1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mittelstand zieht es in die Crowd

21. Mai 2018

War die Schwarmfinanzierung bisher eher etwas für Start-ups, greifen zunehmend Mittelständler darauf zurück. Anders als bei den Banken kommen sie so schneller an Kapital für innovative Projekte.

Deutschland Computertaste mit der Aufschrift Crowdfunding
Bild: imago

20 Prozent Wachstum jährlich bis 2022 hat sich das Unternehmen Arend Prozessautomation zum Ziel gesetzt. Die Firma aus Wittlich verhilft Industriekunden dazu, ihre Anlagen zu digitalisieren und zu automatisieren. Axel Haas hat vor einigen Jahren den kleinen Spezialisten für Schaltkästen übernommen und ihn auf Cybersicherheit und Industrie 4.0. getrimmt. Um die ehrgeizigen Ziele zu realisieren, suchte der Firmenchef einen Kredit von der Crowd. 

Auf der Internet-Plattform Kapilendo warb er Klein- und Kleinstanleger an und sammelte innerhalb von vier Tagen 500.000 Euro ein. "Mit dem Geld werden wir zwei neue Niederlassungen eröffnen und unser neues Gerät - das Daten sammelt, aufbereitet und verschlüsselt, um die Produktion zu optimieren - auf den Markt bringen", so Haas. Er hätte auch zur Hausbank gehen können, "aber wir brauchen eine Art Risikokapital".

Arend-Geschäftsführer Axel HaasBild: S. Karras

Das Hightech-Produkt von Arend sei für die Banken "wenig greifbar". Plattformen wie Kapilendo sind relativ neue Finanzdienstleister im Internet und werden auch Fintechs genannt. Zwar prüfen auch sie Bilanzen, Prognosen und die Schufa-Daten, um das Risiko für ihre Anleger einzuschätzen. Aber was noch mehr zählt, ist eine gute Story. Wachstum, Digitalisierung oder ungewöhnliche Produkte ziehen bei der Crowd. Ein Nebeneffekt: Die Firma spricht dadurch auch neue Kundenkreise an.

Fintechs haben mehr Freiheiten als die Banken

"Die ganz überwiegende Mehrzahl der Unternehmenskredite wird nach wie vor über die Hausbanken aufgenommen", betont Dirk Schiereck, der an der TU Darmstadt über Unternehmensfinanzierung forscht. "Aber die digitale Kreditfinanzierung über elektronische Plattformen ist längst kein Nischenphänomen mehr, sondern eine schnell wachsende Alternative." Vom Betriebsmittelkredit mit 100.000 Euro für sechs Monate bis zum Investitionskredit im einstelligen Millionenbetrag für drei Jahre sei alles möglich.

Dafür sieht Schiereck drei Gründe. Erstens sei als Folge der Finanzkrise das Vertrauensverhältnis zwischen vielen Unternehmen und ihren Hausbanken beschädigt. Zweitens gingen Fintechs schnell und unbürokratisch vor. Und drittens gebe es sehr viele Anleger, die angesichts niedriger Zinsen nach alternativen Anlageformen zum Termingeldkonto suchten.

"Bei der Bank muss man Bilanzen und Prognosen einreichen und acht bis zwölf Wochen warten, bis die Entscheidung durch die Gremien ist", beklagt ein Unternehmer. Dabei kennt die Bank ihn gut, wie schon seinen Vater, der die Firma vor 70 Jahren gegründet hat.

Zwar haben auch Banken Interesse daran, Kredite zu vergeben, um die Strafzinsen der EZB zu vermeiden. Aber in Folge der Finanzkrise seien sie auch stärker reguliert. "Deswegen möchten sie manche Geschäfte, etwa im Bereich des Betriebsmittelkredits, nicht mehr so gern machen", so Schiereck von der TU Darmstadt. Mittelständler brauchten jedoch gerade diese Mittel, um Saisonware oder einen Auftragsboom vorzufinanzieren, weil sie das nicht aus den Einnahmen schafften.

Bei Plattformen wie Kapilendo können sich Mittelständler Kredite bei der Crowd besorgenBild: kapilendo.de

Laut "Finanzmonitor 2018", einer Untersuchung der TU Darmstadt im Auftrag der Crowdplattform Creditshelf, meint fast die Hälfte der deutschen Mittelständler, dass es in den vergangenen 12 Monaten schwieriger geworden ist, Geld von der Bank zu erhalten.

Symbiose zwischen Old und New Economy

Manche Investitionen werden auch zu einem Teil von der Bank, zum anderen Teil von der Crowd finanziert. Das Geld des Schwarms dient dann dem klassischen Kreditinstitut als eine Art Sicherheit. "Eine Symbiose zwischen Old und New Economy" nennt das der "Finanzmonitor". Und angesichts des Zinstiefs interessierten sich nicht nur Privatpersonen, die 100 Euro hier, 250 Euro dort gewinnbringend investieren wollen, sondern auch institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensionsfonds fürs Crowdlending.

Arend zahlt seinen Geldgebern vier Jahre lang acht Prozent. Falls der Umsatz eine bestimmte Größenordnung erreicht, kommt noch ein Bonus von bis zu 20 Prozent darauf. "Das ist gewiss teurer als bei der Hausbank, aber Liquidität geht vor", sagt Haas. Den Zins legt die Plattform anhand der Risikoeinschätzung fest: "Wir können dann bestätigen oder ablehnen". Für den Firmenchef ist das nicht die erste Erfahrung mit der Crowd, und er würde es eventuell auch wieder tun.

Je nach Einstufung können die Zinsen bei den Fintechs zwischen drei und 16 Prozent variieren: deutlich höher als ein normaler Unternehmenskredit. "Adressat ist vor allem der Mittelstand mit ordentlicher Bonität, aber schon vorhandenem Ausfallrisiko", sagt Forscher Schiereck. Insgesamt sei festzustellen, dass die durchschnittliche Bonität der Kreditnehmer im Zeitablauf immer besser wurde. Allerdings fielen tatsächlich hin und wieder Kredite aus - in diesem Fall könnten die Anleger auch die ganze Summe verlieren, so der Forscher.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen