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Der Pragmatiker auf der Prager Burg

Von Vladimir Müller6. März 2003

- Vaclav Klaus wird neuer Präsident der Tschechischen Republik

Köln, 6.3.2003, DW-radio

Knapp fünf Wochen nach dem Auszug Vaclav Havels bekommt die Prager Burg einen neuen Herrn: Nach einer sich seit Wochen hinziehenden Parlamentswahl stand zum Schluss der Oppositionspolitiker Vaclav Klaus als Sieger da. Mit einer Stimme Mehrheit wurde er am letzten Freitag (28.2.) zum neuen Präsidenten der Tschechischen Republik gewählt. Laut Umfragen wäre diese Wahl auch nicht anders ausgegangen, hätten die Tschechen direkt über ihren künftigen Präsidenten zu entscheiden. Vaclav Klaus - der populärste Politiker in Tschechien - wird am Freitag (7.3.) in sein neues Amt eingeführt.

Dieser Sieg ist für den 61-jährigen Wirtschaftsprofessor die Krönung seiner Politkarriere. Neben seinem größten Widersacher und nun Vorgänger, Vaclav Havel, hat Klaus in den letzten 13 Jahren am nachhaltigsten die Geschicke der Tschechoslowakei und nach ihrer Teilung 1993 die Tschechiens geprägt. Seit den Tagen der gewaltlosen Revolution 1989 in der Politik wurde Klaus Minister, Mitbegründer und Vorsitzender der Demokratischen Bürgerpartei ODS, Premierminister und Parlamentspräsident. Für seine rasch in Angriff genommenen Wirtschaftsreformen wurde der Verfechter des "reinen Kapitalismus" Anfang der 90er Jahre auch im Westen gelobt.

Sein Bekanntheitsgrad im Ausland, sein Fachwissen, aber auch das gepflegte Äußere - alles Eigenschaften, mit denen Klaus bei der überwiegenden Mehrheit seines Volkes Punkte sammeln konnte. Unproblematisch, ja sympathisch für die meisten auch: Von diesem Technokraten der Macht, der unbeschadet Finanzaffären seiner Partei überstanden hat, sind keine Moralpredigten zu erwarten, mit denen der Dramatiker Havel seine Landsleute zuweilen zu quälen pflegte.

Probleme hat der neue Präsident aber bereits seiner Regierung bereitet: Denn der Sieg des konservativen Klaus bedeutet zugleich eine schwere Niederlage für den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Vladimir Spidla. Es wird als seine Schwäche ausgelegt, dass mehrere Sozialdemokraten gegen den gemeinsamen Kandidaten der Regierungsparteien - den parteilosen Philosophie-Professor Jan Sokol - gestimmt haben. Ihre Motive betrafen nicht den Kandidaten selbst, ausschlaggebend war ihre Unzufriedenheit mit Spidla. Nun will dieser im Parlament die Vertrauensfrage stellen.

Zum höchsten Amt im Staat verhalfen dem konservativen Klaus auch die orthodoxen Kommunisten. Sie sind seit kurzem - ein Kuriosum - die drittstärkste Kraft im Prager Parlament. Nach einer Art politischer Quarantäne - Havel lehnte Kontakte mit ihnen stets ab - genossen sie es sichtlich, nun das Zünglein auf der Waage zu spielen. Die Entscheidung fiel ihnen leicht: Einen ehemaligen Dissidenten, der darüber hinaus für die Versöhnung mit den einst vertriebenen und immer noch ungeliebten Deutschen eintritt, wie den Regierungskandidaten Sokol, wollten sie auf keinen Fall.

Klaus war kein Dissident und er ist sicherlich auch kein Versöhnungsfanatiker: Wiederholt stellte er sich dagegen, die so genannten Benes-Dekrete für ungültig zu erklären. Dieses Rechtswerk legitimierte nach dem Zweiten Weltkrieg die Vertreibung der etwa drei Millionen Deutschen aus der damaligen Tschechoslowakei. Die nationalen Interessen will er unbeirrt auch der EU gegenüber vertreten. Schon in der Vergangenheit warnte Klaus vor der "Übermacht" der Brüsseler Zentrale. Tschechien könne sich in der EU auflösen "wie Zucker im Kaffee", befürchtete er.

Doch als Euro-Skeptiker will das neue tschechische Staatsoberhaupt nicht mehr gelten, "Euro-Realist" sei er, sagte Klaus nach der Wahl. Der Thatcher-Bewunderer wünschte sich schon immer ein nur wirtschaftlich vereintes Europa der Nationalstaaten. Inzwischen mag er sich mit dem Unvermeidlichen abgefunden haben - es ist zu erwarten, dass die Tschechen in einem Referendum im Juni dem EU-Beitritt mehrheitlich zustimmen werden. Seine Distanz zu Europa wird Klaus aber wohl behalten. Mit stehenden Ovationen nach seinen künftigen Auftritten in Brüssel wird nicht gerechnet.

Vorbei sind wohl auch die Zeiten, als der tschechische Präsident in Washington wie ein enger Freund empfangen wurde: Im Gegensatz zu Havel war Klaus 1999 gegen die NATO-Einsätze in Jugoslawien und auch in der Parlaments-Abstimmung über das Verhalten Tschechiens in einem möglichen Irak-Krieg enthielt er sich vor kurzem der Stimme. Den Sturz des irakischen Machthabers Saddam Hussein hält Klaus für "fragwürdig".

Neue Töne aus Prag? Nicht ganz. Der Pragmatiker auf der Prager Burg spricht über Deutschland, Europa und die USA nur das aus, was die meisten Tschechen ohnehin denken. Die Kluft, die manchmal zwischen Vaclav Havel und seinem Volk herrschte, wird mit Vaclav Klaus geschlossen. (fp)