1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteAfrika

Der Nahost-Konflikt und die Folgen für Afrika: Ein Überblick

Martina Schwikowski
26. Juni 2025

Die Auswirkungen des Nahost-Konflikts treffen Afrika laut Experten eher indirekt: Die größte Gefahr droht am Horn von Afrika, falls sich Iran und Huthi-Rebellen noch stärker zusammenschließen.

Ägypten Kairo 2025 | Flüchtlinge aus Sudan warten in einem Hilfslager in Kairo auf ihre Rückkehr in die Heimat
Die humanitäre Krise am Horn von Afrika könnte sich durch Irans Unterstützung der Huthi-Milizen ausweitenBild: Mohamed Elshahed/Anadolu/picture alliance

Durch den Israel-Iran-Konflikt in Nahen Osten droht eine zunehmende Instabilität in der Region; diese Entwicklung könnte auch Folgen für die Länder auf dem afrikanischen Kontinent haben.

Die größte Gefahr sieht Henrik Maihack, Leiter des Afrika-Referats bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, für das Horn von Afrika. Sollte sich der Krieg mit Iran erneut zuspitzen, "wäre eine Gefahr, dass sich damit auch die verschiedenen, miteinander zusammenhängenden Kriege um das Rote Meer ausweiten", sagt er der DW.

Krise in Ostafrika droht sich zu verstärken

"Das liegt daran, dass der Iran mit den Huthi-Rebellen im Jemen zusammenarbeitet, die wiederum auch mit der Al-Shabab-Miliz in Somalia kooperieren. Daraus könnte sich eine weitere Gefährdungslage für das Horn von Afrika ergeben - eine Region, die in der tiefsten Krise seit fast 30 Jahren steckt, mit Kriegen in Somalia, Sudan, Süd-Sudan, und es ist keine Lösung in Sicht."

Sudans Hungerkrise könnte sich durch die Spannungen der Kriegsparteien m Nahen Osten und die Verbündeten Milizen am Horn von Afrika verstärkenBild: AFP

Umso wichtiger wäre es laut Maihack, dass sich Deutschland und Europa nicht nur im Nahen Osten verstärkt engagierten, sondern auch in der Region des Horns von Afrika. Nicht nur die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine müssten im Fokus stehen, sondern auch der südliche Nachbarkontinent, wo derzeit von Westafrika bis Ostafrika Krieg und Konflikte "eher zu- als abnehmen" - mit Auswirkungen auf Europa.

"In einer Situation, wo die außenpolitische Aufmerksamkeit und die Ressourcen für humanitäre und Entwicklungszusammenarbeit kleiner werden, fürchten viele Länder in Afrika, weiter aus dem Blickfeld von westlicher Unterstützung zu geraten", so Maihack. Er warnt vor "schlimmen Konsequenzen" für Afrika.

Die Kooperation zwischen der militärischen Huthi-Gruppe, die vom Iran unterstützt wird, und den Al-Shabab-Terrormilizen in Somalia habe sich verstärkt, sagt Guido Lanfranchi vom Clingendael Institut für Internationale Beziehungen in den Niederlanden.

"Die Aufrechterhaltung dieser Verbindungen scheint im Interesse beider Gruppen zu liegen, so dass die Beziehungen unabhängig von den Entwicklungen im Nahen Osten fortgesetzt werden können." Es bleibe jedoch abzuwarten, inwieweit der Iran in der Lage sein werde, den Huthis Unterstützung zukommen zu lassen, so Lanfranchi, Konfliktexperte für die Horn-Region, zur DW.

Horn von Afrika hat strategische Bedeutung für Israel und Iran

Sowohl Iran als auch Israel hätten ihre Beziehungen in der Region Horn von Afrika und Rotes Meer gepflegt, die für beide Akteure eine geostrategische Bedeutung hat, hebt Lanfranchi hervor. Zum Beispiel habe Iran erst kürzlich an die sudanesischen Streitkräfte (SAF) Waffen geliefert.

"Auf der anderen Seite unterhält Israel enge Beziehungen zu Äthiopien, allein in den letzten Monaten gab es mehrere Treffen auf Ministerebene zwischen beiden Seiten." Israels Rolle im Sudan sei nicht ganz klar, sagt der Experte. Er konstatiert aber, dass das Land vor Ausbruch der Kämpfe im April 2023 mit beiden heutigen Konfliktparteien - den SAF und den Kämpfern der RSF (Rapid Support Forces) - Beziehungen pflegte.

Handelswege am Roten Meer - hier in Dschibuti - sind durch den Krieg im Nahen Osten bedroht, falls sich die Lage zuspitztBild: Solomon Muchie/DW

Experten warnen davor, dass die Auswirkungen des Krieges im Nahen Osten auf dem gesamten Kontinent zu spüren sein könnten - und sagen potenzielle Störungen des Handels, eine zunehmende Instabilität der Märkte und einen wachsenden wirtschaftlichen Druck voraus.

Nach Ansicht von Romane Dideberg, einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin im Afrika-Programm der Londoner Denkfabrik Chatham House, werden die "Turbulenzen, die wir derzeit im Nahen Osten erleben, vor allem indirekte geopolitische Auswirkungen auf Afrika haben".

Iran und Israel hätten beide nur begrenzten wirtschaftlichen, diplomatischen und strategischen Einfluss in Afrika, so Dideberg im DW-Gespräch: "Beide Länder haben nur sehr wenig in Afrika investiert und verfügen nicht wirklich über eine Afrika-Strategie wie ähnliche Akteure in der Region."

Die Energiepreise könnten dennoch erneut in die Höhe schießen, schätzt Dideberg. Und auch die Tatsache, dass die politische und militärische Aufmerksamkeit nun auf einer einer anderen Front ruhe, könnte Folgen haben: "Das könnte einige Sicherheitslücken auf dem Kontinent schaffen."

Katars Vermittlerrolle im Kongo geschwächt

Allerdings sieht sie eine deutliche Folge des Konflikts in Afrika: "Katar hat in den letzten Jahren eine sehr aktive Rolle bei der Vermittlung in verschiedenen afrikanischen Ländern gespielt und war zuletzt federführend bei den regionalen Vermittlungsbemühungen zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo", so die Expertin.

Nach dem Angriff eines US-Luftwaffenstützpunkts in Katar durch Iran könnten nun aber weitere Bedrohungen für das Land folgen: "Wenn sie also direkt angegriffen werden, könnte das ihre Rolle schmälern. Sie bieten diese stille Diplomatie und Unterstützung im Hintergrund, während alle anderen diplomatischen Kanäle versagt haben."

Durch Vermittlungen des Emir von Katar (Mitte) gelang ein Treffen zwischen Ruandas Präsident Paul Kagame (links) und DRK-Präsident Felix Tshisekedi (rechts) im März 2025Bild: MOFA QATAR/AFP

So gelang es Katar laut Dideberg Anfang dieses Jahres, zwei politische Schwergewichte, Ruandas Präsident Paul Kagame und Felix Tshisekedi, Präsident der DRK, an den Verhandlungstisch zu bringen, nachdem sich die beiden Führer monatelang aus dem Weg gegangen waren.

Dieser absehbare Mangel an Vermittlungsunterstützung zu einem für die DRK kritischen Zeitpunkt könnte eine der Auswirkungen der derzeitigen Eskalation zwischen Israel und Iran sein. Aber Dideberg sieht hier ohnehin zuletzt die USA in einer Führungsrolle bei der Vermittlung, so dass abzuwarten bleibe, ob diese Auswirkungen so stark sein werden.

Iran in Westafrika auf dem Rückzug

Was den Dschihadismus in Westafrika betrifft, sieht Dideberg keine direkten Verbindungen zu den Stellvertretern des Iran, da sie ideologisch nicht auf einer Linie seien. Aber sie könnten in ihren Rekrutierungsbemühungen bestärkt werden, da die Ereignisse in Palästina und Gaza ihnen Argumente und Legitimität lieferten, und dies könnte ihre Ziele unterstützen, dem westlichen Imperialismus entgegenzuwirken.

Die Sahelländer Mali, Niger und Burkina Faso (hier rechts die Militärführer der drei Länder im Bild) gründeten eigene eigene AllianzBild: Mahamadou Hamidou/REUTERS

Dennoch galt der Iran in Westafrika bislang als Unterstützer in anderer Hinsicht: Der Iran habe in den vergangenen Jahren viel vor allem im Sahel investiert, sagt Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali. Iran habe versucht, sich als Alternative zu den europäischen Partnern wie Frankreich anzubieten, von denen sich die Militärregierungen in Westafrika abwendeten. "Zum Beispiel wurde ein Abkommen abgeschlossen mit Niger, da geht es offiziell um Energiezusammenarbeit", sagt Laessing der DW.

Er gehe davon aus, dass Iran Drohnen an Niger verkauft und sich einen Zugang zu Uran im Land sichern wollte. Aber: "Der Iran wird jetzt weniger Kapazitäten und Geld haben und sich stärker aus Westafrika zurückziehen." Die vom Militär regierten Sahelländer würden also weniger Unterstützung bekommen, zum Beispiel bei Drohnenkäufen, als bisher erhofft.

Die Sorge um steigende Ölpreise ist auch in den westafrikanischen Ländern laut den Experten groß. Das ergibt sich daraus, dass viele dieser Länder von Importen abhängen, sagt Laessing. Er geht infolge dessen von steigenden Lebensmittelpreisen und mehr Armut aus.