. Sollte das Volk einem Reformpaket zustimmen - müsste die amtierende Regierung dann nicht zurücktreten? Und kann die Troika nach einer denkbaren Neuwahl mit anderen Politikern neu verhandeln?
Noch sind das alles nur Spekulationen. Bestätigt ist ebenfalls noch nicht, dass am Mittwoch ein EU-Gipfel in Brüssel stattfindet.
Und wieder ist ein neuer Tag...