Multi-Kulti auf dem Teller
14. Februar 2013 Der Pferdefleisch-Skandal wird zur Schnitzeljagd: Seitdem klar ist, dass in mehreren europäischen Ländern Pferdefleisch auf Tellern gelandet ist, wo es eigentlich niemand vermutet hatte, suchen Behörden nach den Etikett-Schwindlern. Mitte Januar wurden die ersten Fälle bekannt, seitdem kommt die Suche nach den Betrügern eher schleppend voran. Supermärkte in Irland, eine französische Firma, die in Zypern eingekauft hat, und ein Kühlhaus in Norddeutschland – die Spuren führen quer durch Europa. Das Fleisch soll aus Rumänien kommen; soll – denn es gibt keine Richtlinien in der EU, die das Kennzeichnen von verarbeiteten Fleischprodukten vorschreibt. Es bleibt nur die mühsame Rückverfolgung.
Essen auf der Überholspur
„Wir müssen zum Beispiel dokumentieren, von wem wir Waren bekommen und wohin wir sie liefern“, sagt René Soldner, Fachbereichsleiter für ein großes Logistikunternehmen in Deutschland. Würden Paletten mit verpackten Lebensmitteln, wie etwa Milchkartons oder Käse in andere Länder geliefert, arbeite die Firma mit Partnern vor Ort. Lebensmittel werden oft umgepackt, zwischengelagert und wandern so durch viele Hände. Wo genau manche Lebensmittel ursprünglich herkommen, wissen auch die Zwischenhändler nicht zwangsläufig.
„Die Vorschriften für die Kennzeichnung sind ungenügend“, sagt daher Frank Waskow von der Verbraucherzentrale in NRW. Die Rinderseuche in den 90er Jahren hat dazu geführt, dass Regeln für Rindfleisch eingeführt wurden, so dass klar ist, woher die Ware kommt. Diese Vorschriften gelten aber nur für unverarbeitetes Fleisch. „Wenn man das nur salzt oder in irgendeiner Form weiterverarbeitet, muss es schon nicht mehr gekennzeichnet werden“, so Waskow. Noch viel unübersichtlicher sei der Herkunftsort bei Produkten mit vielen Zutaten - wie Lasagne, Pizza oder auch Joghurt.
Billig verschicken, teuer verkaufen
Apropos Joghurt: Schon in den 90er Jahren untersuchte Stefanie Böge für das Wuppertal-Institut, woher die Einzelteile eines Erdbeerjoghurts kommen. Das Ergebnis: Die Bakterien stammten aus Norddeutschland und wurden im Süden des Landes weiterverarbeitet, zusammen mit den Erdbeeren von polnischen Plantagen und Zutaten aus den Niederlanden. Schließlich sorgte eine Firma aus Düsseldorf dafür, dass die Etiketten auf den bayerischen Gläsern kleben bleiben.
Niedrige Transportkosten verleiten die Unternehmen heute dazu, Lebensmittel möglichst billig zu produzieren – egal wo. Umweltschützer weisen immer wieder auf dieses Problem hin. Nur so kommen abstruse Wege, wie die der berühmten Nordseekrabben, zustande. Vor einigen Jahren wurde bekannt, dass deutsche Unternehmen ihre Krabben auf eine 5000 Kilometer weite Reise nach Marokko und zurück schickten. Die Arbeiter vor Ort erhielten ein paar Euro für das Pulen und zurück ging es mit den Meeresfrüchten als fertige Zutat, etwa für Fischbrötchen, in Richtung Nordseeküste.
Mit den Schweinen quer durch Europa
Dass die Transportzahlen von Lebensmitteln stetig steigen, zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes – und das gilt sowohl für die Ausfuhr, als auch für die Einfuhr. Im Jahr 2011 importierte Deutschland nach vorläufigen Berechnungen zum Beispiel tierische Lebensmittel im Wert von 17,7 Milliarden Euro. Dazu zählen auch Transporte von lebendigen Tieren. Im Jahr 2000 hatten die Importe nur einen Wert von 11,8 Milliarden Euro.
Auch Brüssel beschäftigt sich mit den Problemen der Lebensmitteltransporte und der Kennzeichnung, was die Herkunft angeht. Eine neue Gesetzesvorlage gibt es bereits. 2014 soll sie in Kraft treten. Darin sei festgehalten, dass auch verarbeitete Fleischprodukte zukünftig mit Informationen zur ihrer Herkunft versehen werden müssen, berichtet Waskow. Seine Verbraucherzentrale fordert dies seit Jahren. Gerungen werde unter anderem noch darum, wer die Kosten für den Aufwand tragen soll.
Aber auch Positivbeispiele gibt es. Wer in letzter Zeit Tiefkühl-Fisch in deutschen Supermärkten gekauft hat, wird vielleicht auf Pakete mit dem Aufdruck „followfish“ gestoßen sein. 2007 wurde dieser Zusammenschluss von Umweltschützern, Fischern und Fischzüchtern gegründet. Auf ihren Produkten ist ein Code abgedruckt. Damit kann jeder Verbraucher im Internet recherchieren, wo denn der Fisch einmal geschwommen ist, bevor er zum Mittagessen wurde.