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Politik

"Der Mob in Hongkong"

Arnd Riekmann | Rahel Klein
20. August 2019

Seit Wochen gehen in Hongkong hunderttausende Menschen auf die Straßen, um gegen den wachsenden Einfluss der chinesischen Staatsführung zu demonstrieren. Im Rest Chinas trifft der Protest kaum auf Verständnis.

Hongkong Anti-Regierungsproteste
Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Thian

Wie Hongkong im Süden ist Shanghai an der Ostküste Chinas eine große Wirtschaftsmetropole. Sie gilt sogar als bedeutendste in der Volksrepublik. Mehr als 23 Millionen Menschen leben dort. Und viele Bürger Shanghais haben kein Verständnis für die Proteste im 1200 Kilometer entfernten Hongkong.

"Was soll das? Warum spielen die sich so auf?", fragt beispielsweise ein 30-jähriger Angestellter. Die Bürger Hongkongs sollten bitte "einfach arbeiten und friedlich vor sich hinleben", sagte er dem ARD-Studio Shanghai, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Der ganze Protest bringe doch nichts. So wie er sehen das vermutlich die meisten Menschen in Festlandchina.

Ängste vor Gewalt

Ein Eindruck, den auch Jose Qian hat. Der Journalist schätzt, dass 90 Prozent der Festlandchinesen eine kritische Haltung zu den Hongkong-Protesten haben. Qian lebt in Shanghai, arbeitet dort für verschiedene internationale Medien und hat sein Ohr stets am Puls der Stadt. Die Shanghaier seien sich durchaus bewusst, dass gerade etwas in Hongkong los ist.

Journalist Qian: "Nur eine Version der Geschichte"Bild: SWR

"Sie wissen wahrscheinlich nicht genau, warum es passiert, seit wann das schon so geht und welche Phasen es gegeben hat", sagte Qian der Deutschen Welle. "Wahrscheinlich wissen sie auch nicht wirklich, welche Forderungen die Demonstranten in Hongkong haben."

Und so sei das Meinungsbild in Shanghai geprägt von Ärger und Ängsten vor möglicher Gewalt in der Sonderverwaltungszone: "Ich unterstütze die Hongkonger Polizei", sagt eine Frau, die früher selbst vier Jahre in Hongkongs Finanzbranche gearbeitet hat. Seit Hongkong zu China gehört, habe sich dort wirtschaftlich viel verbessert, auch dank der Unterstützung durch Festlandchina. Das habe sie selbst erlebt. "Deshalb sage ich - ohne gerade selbst dabei zu sein: radikale Aktionen sind falsch."

Friedlicher Protestmarsch in Hongkong (am 18. August): Kritik von FestlandchinesenBild: Reuters/A. Song

Beobachter Qian sieht für Reaktionen wie diese vor allem einen Grund: die Berichte der staatlichen chinesischen Medien. Die würden zwar inzwischen die Vorgänge in der Sonderverwaltungszone Hongkong zum Thema machen, aber stets im Sinne der Regierung in Peking.

Staatliche Medien als einzige Informationsquelle

"Man kann es Propaganda nennen, man kann es eine offizielle Medienkampagne nennen. Aber es gibt hier nur eine Version der Geschichte", bestätigt Qian. Die Staatsmedien würden nicht über die Hintergründe berichten und wie alles angefangen hat, sondern den Fokus auf die Eskalation in Hongkong legen. Im Zentrum der Meldungen stehe der Ausbruch der Gewalt. Oft würden nur wenige Bilder mit gewaltbereiten Demonstranten gezeigt.

Die meisten Festlandchinesen hätten keine anderen Nachrichtenquellen als die staatlichen. Es sei deshalb nachvollziehbar, dass viele der offiziellen Pekinger Regierungslinie folgen, "dass die Hongkonger Demonstranten weitgehend gewalttätig sind, dass manche von ihnen extrem radikal sind, andere verletzen und öffentliches Eigentum beschädigen". Selbst wenn die Demonstranten in einem Atemzug mit Terrorismus genannt werden. "Da fühlen sie sich sehr mit der Regierung verbunden - sowohl mit der in Hongkong als auch mit der in Peking", so Jose Qian.

Konfrontation von Protestlern und Hongkonger Polizei (am 27. Juli): Fall von Terrorismus?Bild: Reuters/E. Su

Entsprechend die Reaktionen auf den Straßen in Shanghai: Es sei offensichtlich falsch, was die Demonstranten in Hongkong machen, sagt ein Rentner, der sich hauptsächlich durch die Fernsehnachrichten des chinesischen Staatssenders "CCTV" informiert, sowie die Sendungen von "China National Radio" hört - ebenfalls ein staatlicher Sender. Hongkong sei immer eine großartige Stadt und ein wichtiges Finanzzentrum gewesen, so der 70-Jährige. Sein Urteil über die Demonstranten fällt umso negativer aus: "Dieser Mob hat bisher nur Schlechtes angerichtet, nichts Gutes!"

Ungebrochener Widerstand

In Hongkong selbst lassen sich die Demonstranten von solchen Aussagen sowie der realen Gefahr eines chinesischen Einmarsches nicht einschüchtern. Sie wollen weiter auf die Straße gehen, auch wenn ungewiss ist, ob Hongkongs Autonomiestatus in 28 Jahren noch Bestand hat.

"Wir alle hier wissen, dass es dieses Ablaufdatum für unseren Autonomiestatus gibt", sagte ein Demonstrant der ARD. "Aber wir sollten wenigstens bis dahin für unsere Grundrechte einstehen und der Welt zeigen: Wir haben Meinungsfreiheit, wir haben Demonstrationsfreiheit und das ist auch gut so." Wenigstens bis Mitte 2047. Bis dahin - so ist es festgelegt - bleibt die kapitalistische Ordnung der ehemaligen britischen Kronkolonie noch bestehen. Wie es aber in Hongkong danach weitergeht, ist offen.

Chinas Machtspiele: Hongkong ausgeliefert?

42:35

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