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Literatur

Der LiBeraturpreis wird 30

Sabine Peschel
26. Januar 2018

Globale Weltliteratur ist salonfähig geworden. Im deutschsprachigen Raum hat der LiBeraturpreis viel dazu beigetragen: Er geht ausschließlich an außereuropäische Frauen und verstärkt deren unterrepräsentierte Stimmen.

Screenshot Litprom-Literaturtage 2018
Bild: litprom.de

Es könnte spannend werden. Mitten in den Hochzeiten der #MeToo-Debatte lädt der Verein Litprom zwölf Autorinnen aus aller Welt ins Frankfurter Literaturhaus, um die weibliche Weltliteratur "neu vermessen" zu lassen. Was zunächst ein bisschen abstrakt klingt, wird bestürzend konkret, wenn man das Vorhaben wörtlich nimmt und auf Zahlen blickt: "Immer wenn wir zählen - ob bei Literaturpreisen, Übersetzungen, verlegten Romanen -, kommen wir auf einen Frauenanteil von etwa 25 bis 30 Prozent", berichtet Anita Djafari, Geschäftsführerin von Litprom.

Auch bei der so internationalen Frankfurter Buchmesse sind Schriftstellerinnen nicht stärker vertreten. "70 Prozent der Autorinnen und Autoren bei der letzten Frankfurter Buchmesse waren männlich", konstatiert Buchmessendirektor Juergen Boos. "Ich war ziemlich erschrocken, wie es tatsächlich aussah." 

Ein Verein für Literatur aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt

Literatur aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt in Übersetzungen lesbar zu machen, hat sich Litprom zur Aufgabe gemacht. Der Verein wurde 1980 gegründet, anlässlich des Auftritts von "Schwarzafrika" als Gastland bei der Frankfurter Buchmesse. "Heute wäre das nicht mehr denkbar, dass man so viele Länder eines Kontinents in einen Topf wirft", kommentiert Geschäftsführerin Anita Djafari am Rande. "Aber damals hieß das tatsächlich 'Schwarzafrika'. Immerhin, daran erkennt man, dass es auch Fortschritte gibt." 

Als Geschäftsführerin von Litprom setzt sich Anita Djafari für außereuropäische Literatur einBild: Salome Roessler

Litprom macht seine Lobbyarbeit wie die Zusammenarbeit mit Verlagen und die vom Auswärtigen Amt geförderte Unterstützung von herausragenden Übersetzungen für männliche und weibliche Schriftsteller aus diesen Regionen nicht lediglich für Frauen. Um deren unterrepräsentierten literarische Stimmen hörbarer zu machen, gibt es mit dem LiBeraturpreis für außereuropäische Autorinnen ein besonderes Instrument, seit 2013 unter dem Dach von Litprom. In diesem Jahr wird der Preis im Herbst auf der Frankfurter Buchmesse zum 30. Mal vergeben. 

Hochkarätige Autorinnen diskutieren in Frankfurt

Dieses Jubiläum hat der Verein zum Anlass für ein einzigartiges Programm genommen. Wenn am 26. und 27. Januar unter dem Titel "Ausgezeichnet: Kartographien des Weiblichen" gelesen und diskutiert wird, begegnen sich viele Preisträgerinnen der letzten Jahre, darunter die erst vor vier Monaten geehrte Iranerin Fariba Vafi, die indonesische Essayistin, Lyrikerin und Journalistin Laksmi Pamuntjak (2016), die kanadische Romanautorin Madeleine Thien (2015),Raja Alem aus Saudi-Arabien (2014), die Argentinierin Claudia Piñeiro (2010) sowie die Kubanerin Mayra Montero (1998). 

Die iranische Schriftstellerin Fariba Vafi wurde im Oktober 2017 mit dem LiBeraturpreis ausgezeichnetBild: Nashr-e Markaz

Ist Schreiben an sich schon ein Akt weiblichen 'Empowerments'? Oder gar der Rebellion? Zu den Rebellinnen unter den eingeladenen Autorinnen gehören definitiv die Senegalesin Ken Bugul und die inzwischen in London lebende Inderin Meena Kandasamy. Die kurzfristig noch ins Programm aufgenommene junge Erzählerin Dima Wannous, Autorin des 2014 auf Deutsch erschienen Romans "Dunkle Wolken über Damaskus", ist eine wütende und eindringliche Stimme aus Syrien. Yvonne Adhiambo Owuor aus Kenia und die Chilenin Lina Meruane hinterfragen weibliche Rollenbilder in Verhältnissen patriachaler Unterdrückung. Die preisgekrönte deutsche Krimiautorin, Übersetzerin und Verlegerin Zoë Beck setzt sich mit dem Thema Frauen und Gewalt auseinander, und die in Korea geborene, deutschsprachige Autorin Anna Kim nimmt Vorstellungen von Heimat im Zwischenraum von Lokalem und Globalem in den Blick. 

Schreiben für weibliche Ermächtigung

"Die Globalisierung hat den Bürger erreicht. Ständig wählen Menschen neue Orte als ihren Lebensmittelpunkt. Dieses vielschichtige Aufeinandertreffen von Kulturen erfordert von beiden Seiten das Verständnis für die neuen Nachbarn. Und ganz oft sind es die Frauen, die nach Flucht oder Migration die Familie zusammenhalten und sie in eine neue Umgebung integrieren müssen", resümiert Ines Pohl, die als Chefredakteurin der Deutschen Welle die Schirmherrschaft für den Preis übernommen hat. "Die Autorinnen von Litprom leisten einen enorm wichtigen Beitrag zu einem besseren Verständnis und zu einem friedlichen Miteinander."  

Die indonesische Preisträgerin von 2016 Laksmi Pamuntjak auf der Frankfurter BuchmesseBild: DW/H. Pasuhuk

Ungleichheit und Diskriminierung, dagegen müssen sich Schriftstellerinnen schon seit Jahrzehnten und auch heute immer noch positionieren. Neu aufkeimender Nationalismus und Populismus machen den Kampf um Aufmerksamkeit und oft auch die Produktionsbedingungen in vielen Ländern für Autorinnen immer schwieriger. "Unsere Arbeit mit Litprom, die ist per se gegen Rechts", sagt Litprom-Geschäftsführerin Djafari. "Sie richtet sich gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Rassismus." Leichter sei das nicht geworden, ergänzt sie, denn die Medien setzten auf Mainstream und Prominenz. "Wir widersetzen uns da allerdings, wir schielen nicht auf prominente Autorinnen wie zum Beispiel die in den USA lebende Nigerianerin Chimamanda Ngozi Adichie, in deren Wind dann alle anderen Schriftstellerinnen mitsegeln müssten. Wir blicken auf die Einzelnen, auch wenn das ein bisschen mühsamer ist."

"Das Thema Frauen, Macht und Sexualität ist immer präsent in weiblicher Literatur"

Die südkorenische Booker-Preisträgerin Han Kang Bild: picture-alliance/Photoshot

Die "#MeToo"-Debatte wird im Programm nicht erwähnt. Das Thema "Frauen, Macht und Sexualität" ziehe sich ohnehin durch die weibliche Literatur. "Nimmt man zum Beispiel Han Kangs 'Die Vegetarierin', ein Buch das viele kennen, so ist das ein Buch über Gewalt an einer Frau, der nichts anderes übrig bleibt, als still zu rebellieren", führt Anita Djafari an. "Das Thema ist immer präsent, sei es in sehr kämpferischen Texten oder in Büchern wie dem der im vorigen Jahr ausgezeichneten Fariba Vafi, das den Alltag beschreibt."

Romane sollten nicht politische Plädoyers ersetzen. Mit ihrer literarischen und sprachlichen Kraft können sie gesellschaftliche Prozesse trotzdem beeinflussen. Die Bücher der für den LiBeraturpreis nominierten und der ausgezeichneten Autorinnen machen das Jahr für Jahr besonders deutlich. 

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