Der Mensch - Ein ewiger Migrant
14. August 2017Ein Fadenvorhang am Anfang der Sonderausstellung "2 Millionen Jahre Migration". Der konfrontiert die Museumsbesucher mit der Frage: Bin ich Migrant oder Nicht-Migrant? Jeder kann auswählen, was auf ihn zutrifft und durch den Vorhang in die Schau treten.
Für mich ist die Antwort klar: 2014 bin ich nach Bonn zum Studieren gekommen. Für die Zeit meines Masterstudiums werde ich auf jeden Fall in Deutschland bleiben. Hier bin ich eindeutig Migrantin – auch wenn meine Heimat Luxemburg ist und nur ein Katzensprung entfernt.
Ein urmenschliches Phänomen
Egal, welcher Kategorie man sich zuordnet – die Sonderausstellung bietet einige Aha-Momente und versucht klar zu stellen: Wir sind alle Migranten! "Unser Ziel ist es zu zeigen, dass Migration ein urmenschliches Phänomen ist, das Millionen Jahre zurückreicht", sagt Gerd-Christian Weniger, Direktor des Neanderthal Museums .
Mit der Sonderausstellung ging das Sonderforschungsprojekt "Our Way to Europe" einher. Hier untersuchen seit 2009 Wissenschaftler der Universitäten Aachen, Köln und Bonn in Kooperation mit dem Neanderthal Museum die Ausbreitung des Menschen von Afrika nach Europa. Woher kommen die Menschen? Wohin gingen sie?
Eine Route, die wohl immer funktioniert hat, ist die über den Vorderen Orient, dann über die heutige Türkei nach Osteuropa. Die Straße von Gibraltar kam erst sehr viel später als Migrationsbrücke dazu.
Den Forschern fiel auf, dass die Migrationsbewegungen von damals verblüffende Ähnlichkeit mit den heutigen Flüchtlingsströmen aufweisen. "Als wir das 2015 gesehen haben, war klar: Wir müssen uns in diese politische Diskussion einmischen und unseren Standpunkt und unsere Erkenntnisse über die Migration des Menschen mit einbringen", sagt Weniger im DW-Gespräch. Selbst wenn Barrieren aufgebaut würden – Migration könne man nicht stoppen.
Migration damals und heute
Die Ausstellung schlägt eine Brücke zwischen Eiszeit und Moderne. Wie wird das in der Ausstellung umgesetzt? Ein Großteil der Schau beschäftigt sich mit den Meilensteinen prähistorischer Migrationsereignisse: Der Mensch wanderte vor etwa 100.000 Jahren aus Afrika aus. Dann kamen vor rund 7500 Jahren Bauern und Viehzüchter aus dem Vorderen Osten nach Europa. Zu Beginn der Metallzeit rückten schließlich Pferdezüchter und Händler aus den westasiatischen Steppen nach Mitteleuropa vor.
Parallel zu den Erkenntnissen über die Migration unserer Vorfahren flechten die Ausstellungsmacher immer wieder Bezüge zur heutigen Zeit ein. In Interviews, die in Videos festgehalten wurden, erzählen Migranten und Flüchtlinge unserer Tage, wie und warum sie nach Deutschland kamen.
Ein Perspektivenwechsel
Den Ausstellungsmachern ist bewusst, dass es keine unmittelbare Verbindung zwischen den Migranten von damals und heute gibt. Die Migrationsgründe haben sich verändert. Folgte beispielsweise der aufrecht gehende Mensch notgedrungen seiner Jagdbeute, so verlassen heute viele ihr Land wegen Krieg und Armut. Aber: "Die Entwicklung und die Evolution des Menschen sind mit der Migration aufs Engste verbunden", erklärt Weniger. "Die Mobilität des Menschen und die Veränderung des Lebensraums gehören einfach dazu. In Anbetracht dieser Erkenntnisse, die über zwei Millionen Jahre zurückreichen, kann es keine Lösung sein zu sagen 'Wir machen unsere Grenzen zu.'"
Die Ausstellung soll einen Perspektivenwechsel bewirken. Die Besucher sollen einen Schritt zurücktreten, um einen Standpunkt einzunehmen, der nicht vom aktuellen Tagesgeschehen an den Grenzen Europas geprägt ist. Die Schau im Neanderthal Museum lädt dazu ein, über die eigene Herkunft nachzudenken, bevor man über Konzepte wie "Obergrenzen" spricht. Oder, wie eine Museumsbesucherin sagte: "Wir sind doch alle Menschen."
Die Sonderausstellung "2 Millionen Jahre Migration" ist noch bis zum 5. November 2017 im Neanderthal Museum in Mettmann zu sehen.