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"Der Nussknacker", ein Weihnachtsphänomen

Marina Jung
29. November 2023

Für viele Menschen ist Peter Tschaikowskys "Nussknacker" ein Höhepunkt der Weihnachtszeit - nicht nur in Russland. Weltweit sind Theatertickets begehrt und viele Vorstellungen bereits ausverkauft.

Eine Frau im weißen Kleid mit Tüllrock und ein Mann mit rotem Anzug machen nebeneinander auf der Bühne einen Sprung mit gestreckten Beinen vor der Kulisse einer nächtlichen Winterlandschaft
Nina Kapzowa und Artem Owtscharenko im "Nussknacker" im Moskauer Bolschoi-TheaterBild: Damir Yusupov/Bolschoi Theater/dpa/picture alliance

Das Ballett des russischen Komponisten Peter ​​​​Tschaikowsky wird traditionell in der Zeit rund um Weihnachten aufgeführt. Das Märchen um den magischen Nussknacker spricht Liebhaber von Ballettaufführungen ebenso an wie unerfahrene Theaterbesucher: Pünktlich zum Weihnachtsfest bekommt ein Mädchen von ihrem Patenonkel einen wunderschönen Nussknacker geschenkt. Nachts erwacht er zum Leben, besiegt den bösen Mäusekönig samt seiner Mäusearmee und verwandelt sich in einen gutaussehenden Prinzen.

Erwachsene fühlen sich beim "Nussknacker" an ihre erste Liebe erinnert. Für die Kinder erfüllt sich ein Traum, weil eine Puppe lebendig wird und sie in ein Zauberland entführt. Wenn dazu Tschaikowskys erklingt und das Ensemble auf der Bühne tänzerische Perfektion zeigt, ist das Erlebnis vollkommen.

Auch das Stuttgarter Ballett präsentiert den Klassiker zu Weihnachten Bild: Roman Novitzky/Stuttgarter Ballett

Premiere feierte das Stück im Dezember 1892 im Mariinski-Theater in St.-Petersburg - weniger als ein Jahr vor Tschaikowskys Tod; "Der Nussknacker" war sein drittes und letztes Ballett. Der Librettist und Ballettmeister des russischen Zaren, Marius Petipa, legte seiner Version nicht E. T. A. Hoffmanns 1816 veröffentlichte Erzählung "Nussknacker und Mausekönig" zugrunde, vielmehr bevorzugte der Franzose die "leichtere" Variante aus der Feder seines Landsmanns Alexandre Dumas - die 1844 erschienene "Histoire d'un casse-noisette".

Russische Werke derzeit verpönt - aber nicht Tschaikowsky

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine führte dazu, dass russische Kulturschaffende weltweit zwischen die Fronten gerieten und erklären mussten, wie ihre Haltung gegenüber Putin ist. Einige Orchester und Häuser entschieden sich, russische Klassik durch andere Klangerlebnisse zu ersetzen - und schon war von "cancel culture" die Rede. Doch Tschaikowskys Werke blieben verschont, seine Musik darf weiterhin das Publikum verzaubern.

In diesem Dezember werden die größten Theater der Welt wieder seinen "Nussknacker" zeigen und das Publikum in eine märchenhafte Welt eintauchen lassen.

Eintrittskarten in Moskau schwer zu kriegen 

Doch ausgerechnet in seiner Heimat hat "Der Nussknacker" es nicht leicht, die Ballettfreunde zu erreichen. Um die angekündigten Aufführungen im Bolschoi-Theater gibt es viel Aufregung - wie jedes Jahr. Der Vorverkauf der Eintrittskarten startete wieder einmal mit stundenlangen Wartezeiten und Drängeleien. Schon am Abend vor Verkaufsbeginn Anfang November bildeten sich vor dem Theater kilometerlange Schlangen. Der Sicherheitsdienst des Theaters verteilte an die Wartenden täglich bis zu 400 Armbänder mit Wartenummern. Später begannen Spekulanten, diese im Internet zu verkaufen. Für einen Platz in der Schlange verlangten sie 15.000 bis 50.000 Rubel (umgerechnet etwa 155 bis 516 Euro) - und das ohne Garantie auf eine Eintrittskarte. Die Online-Plattform, über die die Wartenummern verkauft wurden, teilte später mit, alle entsprechenden Angebote seien gelöscht worden.

Warten und hoffen: Anfang November bildeten sich lange Schlangen vor dem Bolschoi-Theater in MoskauBild: Sergei Fadeichev/TASS/dpa/picture alliance

Russische Behördenvertreter und Medien sprechen von einer enormen Nachfrage nach dem "Nussknacker". Das Bolschoi-Theater kann ihr jedoch nicht nachkommen. "Wir sind kein Kino mit Spielzeiten", erklärte Wladimir Urin, offiziell noch Intendant des Bolschoi-Theaters, gegenüber der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti. Laut einer ungenannten Quelle des Magazins "Forbes" soll Urin am 17. November auf eigenen Wunsch von seinem Posten zurückgetreten sein. Später hat er diese Information im Interview gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur TASS dementiert. 

Offiziell verlangt das Bolschoi für eine Eintrittskarte für den "Nussknacker" zwischen 1.500 und 20.000 Rubel (umgerechnet etwa 16 bis 206 Euro). Alle Karten sind personengebunden. Sie werden unter Vorlage des Ausweises oder der Geburtsurkunde ausgestellt und können nicht auf andere Personen übertragen werden. Da Interessenten für eine Karte entweder stundenlang vor der Theaterkasse ausharren oder Spekulanten exorbitante Preise zahlen müssen (bis zu 1500 Euro pro Ticket!), schaffen es nur wenige, eine der Aufführungen zu besuchen.

Allerdings war das Bolschoi-Theater für Normalsterbliche schon immer, selbst zu sowjetischen Zeiten, nur schwer zugänglich. Selbst der mächtige Mäusekönig, so scherzt man bitter in den Sozialen Medien, könne wohl nichts dagegen tun. 

"Der Nussknacker" ist weltweit beliebt

Im Moskauer Bolschoi-Theater sind laut Website alle Karten für den "Nussknacker" ausverkauft. Wie sieht es in anderen großen Theaterhäusern aus? Für das Royal Opera House in London, die Pariser Opéra Bastille, das Petersburger Mariinski-Theater, das New York City Ballet und das San Francisco Ballet gibt es noch Restkarten, vorwiegend in den teuersten Kategorien. Auch im Staatstheater Stuttgart sind alle acht Vorstellungen im Dezember ausverkauft. Dort wurde in der vergangenen Saison zum ersten Mal seit 50 Jahren der "Nussknacker" inszeniert, und man wundert sich nicht über den großen Ansturm auf die Aufführung: "'Der Nussknacker' ist ein absoluter Klassiker... Es ist klar, dass die Nachfrage so groß ist", hieß es seitens des Theaters. 

Auch in Deutschland beliebt: "Der Nussknacker" im Staatstheater StuttgartBild: Roman Novitzky/Stuttgarter Ballett

 Weiterhin kein "Nussknacker" in Berlin

Die deutsche Hauptstadt verzichtet seit 2021 auf eine Aufführung des Klassikers. Die Ideen und Vorlagen des Choreographen Marius Petipa haben sich in vielen Balletttruppen der Welt etabliert - und genau das führte in Berlin wohl dazu, dass “Der Nussknacker” dort aus dem Spielplan des Staatsballetts verschwand. Die Erklärung war einfach: Petipa sei nie in Indien oder China gewesen, stelle aber in seinem Stück die Kulturen dieser Länder dar. Im Original habe es "Blackfacing" gegeben, der sogenannte chinesische Tanz bestand aus "Trippelschrittchen". Auch der orientalische Tanz mit den Haremsdamen könne so nicht mehr unkommentiert gezeigt werden. Dieses Jahr zeigt das Staatsballett Berlin "Dornröschen".

Außer Petipa gab es noch viele andere Choreographen, die von Tschaikowskys Musik fasziniert waren. Sehr populär wurde 1954 die Version von George Balanchine mit dem New York City Ballet. Andere bekannte Choreographien schufen u.a. Rudolf Nurejew und John Neumeier.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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