Der Präsident bittet zur Wahl
14. März 2004Fast nichts scheint die Wiederwahl des russischen Präsidenten Wladimir Putin am 14. März zu gefährden: Die Ergebnisse aktueller Meinungsumfragen zur Wahl sind deutlich: Demnach kann Putin mit 70 bis 80 Prozent der Stimmen rechnen. Beste Chancen auf den zweiten Platz haben drei seiner fünf Gegenkandidaten: der von den Kommunisten aufgestellte Duma-Abgeordnete Nikolai Charitonow, die liberale Politikerin Irina Chakamada und der populistische Parlamentarier Sergej Glasjew. Insgesamt 109 Millionen Wähler sind zur Wahl aufgerufen.
Putins Erfolge in schlechten Zeiten
Als der erste russische Präsident Boris Jelzin in der Neujahrsnacht 2000 den von vielen als farblos empfundenen Ministerpräsidenten zu seinem Nachfolger ernannte, hätte wohl kaum jemand gedacht, dass sich Putin vier Jahre später so großer Beliebtheit im Lande erfreuen würde. Chaos und Instabilität prägten damals das Bild Russlands. Doch vor dem Hintergrund einer wachsenden Wirtschaft hat Putin konsequent die politische Macht in Russland in seinen Händen konzentriert – so weit, dass seine Kritiker von einem Rückfall in sowjetische Zeiten sprechen. (Lesen Sie dazu den DW-WORLD-Artikel "Ein anderes Russland".)
Popularität für Putin und seine Politik?
Kaum jemand rechnet mit einer für den 4. April geplanten zweiten Runde der Präsidentenwahlen. Das liegt nicht nur an der hohen Popularität Putins. Vielmehr haben die Duma-Wahlen vor drei Monaten gezeigt, dass es der Kreml versteht, das Wahlverhalten der Bevölkerung durch den Einsatz staatlicher Ressourcen und die Kontrolle über die Medien zu lenken.
Die Zustimmung der Russen zu Wladimir Putin sei aber nur auf den ersten Blick so eindeutig, erklärt der Journalist und Putin-Kritiker Sergej Parchomenko im Interview mit dem russischsprachigen Dienst von DW-WORLD. "Allen ist klar, dass die Popularität von Putin hoch ist. Das will aber noch nicht viel heißen", sagt er. "Wenn man konkreter nachfragt, wie die Leute die Lage bei den Steuern, im Gesundheitswesen, im Bildungswesen und beim Tschetschenienkrieg sehen, so fangen sie an, unangenehme Dinge zu reden", berichtet Parchomenko. "Und: Es ist besser, solche Gespräche nicht zuzulassen."
Demokratie-Defizite
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bezeichnete die Duma-Wahlen im Dezember 2003 als "frei, aber nicht fair". Damit dies in vier Jahren anders werde, gründete Parchomenko zusammen mit dem Schach-Genie Garri Kasparow, dem liberalen Politiker Boris Nemzow und anderen Putin-Kritikern vor zwei Monaten das Komitee "2008: Freie Wahl". In einer Erklärung bezeichneten sie die Präsidentenwahlen als eine Farce, die es zu boykottieren gelte. Damit zielen die Putin-Gegner auf einen wunden Punkt. Denn bei einer Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent ist die Wahl nach russischer Rechtslage ungültig und muss wiederholt werden.
Doch die Kritiker stehen auf verlorenem Posten: Nicht nur, dass die staatlich kontrollierten Medien massiv zur Wahl aufrufen und staatliche Instanzen mit allen erdenklichen Mitteln die Menschen regelrecht zur Abstimmung drängen. Vielmehr planen nach den Meinungsumfragen nur wenige Russen, nicht an der Wahl teilzunehmen. Nach einem Jahrzehnt des Niedergangs und politischen Chaos unter Boris Jelzin ist die große Mehrheit der Russen an Stabilität und wirtschaftlichem Aufschwung interessiert. Aus Sicht vieler Russen hat Putin das in den vergangenen vier Jahren erreicht. Deshalb werden sie ihn wählen.