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Der Düsseldorfer Rapper Blumio im Interview

Mikko Stübner-Lankuttis27. November 2015

Seit 2004 veröffentlicht Fumio Kuniyoshi alias Blumio deutschsprachige Rap-Songs. Geboren im Rheinland, ist er mit japanischem Pass aufgewachsen. Im Interview spricht der 30-Jährige über Religion, Rassismus und Rap.

Musik, Rap, Rassismus, Deutschland, Japan, Flüchtlinge
Bild: Soulfood

Grenzenlos Pop: Rapper Blumio

04:20

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Deutsche Welle: Warum hast Du Rap als musikalisches Ausdrucksmittel gewählt?

Blumio: Das war einfach reiner Zufall: Die älteren Jungs, mit denen ich zu tun hatte, haben mich da so ein bisschen eingeführt und ich wurde direkt infiziert – also im positiven Sinne. Diese direkte Art, mit der man sich im Rap ausdrücken kann, hat sehr gut in meine jugendliche Phase gepasst. Und dann kam Ende der 90er Jahre diese große Welle von deutschen Rap-Künstlern: Absolute Beginner, Dynamite Deluxe, Freundeskreis und so weiter. Von denen war ich sehr beeindruckt und habe immer die Texte mit gerappt. Diese Musik hat mich bis heute nicht verlassen, was aber nicht heißt, dass ich mich für andere Musik nicht interessiere.

Deine Eltern sind 1984 aus Japan nach Deutschland gekommen. Warum sind sie nicht nach Düsseldorf gezogen, sondern in die Provinz nach Hilden?

Hilden ist eine kleine Vorstadt von Düsseldorf. Meine Eltern haben sich gedacht, dass in Düsseldorf sehr viele Japaner wohnen. Und wenn sie schon nach Deutschland ziehen, warum sollten sie dann da wohnen, wo schon andere Japaner sind? Die wollten halt, dass wir Kinder uns nicht in ein gemachtes Bett legen können, sondern wirklich mit den Deutschen in Kontakt treten. Und so war es ja auch in Hilden. Die Menschen haben meine Eltern sehr offen in der Nachbarschaft empfangen und meine Mutter hat direkt Anschluss gefunden.

Wie war das, als einziges asiatisches Kind im Block aufzuwachsen?

Ich kann nicht sagen, dass ich eine unglückliche Kindheit hatte. Aber es gab schon immer wieder diese Sprüche, die ich mir anhören musste - sowas wie "Schlitzauge" oder "Jackie Chan". Auch im Kindergarten wurde ich fast täglich damit konfrontiert. Ja, das war unschön.

Hattest Du eine Außenseiterposition?

Es war keine grundsätzliche Außenseiterposition. Denn Kinder sind ja so: Am Anfang bist Du der Exot und die wissen nicht so genau, wie sie mit Dir umgehen sollen. Sobald Du sie kennenlernst, merken sie: 'Oh, der spricht ja ganz normal deutsch und hat die gleichen Interessen und spielt auch gerne mit Spielzeug.' Dann sagen die auch schnell: 'Hey, der ist einer von uns'. Und dann wird vielleicht ein deutscher Junge, der neu dazu stößt, zum Außenseiter.

Blumio beim Aufzeichnen seiner wöchentlichen "Rap da News".Bild: DW

Kommen wir zur Musik: Bist Du ein politischer Rapper?

Künstler mögen es ja nicht, auf irgendwas reduziert zu werden. Es gibt von mir genug Songs, die sind einfach nur albern und haben mit Politik nichts zu tun. Mittlerweile werde ich in Deutschland als politischer Rapper wahrgenommen, weil ich jede Woche das Format "Rap da News" mache. Das ist aber ein rein gesellschaftliches, politisches Format. Aber ich würde mich trotzalledem nicht als politischen Rapper sehen: Ich spreche eben gerne politische Dinge an, die mich bewegen oder wo ich denke, da muss ich meinen Senf dazu geben. Aber generell bin ich einfach nur Künstler.

Du fasst gern heikle Themen an: Dein Song "Hey Mr. Nazi" von 2009 ist ein Aufruf zur Völkerverständigung und in Deinem Song "Wir träumen gemeinsam von besseren Tagen" hast Du 2011 mit der NSU-Affäre abgerechnet…

Aber ich habe mich keiner politischen Richtung verschrieben, also rechts bin ich natürlich schon mal gar nicht. Wenn man alle meine Meinungen zusammenführt, bin ich sicherlich eher links – das würde ich absolut nicht leugnen. Ich habe gewisse Kernaussagen, die ich immer wiederhole: Ich bin für Toleranz, gegen Homophobie, gegen Antisemitismus und gegen jegliche Diskriminierung. Und ich finde es wichtig, das zu wiederholen, weil die anderen ja ihren Hass auch immer wiederholen. Aber ich bin kein politischer Rapper, der sagt: 'Das ist meine Ideologie und die möchte ich durch meine Musik propagieren'. Das mache ich nicht!

Bild: DW

Das Video zu Deinem Song "Religion" hast Du in diesem Jahr in Jerusalem gedreht, also in einer der umstrittensten Städte der Welt. Dort hast Du Deine positive Botschaft – den Frieden zwischen den Religionen – propagiert. Ich finde, es gehört eine ganze Menge Mut dazu, so ein Rap-Video zu machen.

Ich weiß nicht, ob das mutig ist. Aber ich habe mit politischen Themen besondere Erfahrungen gemacht: Unabhängig von der Qualität der Musik wirst Du vor allem dafür kritisiert, dass Typen nicht deiner Meinung sind. Ich kann verstehen, wenn man das nicht trennen kann. Aber manche Hörer nehmen diese Songs sehr persönlich. Wenn ich mich gegen Hass auf Muslime einsetze, dann applaudieren mir natürlich manche. Aber wenn ich dann im nächsten Atemzug den türkischen Präsidenten Erdoğan für seine Innenpolitik kritisiere, dann nehmen es mir auf einmal auch Leute persönlich, die mir vorher applaudiert haben. Das ist für mich deshalb schwierig, immer meine Meinung zu sagen. Aber ich versuche, mich davon nicht beeinflussen zu lassen. Natürlich ändert sich auch meine Meinung von Zeit zu Zeit: Dinge, die ich früher so gesehen habe, sehe ich heute anders.

Sprechen wir über Dein Format "Rap da News" auf der Videoplattform Yahoo!, wo Du Woche für Woche tagespolitische Themen aufgreifst. Warum hast Du Dich für diese Form entschieden?

Ich habe mich ja vorher schon gegen Rechtsradikale oder über die NSU-Morde geäußert. Wenn ich jetzt einen Song über ein aktuelles Thema mache, ist vielleicht schon ein halbes Jahr vergangen, bis mein Album rauskommt. Und dann ist das Thema eventuell nicht mehr aktuell. Mit "Rap da News" kann ich mich jede Woche zu aktuellen Themen äußern und direkt eingreifen und sagen 'Ey, warte mal – ich finde das und das ist ein bisschen falsch dargestellt.'

Das ist ja eine wahnsinnige Themenflut: Wie schaffst Du das, Dich jede Woche auch so umfangreich den unschönen Themen anzunehmen?

Ja, manchmal wirst Du wirklich depressiv. Ich hab auch Phasen, da will ich das alles gar nicht wissen. Ich versuche, meine Texte immer emotional zu gestalten und muss mich in jedes Thema auch hinein versetzen. Das führt dann dazu, dass mich solche Ereignisse teilweise wirklich mitnehmen. Manche Leute kritisieren das, wenn sich andere nicht für Politik interessieren, aber ich verstehe das vollkommen. Es ist wirklich nicht schön, an diese schlimmen Dinge denken zu müssen. Aber es ist halt die Realität und ich bin nun mal in der Position, mich dazu äußern zu können. Das mache ich natürlich mit Bedacht und versuche auch, an jedes Thema ohne erhobenen Zeigefinger heranzugehen.

Blumio mit dem PopXport-Team in einer Düsseldorfer Sashimi-Bar.Bild: DW

Man hat den Eindruck, 2015 war so ereignisreich wie schon lange nicht mehr. Welches Thema hat Dich in diesem Jahr am meisten beschäftigt und emotional berührt?

Bei all den schlechten Dingen ist es komischerweise der positive Fakt, dass sich in Deutschland so viele freiwillige Helfer und Menschen für Migranten einsetzen. Das gilt auch für die vielen Menschen, die gegen große, rassistisch orientierte Demonstrationen auf die Straße gehen. Es hat mich beruhigt, dass all die Jahre von anti-rassistischen Liedern und Geschichtsunterricht nicht umsonst waren. Es gibt nach wie vor so viele Leute in Deutschland, die sich gegen diese rechten Schwachköpfe einsetzen und nicht auf diese Propaganda hören.

Die Leute haben Verstand – das war für mich eigentlich das wichtigste Zeichen, das Deutschland an die Welt senden konnte. Bei allen schlechten Sachen, die passiert sind, ist mir das am meisten nahe gegangen, weil es so schön war. Diese Hilfsbereitschaft und dieser Altruismus haben mich sehr berührt. Und ich trage eben auch meinen Teil dazu bei und versuche, in diesem Sinne aufzuklären. Ich glaube: Gemeinsam schaffen wir das schon.