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Knud Knudsen - Postbote mit nassen Füßen

Tamsin Walker
22. Februar 2020

Wir alle werden die Folgen spüren, wenn der Meeresspiegel steigt und die Ozeane wärmer werden. Menschen wie Knud Knudsen, der zum Ausliefern der Post durch das Wattenmeer muss, bekommen die Veränderungen hautnah mit.

Ein Mann mit grauem Haar, grauem Bart und unbekleidetem Oberkörper steht am Meer
Bild: DW/T. Walker

Knud Knudsen wurde auf Pellworm geboren und wuchs dort auf, in unmittelbarer Nähe zum Meer. DW wollte von ihm wissen, was sich auf der Insel im Lauf der Jahrzehnte geändert hat, ob die Inselbewohner die Auswirkungen des Klimawandels und des steigenden Meeresspiegels spüren und ob er wirklich barfuß die Post zu einer der kleinen Halligen bringt.

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DW: Wie würden Sie das Leben hier auf Pellworm beschreiben?

Knud Knudsen: Ich bin ja hier geboren und aufgewachsen. Ich kenne das halt so, wie es ist. In der Stadt könnte ich nicht wohnen, das weiß ich. Ich glaube, ich würde dort untergehen.

Hat sich die Insel stark verändert?

Ja, als ich Kind war, war Pellworm ganz anders. Es hat sich seit meiner Kindheit schon sehr verändert. Allein dort, wo ich jetzt wohne, ist alles zugebaut. Das war früher alles Wiese.

Jetzt gibt es viel Monokultur. Auf den Feldern sieht man kaum noch irgendwelche Blumen, so wie früher. Ich kann mich erinnern, dass an den Straßenrändern viel mehr Kamille oder Gänseblümchen waren. Die sieht man jetzt kaum noch.

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Bild: LKN-SH/Martin Stock
Knud Knudsen wandert über das Watt, um die Post zur nahe gelegenen Hallig Süderoog zu bringenBild: DW/T. Walker

Sie bringen die Post rüber zur Hallig Süderoog. Sie gehen barfuß durch das Wattenmeer?

Ja, ich mache das zweimal die Woche. Ich richte mich nach der Tide, denn ich muss ja bei Niedrigwasser rüber laufen. Meistens mache ich am Wochenende eine Tour, meistens sonntags, und eine unter der Woche nach der Arbeit, oder ich muss Urlaub nehmen. Und dann laufe ich so ein und eine viertel Stunde durchs Watt, habe ungefähr eine Stunde Aufenthalt und dann geht's den gleichen Weg zurück. Bis November laufe ich auch barfuß. Aber dann ist das schon grenzwertig, wenn man dazu die ersten Nachtfröste hat.

Was mögen Sie am Meer?

Das Meer ist Bewegung. Es ist immer anders. Also ohne Meer könnte ich mir das Leben gar nicht vorstellen. Ohne Wasser wäre es auch auf Pellworm für mich undenkbar. Das Meer macht schon eine Menge aus, um sich hier wohl zu fühlen. Wenn jetzt immer Ebbe wäre oder das Wasser würde mal nicht wiederkommen, das wäre schon merkwürdig, finde ich. Wasser ist Leben. Für mich jedenfalls.

Die Deiche auf Pellworm bestehen aus aufeinander abgestimmten Materialien. Sie sollen die Insel vor dem Meer schützenBild: DW/T. Walker

Wir leben in Zeiten des Klimawandels. Haben Sie hier auf der Insel schon Veränderungen gemerkt?

Ich kann das jetzt nicht so deuten, dass es wirklich am Klimawandel liegt. Aber wenn wir so Sturmfluten haben, sind die schon intensiver. Obwohl wir jetzt schon lange keine Sturmflut gehabt haben. Die letzte war 2013 Xaver, das ist sechs Jahre her.

Wenn man bedenkt, wie schnell die Gletscher jetzt geschmolzen sind die letzten Jahre, ist das schon bedenklich. Aber dass ich hier jetzt sagen könnte, das liegt am Klimawandel, dass das Wasser steigt, könnte ich jetzt nicht so sagen. Das einzige, was ich sagen kann, ist, dass, als ich Kind war, die Unterschiede von Frühling, Sommer, Herbst und Winter deutlicher waren. Jetzt ist der Winter eigentlich ein kalter Sommer und der Sommer ein warmer Winter, so könnte man das etwas übertrieben sagen.

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Wie wichtig sind die Deiche auf der Insel Pellworm?

Der Deich ist ja unser einziger Hochwasserschutz. Die Häuser, die noch auf Warften stehen, die haben ja das Glück, dass sie noch hier ein bisschen länger aushalten können. Ohne diesen Deich wären die tiefsten Flächen von Pellworm – sie liegen einen Meter unter dem Meeresspiegel - bei jeder Flut unter Wasser.

Es ist schon wichtig, dass man den Deich immer intakt hält. Viele können das gar nicht nachvollziehen, aber wenn der Deich nicht wäre, dann sähe es hier anders aus.

Die Insel Pellworm ist komplett von grünen Deichen umschlossenBild: DW/T. Walker
In einigen Teilen der Insel Pellworm gibt es Vorland, das die Kraft der Wellen mindern soll, bevor sie die Deiche erreichenBild: DW/T. Walker

Fühlen Sie sich sicher auf einer Insel, die zum Teil unterm Meeresspiegel liegt?

Ich fühle mich schon sicher. Der Deich ist in einem guten Zustand. Aber ich bin ja auch damit groß geworden. Wenn einer vom Festland herüber kommt und wirklich mal eine Sturmflut miterleben würde, das ist sicher unheimlich für denjenigen. Ich finde auch, dass die Stimmung eine andere ist, wenn das Wasser drei Viertel des Deiches hoch steht. Ich habe keine Angst in dem Sinne oder Panik, aber Respekt schon.

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Es gibt ja viele aus dem Naturschutzbereich, die sagen, lieber die Deiche einschränken und mit weichen Maßnahmen die Küste schützen. Wie sehen Sie das?

Die Naturschützer wollen am liebsten, dass man weniger tut, um sich zu schützen. Und da hab ich so ein bisschen Bedenken, dass man da was verkehrt macht. Die sehen immer die Extreme. Es gibt etwas zwischen diesen Extremen und man sollte Küstenschutz meines Erachtens intensiver betreiben, als es bis jetzt gemacht wird. Ich finde, man müsste stärker bestrebt sein, alles zu tun, dass der Deich nicht gefährdet ist.

Ich war schon als junger Mann im Küstenschutz tätig und früher ist sehr viel mehr gemacht worden. Deswegen haben wir diese ganzen Vorländer. Vorland ist für den Deich der beste Schutz. Der nimmt dem Wasser schon so viel Energie, dass man die Deiche eigentlich gar nicht so massiv bauen müsste.

Wenn man jetzt gar nichts mehr machen würde oder noch weniger, dann sähe es schon bedrohlich aus. Ich gebe Pellworm noch 300, 400 Jahre und dann sind wir wieder eine Hallig, wenn nicht mehr gemacht wird als jetzt. Aber dann bin ich auch nicht mehr. Dann sitze ich jedenfalls hier nicht mehr so am Deich.

Das Interview wurde von Tamsin Walker und Mabel Gundlach geführt.

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