1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

10 Fragen, 10 Antworten zu Nordkorea

Maximiliane Koschyk | Matthias von Hein | Rodion Ebbighausen | Mikhail Bushuev | Martin Muno
3. September 2017

Die Provokationen reißen nicht ab. Die Zahl der Raketentests steigt. Die Sorge um einen Konflikt mit Nordkorea ist groß und die Lage nicht immer ganz klar. Ein Überblick.

Nordkorea Militärparade
Bild: Getty Images/AFP/E. Jones

Die letzte kommunistische Erbdiktatur der Welt beschäftigt derzeit die internationale Politik sehr intensiv. Nordkorea ist der obere, nördliche Teil der Koreanischen Halbinsel, die an China und für ein paar wenige Kilometer auch an Russland grenzt. Die untere Grenze wird durch die "Demilitarisierte Zone" (DMZ) bestimmt. Der rund 250 Kilometer lange und fast vier Kilometer breite Grenzstreifen trennt die beiden Staaten Nord- und Südkorea seit dem Koreakrieg in den 1950er Jahren. Danach hatte sich das Land sowohl von seinen verfeindeten Nachbarn, als auch vom Rest der Welt kontinuierlich abgeschottet.

Was hat der Korea-Krieg mit dem heutigen Konflikt zu tun?

Der Korea-Krieg von 1950 bis 1953 ist im kollektiven Bewusstsein der Nordkoreaner allgegenwärtig -auch weil die Erinnerung an ihn mit großem Aufwand wachgehalten wird. Nordkoreas Propaganda gegen die USA ist so wirksam, weil der Korea-Krieg von den Alliierten ohne Rücksicht auf Zivillisten geführt wurde: In nur drei Kriegsjahren bombardierten die USA Nordkorea kontinuierlich, ein Fünftel der Menschen starben. Der Oberkommandierende der Alliierten Streitkräfte, US-General Douglas MacArthur schlug damals sogar den Einsatz von "30 bis 50 Atombomben" vor - das war dem damaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower aber zu drastisch. Der Krieg prägt die Menschen bis heute auch, weil er nicht wirklich beendet ist. Vor 64 Jahren hat ein Waffenstillstand den Konflikt lediglich eingefroren. 30.000 US-Soldaten in Südkorea und deren regelmäßige Manöver mit südkoreanischen Truppen sorgen in dem isolierten Land für ein Gefühl permanenter Bedrohung.

Wie geht es den Menschen in Nordkorea?

Menschen in Nordkorea bei der FeldarbeitBild: picture alliance/Yonhap

Die jahrelange Abschottung hat Nordkorea wirtschaftlich stark beeinträchtigt. Darunter leidet die Bevölkerung bis heute. Mitte der Neunziger Jahre starben bei einer der schlimmsten Hungersnöte des Landes schätzungsweise 300.000 Menschen. Berichten der Vereinten Nationen zufolge ist immer noch über ein Drittel der Menschen chronisch unterernährt, die sanitäre und medizinische Versorgung im Land ist mangelhaft. Ein raues und extremes Klima mit Überschwemmungen und Dürreperioden erschweren die landwirtschaftliche Selbstversorgung. Das Land ist auf Importe angewiesen. Aufgrund der angespannten außenpolitischen Lage und strengen Sanktionen handelt aber Nordkorea nur mit wenigen Partnern, etwa China oder dem Iran. Internationale Hilfsorganisationen versuchen, Konvois mit Hilfsgütern ins Land zu bringen. Aktuell unterstützt die Welthungerhilfe Nordkorea mit mehr als zwei Millionen Euro.

Reagiert das Regime von Kim Jong Un wirklich irrational?

Ohne Frage ist der gerade mal 33 Jahre alte Kim Jong Un ein gewissenloser Gewaltherrscher, der die einzige kommunistische Erbdiktatur der Welt um jeden Preis an der Macht halten will. Aber: Kim ist nicht "der Irre von Pjöngjang". Innerhalb seines Systems handelt der seit sechs Jahren herrschende Kim zwar rücksichtslos, aber strategisch. Kim festigte seine Macht in Staat, Partei und Armee, potentielle Rivalen wie sein Halbbruder oder Onkel Jang Song Thaek wurden beseitigt. Sein Atom- und Raketenkurs ist rational und konsequent, wenn das oberste Ziel der Systemerhalt ist: Kim braucht sie nicht als Angriffswaffen, er will die ultimative Abschreckung - und Gespräche mit den USA auf Augenhöhe, von Atommacht zu Atommacht.

Machthaber Kim Jong Un will das Raketenprogramm Nordkoreas ausbauenBild: picture-alliance/dpa/KCNA

Wie bewertet Nachbar Südkorea die Lage?

Die südkoreanische Verfassung von 1987 schreibt die friedliche Wiedervereinigung basierend auf Freiheit und Demokratie fest. Doch weder die sogenannte "Sonnenscheinpolitik" Kim Dae Jungs zu Beginn des neuen Jahrtausends, noch die härtere Gangart seiner Vorgänger hat irgendwelche nennenswerten Erfolge bei der Annäherung erzielt. Nach den innenpolitischen Turbulenzen Südkoreas ist Moon Jae In im Mai 2017 zum neuen Präsidenten gewählt worden. Er setzt sich für eine Verständigung mit Nordkorea ein und hat eine größere Distanz zu den Vereinigten Staaten angekündigt. Nordkorea hat auf Gesprächsangebote von Seiten des Südens bisher nicht reagiert. Die volatile Koreapolitik der USA erschwert die Arbeit des Präsidenten zusätzlich. Moon scheint immer häufiger bemüht, dass sein Land nicht zur politischen Geisel eines internationalen Konflikts wird.

Wie würde ein militärischer Konflikt verlaufen?

Hinter den beiden hochgerüsteten Koreas stehen die einstigen Bündnispartner des Koreakriegs, die selbst Rivalen sind: Hinter dem Norden die Volksrepublik China, hinter dem Süden die USA. In einen Konflikt wären vermutlich Japan, Russland und mit der NATO auch Deutschland verstrickt. Sollte es zu einem Krieg zwischen Nord- und Südkorea kommen, wäre in kürzester Zeit mit Millionen Toten zu rechnen, und zwar ohne den Einsatz von Atomwaffen. Südkoreas Hauptstadt Seoul mit ihren rund zehn Millionen Einwohnern liegt nur 60 Kilometer von der Nordkoreanischen Grenze entfernt. Sie ist damit in Reichweite von tausenden nordkoreanischen Artilleriegeschützen. Nordkorea hatte Jahrzehnte Zeit, seine militärischen Einrichtungen einzugraben und zu schützen. Selbst die Militärmacht der USA wäre nicht in der Lage, alle Geschütze rechtzeitig auszuschalten. Kim verfügt neben Atomwaffen auch über tonnenweise chemische und biologische Kampfstoffe. Langfristig könnte Nordkorea einen Krieg zwar nicht gewinnen, aber die gesamte koreanische Halbinsel läge im Falle eines Krieges buchstäblich in Schutt und Asche.

Bis heute trennt die vier Kilometer breite Demilitarisierte Zone (DMZ) Nord- und SüdkoreaBild: picture-alliance/D. Kalker

Wie hat Donald Trump die US-Politik zu Nordkorea verändert?

Mit dem Anfang des Jahres vereidigten US-Präsidenten Donald Trump hat die US-amerikanische Nordkorea-Politik eine deutliche Wende erlebt. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit sorgte der Fall des US-Studenten Otto Warmbier für große Aufregung. Der junge Mann wies nach seiner Rückkehr aus der nordkoreanischen Haft Spuren körperlicher Misshandlung auf und starb nur wenige Tage nach seiner Ankunft in den USA. Auf die jüngsten Provokationen reagierte US-Präsident Trump nicht weniger ungehalten: Mit „Feuer und Wut" werde man reagieren, sollte Nordkorea seine Raketentests weiter fortführen, schäumte der US-Präsident und bediente sich dabei einer ähnlichen Rhetorik wie Kim Jong-Un. Nach internationalen Aufrufen zur Mäßigung beruhigten sich beide Seiten. Doch nur wenige Tage später führten die USA gegen den Protest Nordkoreas ihr jährliches Militärmanöver mit Südkorea durch.

Warum zögert China, Druck auf Nordkorea auszuüben?

Der  Westen erwartet von China, dass das Land seine Sanktionen gegen Nordkorea verschärft. Dabei geht es vor allem um Erdöllieferungen. Die chinesische Regierung lehnt das ab und liefert deshalb weiter Öl und Nahrungsmittel nach Nordkorea, als "humanitäre Hilfe" deklariert. Sie hält sich inzwischen aber an die bisher beschlossenen UN-Sanktionen, die unter anderem die Lieferung von Kohle verbieten. Insgesamt ist unklar, wie viel Einfluss China auf Nordkorea hat. Wiederholt hat Nordkorea trotz eindringlicher Warnungen aus Peking Atomtests durchgeführt. China fürchtet einen Regimewechsel in Nordkorea, vor allem, wenn dies mit einer Wiedervereinigung mit Südkorea verbunden wäre. Denn damit würde die koreanische Halbinsel vollständig in die Einflusszone der USA fallen und US-amerikanische Soldaten stünden direkt an der Grenze zu China - ein Alptraum für die Führung in Peking.

Ist Russland mehr als nur ein stiller Beobachter?

In Moskau sieht man ein, dass die Starts von ballistischen Raketen eine "ernsthafte Bedrohung für die Schifffahrt und den Luftverkehr in der Region" darstellen und Zivilisten gefährden. Russland hat schließlich auch eine 17 Kilometer lange Grenze mit Nordkorea. Andererseits warnt Russland zugleich die USA vor militärischen Aktionen und will eine nicht militärische Lösung der Probleme auf der koreanischen Halbinsel herbeiführen. Der Kreml ist dennoch zurückhaltend, was Sanktionen gegen Nordkorea angeht, hat aber im Einklang mit den UN-Resolutionen alle wichtigen Wirtschaftsprojekte mit Pjöngjang ausgesetzt. Trotzdem ist man in Moskau bereit, dem Regime in Nordkorea nach Möglichkeit den Rücken zu stärken. Ende August bot erstmals ein russisches Reisebüro Touren nach Nordkorea an. Dazu liefen im Morgenprogramm des russischen Fernsehens eine ganze Woche lang Reportagen, die die Schönheit von Nordkorea priesen.

Was machen die Vereinten Nationen?

Erst im vergangenen Jahr haben die Vereinten Nationen eine umfassende Strategie für ihre zukünftige Zusammenarbeit mit Nordkorea in den nächsten fünf Jahren vorgestellt: In enger Kooperation mit der Kim-Regierung möchte man das Land an die Entwicklungsziele der UN heranführen und bei seinem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt unterstützen. Tatsächlich ist das Verhältnis des internationalen Völkerbunds zu dem Regime seit den jüngsten Provokationen sehr angespannt. Erst Anfang August einigte der Weltsicherheitsrat sich auf eine UN-Resolution, in der die bislang schärfsten Sanktionen gegen Nordkorea verabschiedet wurden. Dem Land wurden zum einen Ausfuhrverbote für Kohle, Eisen, aber auch Fisch und Meeresfrüchte erteilt und somit Exporteinnahmen im Wert von rund einer Milliarde US-Dollar entzogen. Außerdem wurden mehrere Organisationen auf eine schwarze Liste der UN gesetzt, unter anderem Nordkoreas Devisenbank.

Welche Chancen hat Diplomatie?

Diplomatie mit Nordkorea ist eine Herausforderung für sich. Schon bei den sogenannten Sechs-Parteien-Gesprächen hat sich Nordkorea als Meister darin gezeigt, seine Verhandlungspartner zum eigenen Vorteil gegeneinander auszuspielen. Mit China, Russland, den USA, Südkorea und Japan verhandelte es sechs Jahre lang über eine Einstellung seines Atomprogramms. Angesichts der derzeitigen Lage diskutieren Experten über einen doppelten "Freeze." Dafür würde Nordkorea sein Atom- und Raketenprogramm auf dem aktuellen Stand einfrieren; umgekehrt verzichten die USA und Südkorea auf gemeinsame Manöver. Seoul und Washington haben das bislang abgelehnt. Ein Einfrieren seines Atomprogramms ließe sich Pjöngjang in jedem Fall teuer bezahlen. Ein möglicher Preis: Bilaterale Verhandlungen mit den USA um einen Friedensvertrag, der das Waffenstillstandsabkommen von 1953 ersetzen würde. Das Problem: Südkorea müsste dann in seiner Verfassung einen zweiten koreanischen Staat anerkennen. Washington hätte keine Legitimation mehr für die Stationierung von US-Truppen in Südkorea; die dominante Rolle der USA im asiatisch-pazifischen Raum würde geschwächt.

Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen