Der Kultur auf der Spur
4. August 2003Nach mehr als 60 Jahren ist der Heilige Georg heimgekehrt: Die Holzstatue aus dem 15. Jahrhundert, einst dem jüdischen Kunsthändler A. S. Drey von den Nationalsozialisten geraubt, steht nun bei dessen Nachfahren. Das Deutsche Historische Museum in Berlin hat sie zurückgegeben - und dass man die Erben ausfindig machen konnte, ist der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste zu verdanken: Sie hilft bei der Suche nach Kunstwerken, die sich die Nationalsozialisten unter den Nagel rissen und die nun verschollen sind.
Suche nach dem verlorenen Silber
Die Koordinierungsstelle, gegründet 1994, ist mittlerweile zentraler Ansprechpartner in Sachen Raub- und Beutekunst mit Unterstützung von Bund und Ländern. Seit April 2000 steht ihre Datenbank im Internet: “Lostart.de” - Lost Art, verlorene Kunst. Von den schätzungsweise 3,5 Millionen Objekten, die verloren gingen, sind darin 46.000 beschrieben. Nicht nur Kunstwerke: “Zum Beispiel auch ein Silberbesteck, Bücher, Waffen ... eben auch, was vor 50, 60 Jahren ein Gebrauchsgegenstand war”, berichtet Geschäftsführer Dr. Michael Franz der DW-WORLD.
Allerdings fahren die Mitarbeiter der Koordinierungsstelle nicht raus und wühlen auf Dachböden. “Wir führen nur Suchende und Finder zusammen und sind dafür da, dass der Kunsthandel oder Auktionshäuser Bescheid wissen”, erklärt Michael Franz. So kam es, dass 2002 das Monumentalgemälde “Jerusalem” von Lesser Ury (1861-1931) doch nicht ins jüdische Museum Berlin gehängt wurde: “Die Museumsdirektorin hat über uns rausgekriegt, dass es Beutekunst ist”, sagt Dr. Franz. Das Gemälde sei beschlagnahmt worden. Doch ob sich beide Seiten in so einem Fall einigen, stehe nicht in seiner Macht. “Mit den juristischen und politischen Aspekten haben wir nichts zu tun.” Bei Konflikten können die Beteiligten aber über die Koordinierungsstelle eine “Beratende Kommission” anrufen.
Auch Japan fragt an
Auch Privatpersonen sollen die “Lost Art”-Datenbank nutzen, egal, ob der Kunstraub bereits verjährt sei. Das liegt Dr. Franz am Herzen: “Die Augenzeugen sterben und Kenntnisse gehen verloren” - die Kinder der Betroffenen erinnern sich nur vage an das Gemälde im Wohnzimmer.
Doch auch nicht alle Museen arbeiten mit. “Schwerin hat zahlreiche Objekte bei uns eingestellt, andere Einrichtungen sind da zögerlicher”, sagt Michael Franz. Dafür steuerten aber Einrichtungen aus dem europäischen Ausland, aus Japan, Finnland und den USA Einträge bei.
Warten auf den Glückstreffer
Ob die Datenbank geholfen hat, einen Kultur-Gegenstand dem Erben zurückzugeben - das erfahre die Koordinierungsstelle nicht immer: “Es gibt keine Verpflichtung, dass man uns das mitteilt.” Auch die Öffentlichkeit bekomme nur in Aufsehen erregenden Fällen etwas mit. Doch dass die Datenbank funktioniere - mit immerhin 300 Anfragen am Tag -, sei auch ein Erfolg.
Allerdings ist die Suche nach Raub- und Beutekunst ein Geschäft mit vielen Fragezeichen: Gibt es das, wonach gesucht wird, noch? Und wenn ja, wo mag es stecken? “Vor allem die fünf neuen Bundesländer sind betroffen”, stellt Franz fest - dort hätten sowjetische Besatzungstruppen viele Kunstgegenstände entführt oder zerstört. Und die Aufarbeitung habe erst nach der Wende begonnen. Michael Franz stellt fest: “Man kann sich generell nicht immer sicher sein, dass das Kulturgut überhaupt noch existiert.” Das ist für ihn aber kein Grund, nicht weiterzuforschen. “Es kann immer etwas auftauchen - im Ausland oder am Zoll in New York.”