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Politik

Annäherung light zwischen CDU und Linken

28. Oktober 2019

Die Ausgangslage ist klar und basiert auf einem offiziellen Beschluss der CDU von 2018: keine Zusammenarbeit mit der Linken und der AfD. Doch nach der Thüringen-Wahl scheint ein Tabubruch möglich zu sein.

Deutschland Landtagswahl in Thüringen | TV Wahlstudio
Im TV-Studio standen Bodo Ramelow (r.) und Mike Mohring (2.v.r.) am Wahlabend in Thüringen schon dicht zusammen... Bild: Imago-Images/K. Hessland

Es dürfte die schwierigste Regierungsbildung werden, die es in einem deutschen Bundesland je gegeben hat. Die Parteien an den Rändern des politischen Spektrums haben am Sonntag bei der Landtagswahl in Thüringen zusammen mehr Stimmen erhalten als der Rest, die sogenannte Mitte. Dort verorten sich Christdemokraten (CDU), Sozialdemokraten (SPD), Grüne und Freie Demokraten (FDP). Diese Mitte-Parteien haben aber mit Ausnahme der FDP verloren. Triumphiert haben Linke und Rechte. Wobei die Linke mit Ministerpräsident Bodo Ramelow an der Spitze erstmals stärkste Kraft bei einer Landtagswahl wurde.

Trotzdem hat sie ein Problem, denn sie kann ihre rot-rot-grüne Koalition mangels eigener Mehrheit nicht fortführen. Es muss also ein neues Bündnis her. Der 2014 zum ersten linken Regierungschef auf Landesebene gewählte Ramelow möchte aber gerne weiterregieren. Deshalb will er auch mit der Christlich Demokratischen Union (CDU) über ein Bündnis reden. Vorteil: Gemeinsam wäre ein solches Duo auf keine dritte Partei angewiesen. Nachteil: Politisch liegen Welten zwischen ihnen. 

Schwarz-roter Vordenker: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther

Mit der rechtspopulistischen AfD, die in Thüringen besonders radikal ist, wollte bislang niemand koalieren. Das Problem: Die CDU schloss im Wahlkampf auch jegliche Kooperation mit der Linken aus. Damit hielt sie sich an einen Beschluss, der im Dezember 2018 auf dem Bundesparteitag in Hamburg getroffen worden war: "Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab."

Dieser Beschluss, dem Anträge aus den drei westlichen Bundesländern Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zugrunde lagen, hat eine Vorgeschichte. Wenige Monate vor dem Parteitag plädierte der CDU-Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Daniel Günther, für einen Paradigmenwechsel im Umgang mit der Linken - zumindest im Osten Deutschlands. Wenn Wahlergebnisse es nicht hergäben, dass ein Regierungsbündnis gegen die Linke gebildet werden könne, müsse die CDU "pragmatisch" sein.

Die Bundes-CDU tickt anders als der Osten

Das Bemerkenswerte an diesem Vorschlag war und ist, dass er von einem westdeutschen Spitzenpolitiker jener Partei stammt, die auch knapp 30 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands jegliche Kooperation mit der einstmals kommunistischen Partei ausschließt. Dabei wird allerdings ausgeblendet, dass es unterhalb der Bundes- und Landesebene schon länger weniger Berührungsängste gibt als auf der großen politischen Bühne. Daran erinnerte auch Günther.

Durch eine Reihe regionaler Kooperationen gebe es "ein gutes Stück Normalisierung zwischen CDU und Linken". Der 46-Jährige verknüpfte diese Aussage mit einem Ratschlag an seine CDU: Auf "Scheuklappen" zu verzichten. Die Resonanz auf diesen Vorstoß war so, wie es der Parteitagsbeschluss zum Ausdruck bringt: Keine Zusammenarbeit - nirgends.  

Ratschläge für Mike Mohring (r.) von Daniel Günther (l.)? Dazwischen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Doch unter dem Eindruck der Thüringen-Wahl scheint der Beschluss ins Wanken zu geraten. CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring revidierte inzwischen seine zuvor ablehnende Haltung gegenüber der Linken. "Mir sind stabile Verhältnisse wichtiger für das Land, als dass es nur um parteipolitische Interessen geht." Wie die Bundes-CDU darüber denkt, scheint ihm egal zu sein. Er brauche nicht Berlin, um zu wissen, "was für Thüringen nützlich ist".

Was Bodo Ramelow und Winfried Kretschmann verbindet

Vielleicht erinnerte sich Mohring an einen Satz, den sein Partei-Kollege Günther mit Blick auf mögliche Bündnisse im Osten zu Besten gegeben hatte: "Wenn da vernünftige Menschen in der Linkspartei am Werk sind, vertut man sich nichts damit, nach vernünftigen Lösungen zu suchen." Eine solche Lösung könnte darin bestehen, eine Minderheitsregierung zu tolerieren. Nach der Verfassung Thüringens bleibt Ramelow ohnehin so lange geschäftsführender Regierungschef, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gewählt ist. 

Winfried Kretschmann (Grüne) beendete 2011 die CDU-Herrschaft in Baden-Württemberg und wurde 2016 wiedergewählt Bild: picture-alliance/dpa/S. Gollnow

Dass Ramelow in der Linken auch aus CDU-Perspektive zur Kategorie "vernünftige Menschen" zählt, werden wohl auch die Hardliner nicht bestreiten. Der frühere Gewerkschafsfunktionär mit West-Biografie ist das Pendant der Linken zum Grünen-Politiker Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg, der anders als Ramelow sogar eine kommunistische Vergangenheit hat: Beide sind die ersten und einzigen Ministerpräsidenten ihrer Parteien und genießen auf Landesebene in der Bevölkerung große Anerkennung. Eine weitere Parallele: Sie wurden Regierungschefs in zwei strukturell konservativen Ländern, die vorher über Jahrzehnte fest in CDU-Hand gewesen waren.

Sachsens CDU-Regierungschef Kretschmer ist für Gespräche   

Dass ostdeutsche CDU-Spitzenpolitiker im Umgang mit der Linken anders ticken als die allermeisten westdeutschen, zeigt sich erneut nach der Thüringen-Wahl. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sorgt sich, "dass bei der Bundes-CDU alles weiter geht wie bisher". Unterstützung für Mike Mohring, Gespräche mit der Linken zu führen, kommt auch aus Brandenburg vom ehemaligen Landes- und Fraktionsvorsitzenden Ingo Senftleben: "Ideologische Gräben wollen die Menschen nicht", sagte der bei der Landtagswahl in seinem Bundesland Anfang September gescheiterte CDU-Spitzenkandidat. 

Das Ergebnis in Thüringen, sagte Senftleben, sei eine Entscheidung der Wähler. "Dies ist zu akzeptieren und sollte nicht zu einer gegenseitigen Blockade führen." Aus der Bundes-CDU sind derweil öffentlich vernehmbar weiterhin nur ablehnende Töne zu hören. Generalsekretär Paul Ziemiak betonte schon am Wahlabend: "Unser Wort gilt nach den Wahlen genau wie wir es vor den Wahlen gesagt haben: Es wird keine Koalition der CDU mit der Linkspartei oder der AfD geben."

Mohring spricht schon von "staatspolitischer Verantwortung"

Am Montag klang das allerdings schon ein wenig anders - zumindest in der Wahrnehmung des Wahlverlierers Mohring. Nach der Präsidiumssitzung in Berlin sprach er von "Rückendeckung" der Bundesspitze für Gespräche mit Regierungschef Ramelow. Er habe das "volle Vertrauen" dafür, der Einladung aus "staatspolitischer Verantwortung" nachkommen zu können. Das sei aber keine Präjudizierung "für irgendwelche Zusammenarbeit".

Die totale Verweigerung scheint also vom Tisch zu sein. Allein das käme einem Tabubruch gleich. Allerdings bekräftigte auch Thüringens CDU-Chef Mohring am Montag den Beschluss des letzten CDU-Parteitags: Eine Koalition mit der Linkspartei sei ausgeschlossen. Gespräche mit der Linken wären dann aber überhaupt nur sinnvoll, um die über Duldung einer Minderheitsregierung durch die CDU zu reden. Wobei beim Blick auf den Unvereinbarkeitsbeschlusses auch diese Option in Wirklichkeit keine sein dürfte. Darin heißt es bekanntlich, die CDU lehne "Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit" ab.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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