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Politik

Der mutige Pastor von Kiew

Roman Goncharenko
7. November 2019

Während der Proteste in Kiew vor sechs Jahren stellte sich der deutsche Pastor Ralf Haska zwischen Demonstranten und Polizei und verhinderte Gewalt. Nun bekommt er das Bundesverdienstkreuz, aber nicht nur dafür.

Deutsche evangelisch-lutherischen St. Katharinengemeinde in Kiew
Bild: DW/K. Grischko

Der Zufall wollte es so, dass Ralf Haska sein Bundesverdienstkreuz am Freitag und damit fast am 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer erhält. Im Herbst 1989 erlebte er in Ost-Berlin die friedliche Revolution in der DDR. An diese Erfahrung appellierte Haska später während der Maidan-Proteste in der Ukraine: als deutscher Pastor der evangelisch lutherischen St. Katharinenkirche in Kiew.

"Revolution der Würde" nennen die Ukrainer ihren Volksaufstand vor sechs Jahren. Dass es so gekommen ist, dazu hat Haska sicherlich seinen Teil beigetragen. An einem Dezemberabend 2013 stellte er sich zwischen oppositionelle Protestler und Polizisten und verhinderte so Zusammenstöße. Als später die Gewalt doch eskalierte, war seine Kirche an der Luteranska-Straße unweit des Präsidialamtes Zufluchtsort und Lazarett für Verletzte. Auch Haska selbst wurde von einem Gummigeschoss leicht verletzt.

"Hohe Ehre und Anerkennung"

Für sein damaliges Engagement bekommt der Pastor an diesem Freitag das Bundesverdienstkreuz verliehen, die höchste zivile Anerkennung der Bundesrepublik. Er habe sich "intensiv für die Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz und für ihr Recht auf friedliche Proteste" eingesetzt, hieß es vorab in einer Pressemitteilung der deutschen Botschaft in Kiew, wo die Zeremonie stattfindet. Außerdem soll seine Hilfe für Menschen in der Ostukraine gewürdigt werden.

St. Katharinenkirche in Kiew: Während der Maidan-Proteste Zufluchtsort und LazarettBild: DW/K. Grischko

Mit der Auszeichnung durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Haska nicht gerechnet. "Ich war sehr überrascht, sprachlos", sagt Haska. "Es ist eine ganz hohe Ehre und die Anerkennung dessen, was getan wurde. Allerdings haben viele damals getan, was sie tun konnten und wo Gott sie hingestellt hat. Ich bin nur einer davon."

Die Kiewer Nacht, die Haska berühmt machte

Bilder aus jener Nacht am 9. Dezember 2013 in Kiew haben Haska weltberühmt gemacht. Sie zeigen ihn im Talar auf einer verschneiten Straße. Mit ausgestreckten Armen steht vor einer Reihe Polizisten in voller Kampfmontur, die offenbar bereit sind, auf Demonstranten loszuschlagen. "Als ich gesehen habe, dass sie Gesicht zu Gesicht gegenüber standen, war mir sofort klar, dass das eine gefährliche Situation ist", sagt Haska. "Da habe ich nicht groß nachgedacht und habe versucht, Luft zu schaffen und dazwischen zu gehen." Dabei habe er zu friedlichem Protest wie 1989 in der DDR aufgerufen. Sowohl in der DDR, als auch in der Ukraine hätten "viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte" für Veränderungen und Demokratie getan, so seine Bilanz. 

Pastor Haska im Dezember 2013 in Kiew: "Viele haben getan, was sie konnten"Bild: picture-alliance/dpa/S. Dolzhenko

Der Pastor verbrachte insgesamt sechs Jahre mit seiner Familie in der Ukraine und kehrte 2015 nach Deutschland zurück. Vorausgegangen war - Medienberichten zufolge - Kritik an Haska in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Anlass war folgendes Zitat aus einem Interview mit ihm: "Niemand hört oder sagt es gern, aber unter bestimmten Umständen müssen Freiheit und Frieden mit Waffengewalt verteidigt werden." Das würde er auch heute noch so sehen und sagen, so der Pastor: "Ich halte es für sehr wichtig, dass es Leuchttürme wie Mahatma Gandhi oder Albert Schweizer gibt, Menschen, die Friedfertigkeit von Grund auf gelebt haben. Aber manchmal ist es leider so, dass man sich gegen Tyrannen und Boshaftigkeit dieser Welt verteidigen muss."

Hilfstransporte für den Donbass

Den Kontakt zur Ukraine hat Haska seit seiner Rückkehr behalten. Er lebt heute in Bayern, schreibt für das Internetportal "Ukraine verstehen". Zudem organisiert er Hilfstransporte in die vom Krieg gezeichneten Regionen im ostukrainischen Kohlerevier Donbass - zuletzt, um ein Schulinternat für chronisch kranke Kinder im Gebiet Luhansk mit Medikamenten und Schuhen zu versorgen.

Über die jüngsten politischen Entwicklungen in der Ukraine äußert sich Haska diplomatisch. Er sei "zwiegespalten" und habe Verständnis sowohl für die diejenigen früheren Maidan-Kämpfer, die vor zu vielen Zugeständnissen des neuen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gegenüber Russland warnen, als auch für seine zahlreichen Anhänger. Haskas Botschaft: "Man muss Selenskyj eine Chance geben und immer wieder die Wege des Friedens beschreiten, die auch wehtun."

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