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Wiesn-Widerstand

Tania Krämer7. Oktober 2012

Lederhosen und Dirndl sind zwar noch selten, aber sonst geht es schon recht zünftig zu auf dem Oktoberfest Taybeh bei Ramallah. Hier wird mit selbst gebrautem Bier gefeiert - und ein wenig gegen Israel protestiert.

Eine Frau trägt beim Oktoberfest von Taybeh eine Maß Bier (Foto: AFP)
Bild: Getty Images

Das Schuhplattlern der bayrischen Blasmusikanten, ganz traditionell in Lederhosen, wirkt schon ein wenig exotisch, so mitten im palästinensischen Westjordanland. Auch beim Mitsingen von "Ein Prosit der Gemütlichkeit" hapert es auch noch ein bisschen an Textsicherheit. Aber das tut der guten Stimmung auf der "palästinensischen Wiesn" im Dorf Taybeh keinen Abbruch. Zum alljährlichen Oktoberfest sind wieder viele Besucher angereist, Palästinenser wie Ausländer.

Auch Bolus und sein Freund Fadi, mit Designer-Sonnenbrille und Palästinensertuch lässig um die Schultern, lauschen dem Rumtata der Blasmusik. Etwas ungewohnt seien die Rhythmen der Kapelle aus dem bayrischen Leobendorf schon, geben die beiden Palästinenser zu. "Aber eigentlich ist die Musik doch ganz nett. Das Wichtige ist sowieso die gute Atmosphäre", meinen sie. Beide sind extra aus Haifa angereist. Sie hätten schon viel vom Oktoberfest in Taybeh gehört und wollten es nun einmal selbst sehen. "Es wird sowieso alles noch besser, wenn man ein paar Bier trinkt", meint Bolus lächelnd und prostet sich mit seinen Freunden zu. Auch Arine Shubari aus Nazareth findet die Stimmung gut: "Hilwa ketir" (Sehr schön), sagt die junge Frau. "Vor allem auch, weil viele Palästinenser da sind, nicht nur von hier, sondern auch von außerhalb. Und natürlich auch viele Ausländer. Und alle kommen wegen unseres palästinensischen Biers."

Besucher von weit her kommen zum Oktoberfest von TaybehBild: Getty Images

"Bestes Bier im Nahen Osten"

Denn darum geht es nun mal hauptsächlich beim Oktoberfest: ums Bier. Ob beim Kräftemessen der palästinensischen Jugend, die sich beim Stemmen von einer Maß Bier misst. Oder einfach nur beim Trinken eines frisch gezapften Biers der lokalen Brauerei. Das Bier fließt - und die Wirte haben alle Hände voll zu tun. Auch Besucher Elia Ballan gibt sich als Taybeh-Fan aus. "Es ist das beste im gesamten Nahen Osten", meint der Mann aus Haifa, sichtlich fröhlich seine leeren Bier-Becher schwenkend. "Ich bin seit einer halben Stunde hier und habe schon fünf Bier getrunken."

Bierbrauer Nadim Khoury...Bild: DW

Hergestellt wird das Bier in der hochmodernen Brauerei von Nadim Khoury, nur wenige Kilometer weiter entfernt im Dorf Taybeh. Khoury kam Mitte der 1990er Jahre aus den USA zurück in die Heimat und baute hier die Brauerei auf. Rund 2000 Palästinenser leben in dem beschaulichen Ort nahe Ramallah, die Mehrheit sind Christen. Anders als die Muslime in den umliegenden Dörfern dürfen sie Alkohol trinken. "Über all die Jahre hinweg hatten wir mit vielen Problemen zu kämpfen, ob auf wirtschaftlicher, religiöser oder kulturellen Ebene", sagt der Braumeister. "Und wir mussten die Leute davon überzeugen, dass auch ein lokal produziertes Bier durchaus von hoher Qualität sein kann."

"Trinkt Palästinensisch"

Mit Werbeslogans wie "Seid revolutionär, trinkt Palästinensisch" sind lokale Bierliebhaber schon längst von der Qualität überzeugt. Dabei hilft es sicherlich, dass das Bier damit werben kann, nach deutschem Reinheitsgebot von 1516 gebraut zu sein - darauf legt Braumeister Khoury großen Wert. Taybeh wird mittlerweile auch ins Ausland exportiert, trotz vieler Handelseinschränkungen, die die israelische Besatzung mit sich bringt. Und für Muslime, Autofahrer und Nichttrinker hat Braumeister Khoury ein alkoholfreies Bier auf den Markt gebracht. Mit grünem Etikett, ganz in der Farbe des Propheten Mohammed.

...und Tochter MadeesBild: DW

Mittlerweile lernt seine Tochter Madees das Bierbrauen. Auch das ein Novum im arabischen Raum. Die angehende Braumeisterin, lässig in Jeans und mit offenen dunklen Haaren, hat sich mit Leib und Seele der Kunst der Bierbrauerei verschrieben: "Ich bin ja quasi damit aufgewachsen. Ich liebe meine Arbeit", sagt sie strahlend. "Und ja, es ist schon ungewöhnlich, dass eine Frau in Palästina Bier braut. Dann sagen die Leute: Oh, das ist aber nett. Wir haben ja tolle Sachen in unserem Land."

Oktoberfest als Zeichen gegen den Konflikt

Auf dem Oktoberfest sind die bayrischen Blasmusikanten inzwischen von einer brasilianischen Band abgelöst worden. Zeit für ein Gezapftes unter Leuten. Dass es sie als bayrische Blaskapelle aus Leobendorf in Süddeutschland ausgerechnet ins palästinensische Westjordanland verschlägt, hätten sich die Musiker auch erst nicht vorstellen können. Ein Gesuch im Internet habe sie darauf aufmerksam gemacht, erzählt Christian Helmiger, Leiter der Kapelle. Und es sei eine gute Entscheidung gewesen: "Das Oktoberfest hier ist weniger aufgesetzt als in Bayern. Und die Leute sind sehr nett und offen, das ist schon toll."

Per Zufall in Taybeh: die bayrische Blaskapelle aus LeobendorfBild: DW

Eigentlich ist die Lage in den Palästinensergebieten nicht so rosig, um Feste zu feiern. Doch Braumeister Nadim Khoury will genau damit ein Zeichen setzen: "Es ist eine Art friedlicher Widerstand gegen die Besatzung. Und wir wollen ein anderes Bild vermitteln. Im Fernsehen sieht man immer nur Schießereien und Explosionen. Palästinenser als Terroristen. Dabei sind wir auch ganz normale Leute. Wir lieben das Leben, und wir lieben es zu feiern." Mit brasilianischen Rhythmen und dem heimischen Bier geht das sicherlich noch leichter - und hilft den meisten hier, wenigstens für einen Abend den Nahost-Konflikt zu vergessen.

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