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Alternativer Nobelpreis

Die Fragen stellte Jabeen Bhatti8. Dezember 2006

Die Right Livelihood Foundation verleiht an diesem Freitag in Stockholm ihren Alternativen Nobelpreis. DW-WORLD.DE sprach mit dem Stiftungsgründer Jakob von Uexkull über den Preis und darüber, was er bewirken soll.

Jakob von Uexkull stiftete den Preis 1980. (AP Photo/Jonas Ekstromer)
Jakob von Uexkull stiftete den Preis 1980Bild: AP

Der Alternative Nobelpreis, offiziell Right Livelihood Award, wird an Personen und Organisationen verliehen, die beispielhafte Lösungen auf die dringlichsten Herausforderungen der Menschheit anbieten. Die renommierte Auszeichnung wird seit 1980 vergeben. Zu den bisherigen Preisträgern zählt unter anderem der brasilianische Theologe Leonardo Boff. In diesem Jahr wird die indische Rechtsanwältin Ruth Manorama für ihr Engagement für die sozial diskriminierte Gruppe der Dalits gewürdigt, der amerikanische Friedensaktivist Daniel Ellsberg für sein Eintreten zur Beendigung des Vietnamkriegs. Außerdem erhalten der Mitbegründer des Weltsozialforums, Chico Whitaker, sowie die Organisatoren des Internationalen Lyrik-Festivals von Medellin den Alternativen Nobelpreis. Die mit insgesamt 215.000 Euro dotierte Auszeichnung wird ihnen an diesem Freitag (8.12.2006) in Stockholm von Jakob von Uexkull, dem Stifter des Preises, überreicht. DW-WORLD.DE hat mit ihm gesprochen.

DW-WORLD.DE: Wie ist diese Auszeichnung entstanden?

Jakob von Uexkull: Ich bin in einer politisch aufmerksamen Familie aufgewachsen, später bin ich als freier Journalist viel gereist. So habe ich eine Menge Probleme auf der ganzen Welt gesehen. Ich habe aber auch gesehen, dass Menschen, die Lösungen für diese Probleme gesucht haben, nicht immer ernst genommen wurden. Wenn du den Nobelpreis bekommst, wirst du ernst genommen. Ich denke, die Nobelpreise sind ziemlich begrenzt. Da gibt es die Einstellung, dass die meisten Probleme durch die westliche Wissenschaft und den technologischen Fortschritt gelöst werden können. Ich wollte diese Auffassung in Frage stellen, weil ich glaube, dass dies nicht im Geiste von Alfred Nobel ist. Er wollte diejenigen auszeichnen, die der Menschheit am meisten nutzen und deren Arbeit relevant für die Zukunft ist. Aber Nobel war der Erfinder von Dynamit, ich war nur ein Briefmarkenhändler. Also bin ich an das Nobel-Komitee herangetreten und habe vorgeschlagen, einen Preis für Ökologie und für Armutsbekämpfung einzurichten. Mein Vorschlag wurde sofort abgelehnt. Also startete ich mit meinem eigenen Preis.

Wie haben Sie angefangen?

Als ich klein war, nahm mir mein pazifistischer Vater meine Spielzeugwaffen weg und gab mir dafür Briefmarken. Ich tauchte durch und durch in diese faszinierende Welt ein und begann zu sammeln. Ich verkaufte dann meine Sammlung und stiftete mit dem Erlös (740.000 Euro) den Preis. Ich halte immer noch Kontakt zu dieser Welt, es gibt da immer wieder gute Gelegenheiten, Spenden zu bekommen. Neulich, bei einem Berliner Benefizkonzert für uns, spendete ein Mann seine Briefmarkensammlung, die über 10.000 Euro wert ist.

Was haben Sie damals gehofft, würde der Alternative Nobelpreis bewirken?

Ruth Manorama (in grün)aus Indien gewann dieses JahrBild: picture-alliance/ dpa

Ich wollte eine Debatte darüber lostreten, was für uns die größte Priorität hat, welche Arbeit den größten Nutzen für die Menschheit hat, was in diesem Sinne Courage ist. Ich wollte, dass diejenigen ausgezeichnet würden, die nicht nur riskieren, ins Gefängnis zu gehen, sondern deren Arbeit auf vielen Ebenen und über Grenzen hinaus etwas bewegt. Und ich wollte, dass deren Lösungen für verschiedene Probleme bekannter gemacht und nachgeahmt werden würden.

Wie schätzen andere diese Auszeichnung ein?

Viele andere in hohen Positionen, auch Nobelpreisträger und Mitglieder der Nobel-Familie stehen dem Nobelpreis in seiner Begrenztheit sehr kritisch gegenüber. Ein Preisträger sagte mir gerade, dass mein Preis mehr dem Geiste Alfred Nobels entsprechen würde, und dass die Nobelpreise im Geiste des letzten Jahrhunderts seien, meine Preise dagegen im Geist des neuen Jahrhunderts. Beispielsweise ist der Nobelpreis für Wirtschaft ziemlich ideologisch. Er könnte die fortschrittlichsten Anstöße in der Wirtschaft ehren, aber [das Nobel-Komitee] zeichnet leider grundsätzlich keine Arbeit aus, die sich mit nachhaltiger Ökonomie beschäftigt. Einige sehr hochrangige Leute haben sich für einen Umwelt-Nobelpreis eingesetzt, was aber bis jetzt abgelehnt wurde. Interessanterweise gibt es jetzt das Gefühl, dass man mit dem Friedensnobelpreis, der in letzter Zeit ziemlich flexibel gehandhabt wurde, zu weit gegangen ist. Aber ich denke, es ist eine gute Tendenz, dass nicht nur diejenigen ausgezeichnet werden, deren Arbeit Armeen reduziert.

Wer wird mit Ihrem Preis ausgezeichnet?

Jakob von Uexkull verkündet die GewinnerBild: AP

Es gibt jedes Jahr über einhundert Nominierungen und die Hälfte hätte den Preis wirklich verdient. Wir zeichnen Menschen aus, deren Arbeit noch anhält. Keine 'Grassroots'-Aktivisten an der Basis, sondern die, deren Arbeit bereits von internationaler Bedeutung ist, die aber weitgehend unbekannt sind und von den Medien ignoriert werden. [Der Preise gehen an diejenigen,] denen also diese Auszeichnung für ihre weitere Arbeit wirklich nützt. Wir ehren Menschen, deren Arbeit ein wirkliches Beispiel für andere ist.

Wie beeinflusst der Preis deren Arbeit?

In allen Fällen, die ich gesehen habe, hilft er ihnen weit mehr, als dass sie nur einen Scheck und eine Urkunde bekommen. Meistens öffnet er ihnen Türen, sie bekommen Öffentlichkeit und Anerkennung. Das ist oft mehr wert als das Preisgeld. Darum vergeben wir auch einen Ehrenpreis an diejenigen, die keine finanzielle Unterstützung brauchen. Ob er Aktivisten hilft, aus dem Gefängnis zu kommen? Nein, nicht notwendigerweise. In Nigeria beispielsweise hat die Auszeichnung den Aktivisten Ken Saro-Wiwa nicht vor der Exekution bewahrt, obwohl sein Zellengenosse gesagt hat, die Auszeichnung hätte einige der befreundeten Aktivisten vor dem Tod gerettet. Aber in Lateinamerika hat der Preis dazu geführt, dass der Marxist Manfred Max-Neef in Chile einige Tage später aus dem Gefängnis entlassen wurde - wegen der Masse an Aufmerksamkeit und Briefen. Und in Guatemala wurde Helen Mack, die für die gerechte Strafe des Mörders ihrer Schwester kämpfte, nach der Auszeichnung vom Polizeichef als "unantastbar" bezeichnet.

Haben Sie Hoffnung, dass die Bemühungen wirklich etwas bewegen können?

Chico Whitaker Ferreira aus Brasilien ist einer der PreisträgerBild: picture-alliance/ dpa

Ich bin immer voller Hoffnung, auch wenn ich nicht optimistisch bin. Der Zustand der Welt ist schlechter als 1980, als ich angefangen habe. Für mich meint Hoffnung nur, dass Lösungen existieren - ob wir sie umsetzen, ist eine andere Sache. Wir machen es mit jedem Tag, den wir es hinauszögern, schwieriger. Wenn wir die richtige politische Führung haben, brauchen wir keine zehn Jahre für einen Wechsel, sondern nur ein paar Monate.

Ein Problem ist, dass die Zukunft keine Organisation hat, die für sie spricht. Es ist einer unserer Grundwerte, dass wir die Erde besser verlassen wollen als wir sie vorgefunden haben. Dieser Wert wird aber von keiner Organisation vertreten. Das gab es aber in der Vergangenheit. Die Tamilen im vorkolonialen Indien hatten beispielsweise einen Rat der Weisen, der für die Bedürfnisse zukünftiger Generationen eintrat und wirklichen Einfluss hatte. Wenn ich die Arbeit von Menschen sehe, die wir auszeichnen, wirkliche Pioniere, bin ich hoffnungsvoll.

Jakob von Uexkull wurde in Uppsala, Schweden, geboren. Er studierte in Schweden und Deutschland, bevor er an der Universität von Oxford den Magister in Politik, Philosophie und Ökonomie ablegte. Seitdem arbeitete er als Schriftsteller, Lektor, Philatelist sowie als Abgeordneter für die Grünen im Europäischen Parlament. Er hat zuletzt die Einrichtung eines Weltzukunftsrates vorgeschlagen, der die Interessen zukünftiger Generationen vertreten soll.

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