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Politik

Der lange Weg zum Rechtsstaat

Martin Reischke
30. Juni 2018

Viele lateinamerikanische Länder sind in einem Teufelskreis aus Korruption und Straflosigkeit gefangen. Doch Beispiele aus Mexiko, Honduras und Guatemala zeigen, dass es Auswege aus der Krise gibt.

Mexiko Demonstration in Acapulco gegen Ermordung der 43 Studenten
Demonstration im mexikanischen Acapulco gegen die Ermordung der 43 Studenten in AyotzinapaBild: Reuters/C. Vargas

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im aktuellen Korruptionswahrnehmungsindex der Nichtregierungsorganisation Transparency International landen Honduras und Mexiko abgeschlagen auf Rang 136 und 139, Guatemala sogar nur auf Platz 144. Der jährliche Index misst die in Wirtschaft, Politik und Verwaltung wahrgenommene Korruption auf der Grundlage verschiedener Expertenbefragungen.

Gepaart mit einem hohen Maß an Straflosigkeit ist im nördlichen Zentralamerika und in Mexiko so ein gefährlicher Teufelskreis entstanden, bei dem sich beide Faktoren gegenseitig verstärken: Denn wenn Korruption nicht bestraft wird, schafft dies einen idealen Nährboden für noch mehr Korruption. Dies wiederum führt dazu, dass beispielsweise Staatsbeamte bestochen werden und Korruptionsdelikte straffrei bleiben.

Tausende gehen 2015 in Guatemala gegen die Regierung auf die Straße - am Ende mit ErfolgBild: picture-alliance/AA

Der Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit ist zwar schwierig, aber nicht unmöglich, wie die Veranstaltung "Neue Wege zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Lateinamerika" aufzeigen wollte, zu der die Heinrich-Böll-Stiftung und die Hilfsorganisationen Brot für die Welt und Misereor nach Berlin eingeladen haben. Dabei geht es um die Arbeit von drei Sondermechanismen gegen Straflosigkeit, die in Guatemala, Honduras und Mexiko erprobt werden.

Unterstützung aus Deutschland

Das wohl erfolgreichste Beispiel ist die CICIG in Guatemala. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet die "Internationale Kommission zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Guatemala" eng mit der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft zusammen, um kriminelle Strukturen im Land zu bekämpfen.

Iván Velásquez: "Es ist möglich, gegen Korruption zu kämpfen"Bild: Martin Reischke

International bekannt wurde die CICIG vor drei Jahren, als ihre Korruptionsermittlungen gegen die damalige Regierung zum Rücktritt von Präsident Otto Pérez Molina und Vizepräsidentin Roxana Baldetti führten. "Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, gegen die Korruption zu kämpfen", sagt CICIG-Chef Iván Velásquez in Berlin, "aber die Schlacht ist noch längst nicht gewonnen." Denn die Gegenreaktion ließ nicht lange auf sich warten: Seit in den vergangenen Jahren nicht nur Spitzenpolitiker, sondern auch wichtige Unternehmer ins Visier der Ermittler geraten sind, haben sich einflussreiche Sektoren der Gesellschaft zusammengeschlossen, um die Arbeit der CICIG durch öffentliche Kampagnen oder neue Gesetzesentwürfe zu bekämpfen.

Diese Erfahrung hat auch die MACCIH machen müssen, als "Mission für die Unterstützung beim Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit" eine Art "kleiner Bruder" der CICIG im Nachbarland Honduras. Im Gegensatz zur CICIG hat sie kein UN-Mandat, sondern untersteht der Organisation Amerikanischer Staaten, zudem hat sie keine eigenen Ermittlungskompetenzen.

Dennoch haben schon die ersten zusammen mit der honduranischen Staatsanwaltschaft präsentierten Korruptionsfälle zu großer Unruhe unter honduranischen Politikern geführt: Mit neuen Gesetzen versucht das Parlament, die Arbeit der MACCIH zu unterbinden. "Die Menschen in Honduras haben den Eindruck, dass die Welt sich nicht für ihr Schicksal interessiert", sagt Marco Villeda, internationaler Richter der MACCIH, "deshalb ist es wichtig, dass Länder wie Deutschland politischen Druck ausüben, damit wir unsere Arbeit machen können." Die Bundesrepublik unterstützt die MACCIH ebenso wie die CICIG finanziell.

Schwierige Lage in Mexiko

Schwieriger noch ist die Situation in Mexiko. Als vor vier Jahren das Verschwinden lassen von 43 Studenten aus Ayotzinapa im Bundesstaat Guerrero weltweit Schlagzeilen machte, sorgte der Druck der Familienangehörigen für die Ernennung der internationalen Expertengruppe GIEI. Ihre Aufgabe: Eine unabhängige Untersuchung des Verbrechens, in das auch verschiedene staatliche Sicherheitsbehörden verwickelt gewesen sein sollen.

Carlos Beristain: "Nicht länger die Lügen der Regierung ertragen müssen"Bild: Martin Reischke

Am Ende nahm die mexikanische Regierung zwar den Expertenbericht entgegen, der die offiziellen Untersuchungen der mexikanischen Staatsanwaltschaft als ungenügend kritisiert und ihren Ermittlungsergebnissen widerspricht. Rechtliche Konsequenzen für die mutmaßlichen Täter hatte der Bericht jedoch bislang nicht. Der spanische Arzt und Psychologe Carlos Beristain hält die Arbeit der GIEI trotzdem für wichtig: "Die Familienangehörigen sind froh, nicht länger die Lügen der Regierung ertragen zu müssen", so Beristain, der als Mitglied der internationalen Expertengruppe eng mit den Angehörigen der 43 verschwundenen Studenten zusammengearbeitet hat.

Manchmal beginnt der Kampf gegen die Straflosigkeit damit, die Darstellung der Behörden nicht länger als allgemeingültige Wahrheit zu akzeptieren.

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