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Vor dem Jungfernflug

Sven Ahnert14. Juni 2013

Mehr als zehn Milliarden Euro hat das neue europäische Spitzenflugzeug schon verschlungen. Aus den Pannen bei Boeings "Dreamliner" hat man gelernt. Nun absolvierte A 350 erfolgreich seinen Erstflug.

Der neue Airbus A 350 landet nach erfolgreich absolviertem Testflug vor den Augen etlicher Zuschauer (Foto: EPA/GUILLAUME HORCAJUELO)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Testflug ist gelungen, langsam fügen sich die Teile zu einem sinnvollen Ganzen zusammen: 2006 fiel der Startschuss für den Bau des neuen Langstreckenflugzeuges A 350, das neue Prestigeobjekt der EADS-Tochter Airbus. A 350 ist das Ergebnis ausgeklügelten, multinationalen Teamworks. Rund 2000 europäische Flugzeugdesigner haben seither das sparsame, leichte und technologisch ausgereifte Verkehrsflugzeug entwickelt, das in drei Versionen zwischen 250 und 400 Passagieren Platz bieten wird und 2014 den Flugbetrieb aufnehmen soll. Über 30 Fluggesellschaften- und Leasingfirmen haben bisher 613 Maschinen in allen drei Versionen bestellt.

Qatar Airways ist der erste Kunde und wird voraussichtlich im Sommer 2014 das erste von 80 bestellten Flugzeugen am Airbus-Stammsitz in Toulouse übernehmen. Schätzungsweise zehn Milliarden Euro wurden bisher in das logistisch äußerst komplexe Flugzeugprojekt investiert, das für den boomenden Langstreckenmarkt konzipiert ist.

Europäisches Puzzle

Nach Marktanalysen wird das Volumen für die nächsten zwanzig Jahre auf mehr als 6000 Maschinen taxiert. Airbus hofft auf einen Marktanteil, der weit über 50 Prozent liegt und macht sich auch berechtigte Hoffnungen, dem ewigen Konkurrenten aus Seattle davonzufliegen. Zwischen 250 und 330 Millionen US-Dollar kosten die neuen Hightech-Flugzeuge von Airbus, die sechs Prozent weniger Sprit verbrauchen als der konkurrierende "Dreamliner" von Boeing.

Ein Flugzeug nimmt Konturen an: vordere Sektion eines A350-RumpfesBild: Airbus

Europäischer Flugzeugbau à la Airbus ist immer auch ein logistisches Puzzlespiel mit Bauteilen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien. Aus dem spanischen Getafe kommen zum Beispiel die Höhenleitwerke, aus England die Flügel. In Hamburg und Stade werden die vordere und hintere Rumpfsektion gefertigt, die mit dem walförmigen Transportflugzeug namens "Beluga" zur Endmontage ins Airbus-Werk Toulouse geflogen werden. Hier sollen, so die Produktion ab 2014 störungsfrei hochgefahren wird, bis zu zehn Flugzeuge im Monat die Montagehalle verlassen.

Digital Mock-up

Das Wort "revolutionär" wird zwar bei Airbus vermieden, aber der A 350 soll nach jetzigem Stand der Technik das modernste Langstreckenflugzeug der Welt werden, das zur Hälfte aus Verbundwerkstoffen besteht. Neben diesem modernen Leichtbaumaterial sollen neue Triebwerke, eine verbesserte Aerodynamik und ein gehobener Kabinenkomfort dem Jet entscheidende Wettbewerbsvorteile bringen.

Blick in die Montagehalle: das Heck eines A350Bild: Airbus

Tausende Mitarbeiter, verteilt auf gut 90 weltweit verstreute Firmen, arbeiten an dem neuen Flugzeug, von dem derzeit fünf Testexemplare im Bau sind. Mithilfe eines "Digital Mock-up", eines digitalen Rechenmodelles, das alle aktuellen Details in der Konstruktions- und Erprobungsphase des A 350 dokumentiert und anzeigt, können alle beteiligten Akteure und Zulieferer online sehen, wo noch im Detail gearbeitet werden muss: Welche Kabel noch fehlen, ob die Batterien nicht überhitzen oder wie es um die Passgenauigkeit der Teile bestellt ist. Das könnte helfen, ähnlich gravierende Probleme wie beim "Dreamliner" zu vermeiden, bzw. rechtzeitig zu erkennen. Als Reaktion auf die Batterie-Probleme bei Boeings "Dreamliner" verzichtet Airbus beim A 350 nun auf den Einbau der umstrittenen Lithium-Ionen-Batterien und wird mit herkömmlichen Akkus an den Start gehen.

Neue Produktionsmaßstäbe

In nagelneuen Produktionshallen in Toulouse und Hamburg werden nach Anlauf der Produktion mehr als 3000 Mitarbeiter den A 350 fertigen und nach einem gestrafften, zeitoptimierten Produktionsplan die Module zu einem passgenauen "Kunststoffflugzeug" zusammensetzen, das nicht nur helfen soll, die Betriebskosten zu senken, sondern auch erhöhten Flugkomfort verspricht. In der neuen Hamburger Montagehalle für den A 350 wird nach dem Konzept des Lean Management gearbeitet. Keine Bauteile liegen ungenutzt herum, die ganze Halle wirkt blitzsauber wie in einem Halbleiterwerk.

Schon fertig lackiert für den Testflieger: ein Seitenleitwerk des A350Bild: Airbus

Bis zu 30 Prozent Zeitersparnis verspricht die neue Produktionsweise, die den Struktur- und Innenausbau auf einzelne Bau-Module verteilt, die dann in die vorgefertigte Rumpfzelle eingefahren und dort verbunden werden. Auch optisch soll alles im Werk nach Hightech-Arbeit aussehen. Weiße Schutzkleidung wird dann den klassischen Blaumann ablösen, der Kabel- und Innenausbau erfolgt in Brusthöhe auf Aluminiumgestellen. Auch den über Kopf Kabel verlegenden Flugzeugbauer wird man hier demnächst nicht mehr sehen.

Sparsam und bequem

Was den Passagierkomfort angeht, unterscheiden sich Boeings "Dreamliner" und der A 350 nur minimal. Eine angenehmere Kabinenluft, wesentlich breitere Sitze, eine Tag- und Nachtphasen begleitende Kabinenlichtgestaltung sowie größere Fenster gehören zu den Standardmerkmalen beider Langstreckenflugzeuge. Wenn der erste A 350 ab Herbst 2014 seinen regulären Flugbetrieb aufnehmen wird, sind bereits um die einhundert "Dreamliner" der Konkurrenz aus Seattle in Dienst - vorausgesetzt, die Pannenserie hat ein Ende. Dann muss sich zeigen, welcher der beiden modernsten Langstrecken-Jets den optimalen Mix aus Sparsamkeit, Sicherheit und Komfort  bieten wird. Der Wettbewerb ist eröffnet.

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