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Der Luxus-Zirkel

9. Juli 2009

In Paris wurde wieder hohe Schneiderkunst gezeigt. Die eigentlich seit Jahren regelmäßig für tot erklärt wird. Warum lebt die Haute Couture immer weiter?

Model trägt Entwurf des libanesischen Designers Georges Hobeika (AP Photo/Thibault Camus)
Garantiert handbesticktBild: AP
Ein Kragenentwurf von Christoph JosseBild: AP

Jimmy Pihet hat keine Zeit mit der Presse zu telefonieren, er muss schnell zu Givenchy. Die Haute Couture Show 2009 steht an und Monsieur Pihet muss den Überblick behalten. Schließlich setzt sein Arbeitgeber fest, wer überhaupt Mode zeigen darf, die den Titel Haute Couture verdient hat. Jimmy Pihet arbeitet für die "Chambre syndicale de la haute couture" und die besteht schon seit 1868.

Die teuerste Sahne der Welt …

Die Regeln, die der Verband aufstellt, sind klar. Ein Modehaus muss zweimal pro Jahr mindestens 25 neue Modelle vorstellen, die alle handgefertigt und einzigartig sind und von mindestens 20 Angestellten im hauseigenen Atelier gefertigt werden. Das kostet eine Menge Zeit und Geld und deshalb wird die Haute Couture eigentlich seit den 1960er Jahren in Phasen regelmäßig abgeschrieben. Häuser wie Chanel, Dior, Gaultier und Ungaro können sich den Luxus leisten, momentan gehören aber insgesamt nur noch zehn Modehäuser zum Zirkel der elitären Schneiderkunst. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg waren es noch über 140.

Teure Vögel bei DiorBild: AP

"Die Haute Couture-Entwürfe sind die Zugpferde, die Eyecatcher, die den Zirkus am Laufen halten", sagt die Kostümhistorikerin Christiane Waidenschlager. Doch Trends setzen die Entwürfe nicht, das macht die Pret-á-porter-Mode, die Schau für die Kleiderbügel der Nationen. Trotzdem ist die Haute Couture die Sahne des Geschäfts, ziemlich teure Sahne, die sich nur wenige Menschen weltweit leisten, etwa tausend Frauen. Alle anderen kaufen die Parfums, Kosmetika und Accessoires der Designer, die damit ihr eigentliches Geschäft machen.

… erfunden von einem Briten

Das Ur-französische Luxusmode-Metier hat ein Brite erfunden, Charles Frederick Worth. 1858 hat er in der Rue de la Paix in Paris einen Laden eröffnet, der als das erste Modeatelier der Moderne gilt. Worth entwarf verschiedene Kleidermodelle, die sich betuchte Kundinnen in seinem Atelier aussuchen und auf den Leib schneidern lassen konnten. Bevor er auf den Pariser Boulevards erschien, gingen die Damen zu einer Schneiderin ihres Vertrauens und orderten eine Bluse nach eigenen Vorstellungen. Worth ließ seine exklusiven Kleider plötzlich von Models präsentieren und hatte schnell zahlreiche Nachahmer im Nacken. Die Haute Couture, die hohe Schneiderkunst war geboren. Und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs lief es eigentlich richtig gut.

Die Kreation von Francois Eymeric gibt es nur einmalBild: AP

"Trotz des großen Erfolgs, den Dior mit seinem New Look nach dem Zweiten Weltkrieg hatte, haben in den 50er Jahren dann auch die großen Modehäuser erkannt, dass sie nur mit der reinen Haute Couture nicht überleben können", sagt Christine Waidenschlager. Die Demokratisierung der Mode begann, die Boutiquenkultur aus England verbreitete sich in Europa, das Geschäft wurde internationaler, die Industrie konnte schnell viel Mode unter viele Menschen bringen. Der Luxus-Zirkel wurde ständig kleiner, was vor allem an den strengen Regeln des Haute Couture-Verbands in Paris lag, die deshalb nach und nach gelockert wurden. Unter anderem gibt es inzwischen auch "assoziierte" Mitglieder der Haute Couture. Junge Designer, denen der Verband erlaubt, einmal bei der Show mitzumachen.

Giorgio Armani lässt es glitzernBild: AP

Doch selbst die aktuelle Finanzkrise hat die Haute Couture nicht umgebracht. Sie war eben noch nie eine Verkaufsbörse, sondern einfach die beste Publicity, die sich ein Modehaus gönnen kann. Wer kann schon dem Gefühl von Luxus und seinem Anblick widerstehen?

Autorin: Marlis Schaum

Redaktion: Marcus Bösch

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