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Politik

Der Rückzug als Konflikt-Vorbereitung

Mirjam Benecke
16. Oktober 2019

Hinter dem Abzug der US-Soldaten aus Nordsyrien könnten geostrategische Interessen stehen, meint der Politologe und US-Experte Josef Braml. Der Blick geht in Richtung des Iran.

Syrien Hasakeh Provinz Tal Baydar US Militärfahrzeug
Bild: Getty Images/AFP/D. Souleiman

Nach ihm die Sintflut? Donald Trump hat amerikanische Truppen aus Nordsyrien abgezogen und damit den Weg für die türkische Militäroffensive in der Region freigemacht. Die Entscheidung stieß international auf Kritik. Es heißt, Trump sei an strategischer Außenpolitik nicht interessiert. Doch das stimmt so nicht, meint der deutsche Politologe Josef Braml. Denn hinter dem Truppenabzug der USA könnten geostrategische Interessen stecken.

"Dass sich Trump jetzt in sein Schneckenhaus zurückziehe, ist eine Fehlinterpretation", sagt Josef Braml der DW. Braml ist Leiter des Amerika-Programms bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Autor desBlogs "Der USA-Experte". Seiner Meinung nach geht es den Vereinigten Staaten nicht um einen Rückzug aus der Nahost-Region. Stattdessen sorgten die USA mit dem Abzug der Bodentruppen dafür, Ziele für mögliche Gegenangriffe zu minimieren. Diese könnten vom Iran kommen.

Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige PolitikBild: Privat

Braml beobachtet die Syrien-Politik der Vereinigten Staaten vor allem mit Blick auf den Iran. Denn im Konflikt mit der Islamischen Republik sei das letzte Wort der Amerikaner noch nicht gesprochen. "Ich gehe davon aus, dass die USA den Iran mit Präventivschlägen daran hindern wollen, sich nuklear zu bewaffnen", sagt Josef Braml.

Sollten die USA mit Luftangriffen gegen den Iran vorgehen, sei mit Gegenschlägen zu rechnen. Der Iran könnte dann zum Beispiel die im nahe gelegenen Syrien stationierten amerikanischen Truppen anvisieren. "Wenn die USA weniger Soldaten in der Region haben, dann haben sie auch weniger mögliche Opfer, die der Iran bei einem Zweitschlag treffen könnte", so Josef Braml.

Trumps Unberechenbarkeit erschwert Prognosen

Was die ohnehin komplexen Prognosen über die Nahost-Strategie der Vereinigten Staaten erschwert, ist die Unberechenbarkeit von US-Präsident Donald Trump. Das meint Politikwissenschaftler Christian Hacke. "Was er sagt, ist überhaupt nicht deckungsgleich mit dem, was er tut", sagt Hacke in einem Interview mit der DW nach den Angriffen auf die saudische Ölindustrie. Das mache es für beteiligte Konfliktparteien im Nahen Osten schwer, die Lage einzuschätzen.

Türkische Streitkräfte nahe der Grenze zwischen Syrien und der TürkeiBild: picture-alliance/dpa/A. Alkharboutli

Nach dem Rückzug der US-Truppen hat die Türkei in Nordsyrien ihre Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG gestartet. Die Folgen sind schon jetzt enorm: Nach Angaben der WHO haben die türkischen Truppen und die mit ihnen verbündeten dschihadistischen Milizen 200.000 Menschen zur Flucht gezwungen. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bereits mehr als 130 Kämpfer der kurdisch angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte und 69 Zivilisten getötet.

Dass die USA nicht abschätzen konnten, welche Folgen der Truppenrückzug für die Region habe, gilt als unwahrscheinlich. Aber: "Die Region und auch die Kurden könnten einmal mehr zum Bauernopfer einer größeren Machtrivalität werden", sagt Braml. 

Am Ende heißt es: USA gegen China

Mit der "größeren Machtrivalität" spielt der Politikwissenschaftler nicht nur auf den Konflikt zwischen den USA und dem Iran an - sondern auch auf China. "Wenn es um Auseinandersetzungen mit dem Iran geht, geht es auch gleichzeitig um China." 

China ist der größte Abnehmer iranischen Erdöls. Außerdem ist die Vernetzung mit dem Iran ein wichtiger Teil der chinesischen Seidenstraßeninitiative. Das Projekt soll neue Wirtschaftskorridore von China nach Europa und Afrika schaffen.

Das macht die Lage nicht gerade übersichtlicher. Die unterschiedlichen Interessen und Akteure sind im Nahen Osten eng verwoben. Auf den Punkt gebracht: Der Rückzug der US-Truppen aus Syrien könnte eine strategische Minimierung der Angriffsziele sein. Das wird für die USA wichtig, wenn es zu einer militärischen Eskalation mit dem Iran kommen sollte. Und dann ist auch China nicht mehr weit weg. Dazu Braml: "Wenn man den Iran trifft, trifft man auch den globalen Hauptrivalen China, der sich aus dieser Region versorgen muss."

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