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Politik

Der Pole, der den Attentäter stoppen wollte

18. Dezember 2018

Beim Attentat in Straßburg starben fünf Menschen, darunter ein polnischer Musiker. Er hatte für Europa ohne Grenzen plädiert. Für viele gilt er als Held, andere kritisieren seine liberale Haltung.

Frankreich - nach Anschlag in Straßburg
Bild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Es geschah am 11. Dezember, mitten in der Weihnachtssaison, in der Straßburger Innenstadt. Der Attentäter hatte das Feuer eröffnet und laut Angaben der französischen Ermittler "Allahu akbar" ("Gott ist der Größte") gerufen. Der polnische Musiker und Mitarbeiter des Europaparlaments Barto Pedro Orent-Niedzielski stand zusammen mit mehreren Bekannten, darunter dem italienischen Journalisten Antonio Megalizzi, vor dem Musikklub Les Savons d‘Helene in der Nähe des Weihnachtsmarktes.

Ein größeres Blutbad wurde verhindert

Laut polnischen Medien, die sich auf Zeugenaussagen berufen, hätten sich die jungen Männer dem bewaffneten Mann in den Weg gestellt und die Tür zur Bar verschlossen. Damit hätten sie möglicherweise ein viel größeres Blutbad verhindert. Beide wurden verletzt und starben einige Tage später. Laut der französischen Nachrichtenagentur AFP sollen der 36-jährige Niedzielski und der 28-jährige Megalizzi nicht vor der Bar, sondern in einer nahe gelegenen Straße angegriffen worden sein.

"Barto Pedro Orent-Niedzielski, französisch-polnischer Journalist, der in Straßburg zusammen mit Antonio Megalizzi verletzt wurde, lebt auch nicht mehr. Ruhe in Frieden. Wir kämpfen mit dem Terrorismus, bis zum Sieg", schrieb Antonio Tajani, Vorsitzender des EU-Parlaments, auf Twitter als er vom Tod des Polen erfuhr.

"Unser Bruder Barto Pedro Orent-Niedzielski hat uns eben verlassen. Ich danke euch für die Liebe und Stärke, die ihr ihm gegeben habt", schrieb Jakub Niedzielski, der Bruder des verstorbenen Musikers aus Kattowitz auf Facebook. 

Würdigung im Heimatland

Auch Polens Präsident Andrzej Duda, der frühere Europaabgeordnete, der sich an Orent-Niedzielski aus dieser Zeit erinnern konnte, schrieb auf Twitter von seiner Erschütterung: "Er wurde tödlich verletzt, als er das Leben der anderen Menschen rettete." Polens Premierminister Mateusz Morawiecki hat der Familie des Opfers eine lebenslange staatliche Rente versprochen. "Der Pole hat mit seinem Leben für das Leben der anderen Menschen bezahlt", ist auf seinem Twitteraccount zu lesen.

Der aus Kattowitz im Süden von Polen stammende Bartosz Pedro Orent-Niedzielski hat seit 20 Jahren in Straßburg gelebt. Schon im Alter von 16 Jahren war er aus Polen zusammen mit seiner Mutter emigriert, doch seine Heimatstadt besuchte er in den letzten Jahren regelmäßig.

Der überzeugte Europäer

Für seine Freunde hieß er einfach Bartek. Sie erzählen von seiner großen Vorliebe für die Idee eines offenen Europa. Er habe sich auch in der LGBT-Bewegung, für die jüdische Kultur und für ein freies Palästina engagiert. Der Plan des "Weltbürgers" Niedzielski sei die Gründung eines "linguistischen" Cafes in Straßburg gewesen, in dem sich Menschen verschiedener Sprachen und Kulturen der Welt treffen können.

"Immer voller Ideen, ein Energie-Vulkan, immer mit einem Lächeln im Gesicht", erinnert sich Dariusz Zalega aus Kattowitz. "Als wir 2015 über die Terror-Attacke in Paris gesprochen haben, hat er die Schuldigen nicht dort gesucht, wo sie von den Fanatikern, Rassisten und Besserwissern gesucht wurden. Die Schuldigen hat er unter denen gesehen, die die Kriege verursachen, Waffen verkaufen und Hass verbreiten. Seine Botschaft lautete: "Jeder Mensch ist mein Bruder", sagt Zalega.

Noch Tage nach dem Anschlag: französische Polizisten auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt Bild: Patrick Hertzog/AFP/Getty Images

Einige Monate vor seinem Tod, im Juli 2017, schrieb Bartek auf Facebook enthusiastisch über seinen neuen Job als Reiseleiter im Europaparlament. Als überzeugter Europäer hat er versucht, als Journalist des Senders Europhonica seine Zuhörer vom multikulturellen Kontinent zu überzeugen.

Kritik an der proeuropäischen Haltung

Über Bartek und seinen italienischen Freund Antonio Megalizza sprach in einem Journalistenbriefing im Europaparlament auch Lorenzo Consoli, der in Straßburg als Korrespondent der Nachrichtenagentur Aksanews arbeitet. Die Verstorbenen hätten die Fähigkeit gehabt, "stundenlang engagiert über alle möglichen europäischen Themen zu sprechen. Bartek wollte jede Ungerechtigkeit ans Licht bringen und Antonio suchte immer nach konkreten Lösungen der Probleme", sagte Consoli.

Doch für ihre pro-europäische Haltung seien die beiden auch posthum kritisiert worden, ärgert sich der Italiener im DW-Gespräch. "Es gibt böse Kommentare, in denen man lesen kann, dass es zu solchen Terror-Attacken gar nicht gekommen wäre, wenn Europa seine Türen nicht so offen halten würde", sagt Consoli. Auch in den polnischen Internet-Diskussionen kann man lesen, dass die beiden "selber schuld" seien, weil solche Menschen wie sie, die sich für ein offenes Europa einsetzten, auch Terroristen einladen würden.

Der 29-jährige Attentäter Chérif Chekatt war ein gebürtiger Straßburger. Nach einer zweitägigen Großfahndung wurde er auf der Flucht erschossen. Es verdichten sich die Hinweise, dass er ein Anhänger der Terrormiliz IS war.